Kapitel 23.2 - Vater und Kontrolle ✅

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Cecile schüttelte nur erneut den Kopf über ihren Schwiegersohn und verschwand wieder im "Haus".

»So, weiter geht's.«, sagte Eric viel zu motiviert und wandte sich wieder mir zu. Schwer atmend kniete ich am Boden. »Nun aber hoch mit dir! So wird das nichts. Ausruhen kannst du dich später noch!« Wie von einer unsichtbaren Hand wurde ich wieder auf die Beine gestellt.

»Bitte, eine Pause!«, flehte ich atemlos. Alles tat mir weh. Wie konnte er nur so von seinen Lehrmethoden überzeugt sein? Was sollte das bringen, wenn er mich hier völlig fertig machte? Weder würde ich mich kontrollieren können, da ich zu müde und erschöpft war, noch würde mir das helfen aus meinem blindem Auge ein "Geisterauge" zu machen. Obwohl ich langsam daran zweifelte, dass das überhaupt möglich war.

Aber ich durfte jetzt nicht aufgeben. Ich hatte Pläne. Pläne, die den anderen nicht gefallen würden, würden sie es bemerken.

»Bereit?«, fragte Eric. Allerdings bezweifelte ich, dass wenn ich »Nein« sagen würde, er noch ein wenig warten würde, bis ich bereit war. Also nickte ich bloß zähneknirschend.

»Gut.« Mein Vater grinste. Und ehe ich mich versah, spürte ich die Wut, die rasend schnell in mir aufstieg. Das war seine zweite Methode des Trainings. Er beeinflusste meine Gefühle. Für ihn war das bloß, als würde er zu einer Maschine gehen und einen Schalter umlegen. Sozusagend stellte er mich auf "wütend" ein.

Schon mehrmals hatte ich ihn während unseres Trainings angegriffen. Und das war alles andere als einfach. Am Ende des Tages würde ich aufgrund meiner Erschöpfung einschlafen und mich für die nächsten Wochen nicht bewegen können. Diese dauernde Wut, dieser dauernde Druck, den Eric auf mich ausübte. Das alles drohte mich unter sich zu zerquetschen. Er raubte mir jede Energie.

»Mika, kontrolliere dich.«, sagte mein Vater. Das konnte er leicht sagen. Er war ja nicht betroffen. Nicht er musste sich seiner Folter stellen, sondern ich.

Ich spürte, wie sich die Energie in mir anstaute. Heimtückisch kroch sie an mich heran, wurde immer mehr und mehr, sodass ich kaum mehr den Überblick behalten konnte. Zusätzlich zu dem äußeren Druck, erschuf sie einen gewaltigen Druck von innen. Mein Körper drohte vor Kraft zu explodieren.

Langsam übernahm sie meinen Geist, schlich sich unbemerkt hinein, vermehrte sich, bis ich keinerlei Widerstand mehr leisten konnte. Sie war ein Parasit. Wie oft ich das schon festgestellt hatte. Geschickt tauchte er seine langen Finger in meinen Geist, machte ihn zu eigen. Stück für Stück übernahm die Kraft, die eigentlich mein sein sollte, mein Denken. Wie ein drohender Schatten tauchte er alles ins Schwarz.

Dieses dunkle Gefühl, dieser Zorn, war so überwältigend, dass ich ihn kaum in Worte fassen konnte. Trotz der Dunkelheit schien meine Welt glühend heiß zu lodern.

Und nun war es mir egal, ob ich jemanden verletzte, tötete, was auch immer. Ich wollte nur jemanden leiden sehen. Am besten den, der mich so verdammt wütend gemacht hatte. Ich presste die Zähne aufeinander, meine Augen verengten sich zu Schlitzen und meine Hände ballten sich zu Fäusten. Meine Fingerknöchel knackten.

»Mika. Kontrolliere dich.«, sagte mein Vater ruhig, der schon ahnte, dass ich ihn gleich angreifen würde. Zur Hölle mit ihm und seinen Ahnungen. Er wusste gar nichts. Er kannte mich nicht. Sollte er nur weiter glauben, dass seine Folter hilfreich sei. Schon bald würde er feststellen, dass diese ihm sein Ende brachte.

Innerlich kämpfte ich mit mir. So gerne wollte ich jetzt einen Energieball auf ihn werfen und ihn explodieren lassen, diesen verdammten Kotzbrocken von Vater, der mich nicht einmal eine Pause machen lassen hatte und mir die ganze Zeit sagte, ich solle nicht herumjammern, es sei ja nur zu meinem Besten! Pah! Dass ich nicht lachte! Wem wollte er das denn erzählen? Es würde ihm doch sowieso keiner glauben! Und seit Stunden machte er mich fertig und meinte, ich solle mich mehr anstrengen! Mehr anstrengen! Was tat ich denn verdammt nochmal hier die ganze verfluchte Zeit?

ObscuraWhere stories live. Discover now