24. Analyse

4 3 5
                                    


~Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇--|✧|--Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇~


Nun sollte man eigentlich von einem fürchterlichen inneren Streit ausgehen. Von einer Welle an Anschuldigungen an Spectre, und eine erneute Rückkehr von Kasha'aars Befürchtungen Spectre könnte zu mächtig werden. Doch es stellte sich stattdessen nur eine besinnliche Stille im Innenraum ein. Raven war total fertig. Völlig kaputt. Sie, oder wahrscheinlich eher jemand anderes aus ihrem Kollektiv, setzten sich nach einer Weile an einen neuen Platz, als sie von der Toilette zurückkamen. Sie waren nun Ausgestoßene, dank Spectre. Nein, wegen Star.

Estella hätte Spectre rechtzeitig aufhalten können, wenn sie bereit gewesen wäre für ihren Fehler geradezustehen. Doch sie war sich sicher, dass sie entsprechende andere Wünsche in den Raum geworfen hatte. Dass sie eine andere Lösung gewollt hatte. Es war mit auch ihre Schuld gewesen. Kasha'aar war sich auch einer gewissen, passiven Schuld bewusst. Ihm war es einfach alles egal gewesen. Er hatte nichts mit dem Poesiealbum zu tun, und er hatte nichts mit den Lancesters zu tun, und er hatte nichts mit diesem ganzen Gefühlsquatsch zu tun. Doch er erinnerte sich nun daran, was Gefühle mit einem anrichten konnten. Er erinnerte sich an seine Gefühle für Enemy, und projizierte nun erfolgreich auf Raven, wie diese sich nun fühlen musste.

Er hatte das selbst mit verantwortet, indem er der Situation so lang es nur ging ausgewichen war. Es war nicht nur Spectres Schuld. Spectre war bloß Spectre gewesen. Beide, Kasha und Estella, wussten, dass, wenn sie nur rechtzeitig eingegriffen hätten, Spectre die ganze Sache sicher auf ihren Wunsch hin abgebrochen hätte und so gab es keine Standpauken, keine wütenden Streitereien. Nur Drei im Innern die sich sicher waren, dass Spectre hier eine Schwelle überschritten hatte, die sie nie, nie wieder ihn würden übertreten lassen wollen.

Um die Dinge noch schwerer zu machen sollte Ravens Schicksal ihnen als konkretes Warnsignal für den Rest ihrer Schulzeit dienen. Raven selbst kam erst gar nicht mehr zur Schule, sondern nur noch die Anderen aus ihrem Kollektiv. Diese fanden zwar neue Befreundete, aber Raven selbst kam nie wieder zu den Lancesters zurück. Oft fragte sich Estella wie es Raven wohl ging, und welche Wahrheit sie am Ende für sich zu der Situation gefunden hatte. Aber Estella wusste auch, dass sie diese Information gar nicht verdient hatte. So entschieden sie sich alle drei, dass Spectres Fähigkeiten für sie keinen Ausweg aus persönlichen Problemen darstellen durfte. Bei Spectre selbst blieb aber im hintersten Datenspeicher noch eine klare Notiz bestehen. Darüber, was er konnte, und vor allem, dass er es konnte.

Spectre war immer noch überzeugt davon, dass alle Daten gleichwertiges Potential in sich trugen, und eine breite Datensammlung der beste Weg zu einem möglichst angenehmen Leben im Außen für ihn bedeutete. Er fokussierte sich auf die Dinge im Dazwischen, wie er es beschrieb. Oft schienen Menschen Daten zu übersehen. Daten der Verknüpfungen zwischen A und B, Daten aus Orten, an denen sie sich nicht trauten zu sein, sich nicht trauten zu existieren. Daten von ganz oben und Daten von ganz unten, Daten von rechts und Daten von links.

Eine von Spectres genüsslichsten Momenten war meist der Moment der Verknüpfung der Daten. Also zum Beispiel, wenn er dieselben Worte mit derselben Bedeutung aus dem Mund der stellvertretenden Schulführungskraft wiederholt hörte, aus dem Mund der Partnerin einer Graffitikraft. So verband er Welten und verstand generelle Zusammenhänge, die sich in allen Ebenen der Gesellschaft wiederholten.

Einmalige Datenströme waren problematisch, da sie keine innere, voraussagbare Struktur offenbarten. Deshalb warteten diese Daten abgelegt nur auf ihren Moment der Verknüpfung. Spectre war sich sicher, dass alle Daten miteinander einen Verknüpfungspunkt teilten, und somit früher oder später in das große Gesamtnetz aller Daten hineinspielen würden.

Plurale Welt (Gesamtausgabe, wattpad-friendly)Where stories live. Discover now