Kapitel 23 - Vater und Kontrolle ✅

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Mein Vater gab mich wieder frei, sah mich lange lächelnd an, dann wandte er sich an Damon. Seine Miene wurde wieder streng.

»Und du? Was suchst du hier? Gerade du solltest wissen, dass du nicht her kommen solltest.« Misstrauisch sah er Damon in die dunklen Augen.

»Ich habe sie hergebracht.«, sagte dieser knapp. Dass er von meinem Bruder dazu gezwungen wurde, verschwieg er. Aber vermutlich war das besser so. Mein Vater sah so aus, als würde er dem Jäger liebend gerne an die Kehle gehen.

»Du hast sie hergebracht?«, wiederholte er skeptisch.

»Ja, zusammen mit Ihrem Sohn Will.«, sagte Damon. Er schien sich nicht gerade wohl in der Anwesenheit meines Vaters zu fühlen. Immerhin zeigte dieser seine Ablehnung offen heraus.

»Danke, ich weiß selbst, wie mein Sohn heißt.«, sagte mein Vater trocken. Ja, er schien Damon nicht leiden zu können. Damon schwieg und sagte nichts mehr. Wahrscheinlich wusste er, dass er ihn nicht für sich gewinnen konnte, geschweige denn, milde stimmen könnte.

»Und Rhea weißt, dass du hier bist?« Er wirkte zweifelnd. Damon nickte. Mein Vater seufzte resigniert. Dann streckte er Damon widerwillig seine Hand entgegen. »Eric Fenrey. Aber das weißt du bestimmt.«

Damon erwiderte den Händedruck. »Damon Firelight.« Der Händedruck wirkte alles andere als freundlich. Von Seiten meines Vaters aus kam er mir mehr wie eine stumme Drohung oder Warnung vor.

Dann sah er wieder zu mir. Seine grünen Augen bohrten sich in meine und plötzlich fühlte es sich so an, als hätte ich irgendeinen Druck auf meinem Kopf, der in mich hinein wollte. Es war unangenehm und erinnerte ein wenig an die Ankündigung von Kopfschmerzen. Und auf einmal existierte dieser Druck nicht mehr. War verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben. Wäre da nicht dieses Gefühl, als wäre ich nicht mehr allein in meinem Kopf. Das alles war innerhalb einer Sekunde geschehen.

Kurz darauf verschwand das alles wieder so schnell, wie es begonnen hatte. Mein Vater seufzte. »Du kannst deine Kräfte also nicht kontrollieren.« Woher wusste er das? Er hatte doch nicht mit den anderen gesprochen! Mit einem Mal hielt ich inne. Langsam verstand ich. Er hatte versucht, in meinen Kopf rein zu kommen. Es war ihm gelungen. Was ich mit diesem Wissen anstellen wollte, wusste ich nicht. Fassungslos sah ich mein Gegenüber an. Er hatte versucht, in meinen Kopf hineinzusehen! Einfach so, ohne Vorwarnung. Dabei war er mir noch immer ein Fremder. Nicht, dass es in Ordnung gewesen wäre, wäre er das nicht.

Nun jedenfalls wusste ich, wie es sich für Damon angefühlt haben musste, als ich in seinen Kopf eingedrungen war, um mir Informationen über ihn heraus zu suchen.

»Ich hoffe, du bist mir nicht böse, dass ich kurz in dich hinein gesehen habe.«, entschuldigte sich mein Vater. Ich war einfach nur empört. Dennoch rang ich mir ein »Schon okay.« ab. Bestimmt hatte er es nicht böse gemeint. Immerhin war ich die fremde Tochter. Das entschuldigte es trotzdem nicht.

»Ich kann dir helfen.«, sagte er. »Deine Kräfte unter Kontrolle zu bekommen. Du wirst Hilfe brauchen. Alleine schaffst du das vielleicht nicht.« Geduldig wartete er auf meine Antwort. Ich war ein wenig überfordert. Wir hatten uns gerade erst kennengelernt, wenn man das denn so nennen konnte. Dennoch nickte ich. Es stimmte: Ich brauchte Hilfe. Auf keinen Fall wollte ich, dass noch jemand sein Leben lassen musste, nur weil ich wütend oder dergleichen wurde.

Wurde ich schon gesucht? Als die Mörderin? War mein Gesicht schon auf Plakaten zu sehen und war ein Kopfgeld auf mich gesetzt worden? Machte ich mir zu viele Sorgen? Garantiert steigerte ich mich nur wieder zu sehr in die Sache hinein. Das tat ich immer. Ich machte mir mehr Sorgen, als ich mir machen musste. Trotzdem war das in diesem Fall nicht ganz unberechtigt.

Mein Vater musterte mich und drang wieder mit Leichtigkeit in meinen Geist ein, um zu suchen, wo er zuerst beginnen sollte. Doch dieses Mal merkte ich es kaum. Hatte er das vorhin extra so offensichtlich getan?

Immer wieder machte er »Hm« und »Mh hm«. Meine Ablehnung dieser Methode gegenüber ignorierte er. Er hätte mich auch einfach fragen können. Schließlich kam er wieder aus meinem Kopf raus.

»Deine Kraft reagiert auf deine Gefühle. Verspürst du starke Emotionen wie Angst oder Wut, verselbstständigt sie sich. Das darf nicht passieren. Du solltest die Kontrolle haben, nicht sie. Außerdem verändern sich in beiden Fällen deine Augen. So etwas ist mir neu.«, erklärte er mir nachdenklich und sein Blick fiel auf mein violettes Auge. »Du musst auf dem Auge nicht blind bleiben. Du bist ein Geistelementar und dieses Auge wurde durch Elementarmagie geheilt. Du wirst es, wenn du mächtig genug bist, als Geisterauge benutzen können, was einige Vorteile haben könnte.«

Wie bitte? Schlagartig wich meine Missbilligung über sein Eindringen in meinen Kopf der Freude. Ich würde mein eines Auge wieder benutzen können? Das war gerade eine der besten Nachrichten in meinem Leben! Diese eine gute Nachricht zwischen all dem Schlechten schien in mir wie ein Leuchtfeuer zu strahlen und vertrieb alles andere. Zumindest für den Augenblick.

Aber ob ich mächtig genug war? Ich hatte keine Ahnung. Ich wusste nur, dass ich es schaffen wollte. Endlich wollte ich mich unter Kontrolle bekommen und ich würde so lange trainieren, bis mir das glückte. Ich wollte mächtig genug werden, um mein Auge wieder nutzen zu können. Mir war es egal, was »Geisterauge« bedeutete. Für mich zählte bloß, dass es nicht verloren war.



ObscuraWhere stories live. Discover now