Kapitel 15 - Damon Firelights Geschichte ✅

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Damon saß im Schatten eines Busches, der die Form eines Schwans angenommen hatte und las entspannt in einem Buch. Jetzt hätte er wie ein völlig normaler Schüler des Internats gewirkt, hätte ich es nicht besser gewusst. Als er meine Gestalt bemerkte, blickte er auf.

»Was willst du?«, fragte er. Zögerlich trat ich von einem Bein auf das andere. Vielleicht war das doch keine so gute Idee gewesen. Womöglich überspannte ich hiermit den Bogen unseres derzeitigen Friedens. Er ließ mich leben. Nicht mehr und nicht weniger. Das bedeutete noch lange nicht, dass ich einen Freibrief hatte, was ihn anging.

Er sah mir meine Unsicherheit an und seufzte tief. »Nun sag schon.«, sagte er ungeduldig. Ich schluckte und knetete meine Hände. Mit hochgezogener Augenbraue sah er mich an.

»Wieso jagst du Geistelementare?«, traute ich mich schließlich zu fragen. »Wir haben dir doch nichts getan.« Das war womöglich das Schlechteste, was ich hätte sagen können. Verbittert lachte der Jäger auf und erneut blitzte mir dieser Hass entgegen, den ich schon im Wald gesehen hatte.

Mit düsteren Gesicht klappte er sein Buch zu. Der laute Knall ließ mich zusammenzucken. Als er aufstand, wäre ich am liebsten davon gerannt. Er wirkte wieder so bedrohlich. Erstaunlich, dass er bis vor ein paar Sekunden noch menschlich ausgesehen hatte.

»Du willst wissen, weshalb ich Geistelementare töte?« Seine Stimme schnitt wie ein Rasiermesser und ich zuckte erneut zusammen. Ein Kloß in meinem Hals hinderte mich am Sprechen. Also beließ ich es bei einem zögerlichen Nicken.

»Meine Aufgabe ist es, euch aufzuspüren. Mittlerweile weist du sicher, dass die meisten Familien von euch untergetaucht sind. Meistens finde ich sie. Und dann töte ich sie.« Seine dunklen Augen beobachteten mich bei jedem seiner Worte. Wollten meine Reaktionen sehen. Ich zwang mich, nicht vor ihm zurückzuweichen. Er war ein Mörder.

»Deine Familie suche ich schon lange. Seit sie damals meine Familie getötet hat.« Er ließ die Worte wirken, ließ mich nicht aus den Augen. Es war ein Schlag ins Gesicht.

»Was?«, hauchte ich. Ungläubig starrte ich den Jäger vor mir an. Die Bedeutung seiner Worte wollte einfach nicht in meinen Kopf. Meine Familie? Meine leibliche Familie? Nein, das war nicht möglich. Auf keinen Fall.

»Glaub es oder glaub es nicht. Mir ist das egal.«, sprach Damon eisig. »Es ändert nichts an dem, was passiert ist. Deine Familie, die Fenreys, haben mir alles genommen. Meine Eltern, meine Schwester und meinen Bruder. Sie haben sie mir genommen. Sie sind Schuld daran, dass ich von einem Waisenhaus ins nächste geschoben wurde. Dass ich schon so oft adoptiert worden bin, ehe sie mich zurückbrachten, wie einen Hund, den man nicht haben will. Als es mir endgültig reichte und ich auf der Straße landete, nahmen die Jäger endlich Kontakt zu mir auf. Meine Familie sollte deine aufspüren. Das tat sie auch.« Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als mir klar wurde, dass Damon mir nun den Plan erzählen wollte, wie seine Familie meine umbringen wollte. Das machte die Bedrohung durch die Jäger auf einmal deutlich realer, als sie mir ohnehin schon vorgekommen war. Erst danach fiel mir auf, dass Damon mir den Nachnamen meiner Eltern verraten hatte. Fenrey. So hätte auch ich geheißen, wäre ich nicht bei meiner Mutter aufgewachsen.

»Meine Eltern wollten die Fenreys mithilfe eines Hinterhalts töten. Da sie sie bereits ausspioniert hatten, wussten sie, dass sie eine kleine, nicht einmal ein Jahr alte Tochter hatten. Dein Bruder war damals zwei Jahre alt. Vielleicht erinnert er sich noch an den Tag. Ihr habt euer Haus verlassen und seid erst spät in der Nacht zurückgekehrt. Deine Großeltern, deine Eltern und ihr beide. Meine Familie lauerte in der Dunkelheit und überraschte euch. - Weißt du, dass deine Mutter als wilde Furie beschrieben wird?«

Natürlich nicht. Und das wusste er auch. Wollte ich wirklich hören, was er dazu erzählen hatte? War ich bereit, mir anzuhören, was für Gräueltaten meine Familie begangen hatte? Was Damons und meine Familie sich gegenseitig angetan hatte?

Ohne auf mich zu achten, fuhr Damon seine Erzählung fort. »Für sie zählt nur der Sieg. Egal, wie sie ihn erhält. Sie ist eine Irre. Als mein Vater ihr den Kopf abschlagen wollte, soll er aus dem Nichts angefangen haben, zu schreien als würde er gefoltert werden. Schließlich erstickte er an seinen eigenen Schreien. Daraufhin wurde sie von meiner Schwester angegriffen. Sie war erst siebzehn Jahre alt, als deine Mutter sie ermordete. Sie hat Finja mit ihrem eigenen Schwert aufgeschlitzt. Währenddessen kämpften dein Vater und mein Bruder. Als Finn sah, was deine Mutter getan hatte, wollte er sie lebendig verbrennen. Dabei ließ er sich nicht von den Schmerzen aufhalten, die deine Mutter ihm zufügte. Aber sie begann sein Feuer zu kontrollieren, weshalb er selbst verbrannte. Nun war nur noch meine Mutter übrig, die es mit deinem Vater aufnahm. Dessen Eltern, deine Großeltern, tötete sie, als diese zur Hilfe eilen wollten. Aber meine Mutter starb mit ihrem eigenen Schwert im Bauch.«

Eindringlich sah er mich an. Wenn er erwartete, dass ich dazu etwas sagte, wurde er enttäuscht. Ich fand keine Worte. Ich konnte ihn bloß entsetzt ansehen. Diese Welt der Elementare war so grausam. Wie konnte etwas so grausam sein?

»Nun, Geist. Hier hast du deine Antwort, weshalb ich deinesgleichen töte.«, sagte Damon mit kalter Ruhe. »Als ich hörte, dass die Fenreys eine kleine Tochter hatten, die sie versteckt hielten, nahm ich den Auftrag, dich ausfindig zu machen und zu beseitigen also liebend gern an.«

»Aber du hast mich nicht getötet.«, sagte ich und schalt mich direkt selbst für diese Aussage. Immerzu musste ich den Bogen überspannen. Irgendwann würde das nicht mehr gutgehen.

»Nein. Offensichtlich nicht.«, erwiderte Damon. Er hegte einen persönlichen Hass gegen meine Familie. Das konnte ich nach einer solchen Geschichte sogar verstehen. Allerdings wunderte ich mich nun einmal mehr, weshalb er mich jetzt am Leben ließ. Und weshalb er seinen Leuten nicht gesagt hatte, dass ich sehr wohl Fähigkeiten hatte.

»Wieso lebe ich noch?«, wollte ich leise wissen. Das ergab für mich nach wie vor keinen Sinn.

Lange sah Damon mich an, ehe er antwortete. »Ich verabscheue deine Eltern für das, was sie meiner Familie angetan haben. Für mich hat es Priorität, sie zu töten. Du hast mir nichts getan. Noch nicht. Aber ich werde sehen, wie sehr sich deine Verwandtschaft auf dich auswirken wird.« Bösartig. Er würde mich töten, sollte er erkennen, dass ich bösartig war. Sah er meine leiblichen Eltern so? Als bösartig?

Aber wenn er bei allen Geistelementaren nach Bösartigkeit ging, würde er doch wohl kaum so viele töten, oder nicht? Wie passte er dann zu den Jägern, die jeden einzelnen Geistelementar töten wollten? Aber darauf würde ich wohl keine Antwort erhalten.

ObscuraWhere stories live. Discover now