17. Gefahr

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»Was macht der'n da?« fragte Kasha'aar.

Er saß mit Ru zusammen vor Darkys Tür. Eigentlich wollten sie gerade raus auf den Platz, aber ein junges Kollektiv in einem schnieken Anzug hatte Darky vorher abgefangen. Die beiden »redeten« nun miteinander.

Die Sprache der Polyfrags war eine unwahrscheinlich komplizierte Kombination aus Gebärdensprache, mehreren Weltsprachen und besonderen Anteilen, die von Polyfrags eingebracht wurden, um auch den abstraktesten Formen ihres Innern eine äußere Kommunikationsmöglichkeit zu erschließen. Sie beherrschten fast alle Blindenschrift, Kyrillisch, das Morsealphabet und Arabisch.

Polyfrags hatten durch ihre erhöhte Anzahl an inneren Netzwerken nicht nur das unglaubliche Talent sehr kleine Netzwerke damit zu beauftragen Dinge solcher Natur intensivst zu erlernen, sie hatten auch fast immer sowieso jemanden in ihrem Kollektiv, den das Thema brennend interessierte, oder der nur auf diese eine, bestimmte Art kommunizieren konnte. Polyfrags hatten meist sehr aktive Innenräume. Das bedeutete, dass auch wenn einer von ihnen noch im Körper steckte, konnten sie alle voneinander völlig unterschiedliche Aufgaben erledigen, und das ohne irgendwelche Art von Energieeinbußen dabei zu erfahren.

Spectre war auf diese Eigenschaft der Polyfrags immer sehr neidisch. Stars Innenraum war manchmal passiv, manchmal etwas aktiver. Star konnten das nicht steuern, und oft waren Aufgaben aus dem Außen mit einem hohen Energieverlust für sie im Inneren verbunden.

Viele Polyfrags besaßen auch nach außen stumme Mitglieder, oder Mitglieder die nicht ins Außen konnten, aber innen sehr verbal waren. Um sich besonders gut an das Leben im Außen mit den anderen Pluralen anzupassen, versuchten sie ihre Energie und ihre Talente nicht zu verschwenden.

Für Kasha'aar hingegen sah das, was Darky und die Anderen da vor ihm gerade praktizierten, mehr aus wie ein total lahmer Krampfanfall. Er könnte schwören, dass er manchmal sogar einige Affen- oder Schweinelaute aus ihren Mündern dringen hatte hören können.

»Wir Polys sprechen so, wenn wir unter uns sind. Das ist Darkys Bruderkollektiv«, flüsterte Ru ihm von der Seite aus zu.

»Oh«, staunte Kasha, »du kannst das auch?!«

Ru antwortete ihm mit einigen Gebärdenzeichen, die offensichtlich restlos aus Schimpfwörtern bestanden. Dazu brauchte Kasha keine Übersetzung, das spürte man ziemlich eindeutig an der Art, wie sie gemacht wurden.

»Das ist vielleicht 'ne seltsame Sprache«, dachte er sich.

So waren die Tage für Kasha: Raus auf den Platz, raus in den Block. Er betrachtete Rudel und die Anderen immer mehr wie seinen eigenen, persönlichen Stamm. Er mochte wie unkompliziert das Leben bei den Polys war. Es gab keine Vorurteile, keine Vorgaben zu dem wie man sprechen sollte und welche Anstandsregeln zu beachten waren. Wenn jemand mit etwas nicht klar kam, dann wurde das besprochen und einfache Lösungen ausgearbeitet.

Es ging nicht darum wer wo her kam oder wer welche Art von Innenraum besaß, wer wen wie anzusprechen hatte, oder mit welchen Pronomen. Keine Ausgangssperren, keine Erwachsenen die einem sagten, was man zu tun hatte.

Die kahlen Hochhäuser ergaben, gekoppelt mit den verwinkelten Straßen, ein einziges Jagdgebiet aus Beton. Darky bekamen oft Aufgaben von ihrem großen Bruder. Meistens sollten sie etwas bei Befreundeten abliefern. Dadurch kam die Truppe oft mit den Anwohnenden um den Fußballplatz herum in Kontakt.

Es waren sehr freundliche Polys, die ihnen sofort Geld zusteckten, und sie offen wie gleichwertige Mitglieder behandelten. Ihre Wohnungen waren archaisch und wild. Es gab keine Ordnung, nur die verschiedensten Artefakte und kulturellen Symbole. Hanteln und klobig stählerne Gewichtscheiben lagen auf den orientalischen Teppichen. Es roch nach Schweiß und nach süßen Aromen, die Kasha nicht zuordnen konnte. Bald hatte er sich an die Sprache der Polys gewöhnt, und schnappte sogar an der einen oder anderen Stelle einige Brocken von ihr auf.

Plurale Welt (Gesamtausgabe, wattpad-friendly)Where stories live. Discover now