65. VR-Hotel

0 1 2
                                    


~Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇--|✧|--Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇~


Würde sie sich dafür ausziehen müssen oder irgendwie sonst wie in Gefahr laufen, dass ihr Hoseninhalt umhergewirbelt werden würde? War das so eine Art Schüttelsimulation, wie bei den virtuellen Autorennen und Achterbahnfahrten? Hätte sie doch bloß ihre große Klappe gehalten! 

Die Gruppe kam in einer Art großem Foyer zum Stehen. Eine doppelseitige Wendeltreppe führte hinauf zu dem, was wohl ein Gang voller Hotelzimmer sein würde. In der Mitte stand ein kleines Kassenhäuschen mit ein paar Bediensteten davor, die offensichtlich ihre Gruppe bereits erwartet hatten. Frau Derhilff hatte sich nun unweigerlich mit ihrer rechten Hand in die Schulter der Schwedin gekrallt und führte diese nun, ob sie es wollte oder nicht, in Richtung Kasse.

»Einmal bitte«, sagte sie zu dem Kassierer, der eine Augenklappe trug, und sofort dadurch mehrere Fragen im Kopf der Schwedin auslöste.

War das nun eine modische Wahl oder war diesem Menschen wirklich etwas zugestoßen? Hier schienen solche Dinge einfach manchmal unmöglich zu beantworten zu sein. Eigentlich war alles hier so surreal, als ob sie sich mitten in einem Gemälde Khalis befinden würde.

Nachdem ihr Ticket gelöst wurde forderte Frau Derhilff alle zum Teilhaben an ihrer baldig erfolgenden VR-Erfahrung ein. Drei bewaffnete Soldaten folgten ihnen die Treppe hinauf. Die Schwedin hatte eine Zimmernummer erhalten und wusste immer noch nicht, ob ihr gleich ihr Diebesgut aus der Tasche geschüttelt werden würde, oder nicht.

Als sie die letzten, mit rotem Teppich, und von einer vergoldeten Seilführung umrandeten Treppenstufen genommen hatte, und abbog in einen Hauptgang mit unzählig vielen Zimmertüren, kam ihr noch ein fast genauso grausiger Gedanke: Wie offen genau wurde denn in dieser Gesellschaft mit dem Thema Sex umgegangen? Was, wenn das hier nur so eine Art Edelbordell war und sie gleich irgendwie dazu genötigt werden würde bei sexuellen Handlungen mitzumachen? Was konnte man hier denn schon nicht erwarten? Sie würde nie wieder hier irgendwie auch nur eine einzige Frage mehr stellen! Mit Sicherheit nicht an Frau Derhilff! Kontrolle konnte sie. McGregor schob seinen wesentlich kleineren Körper neben dem ihrer güldenen Anführerin hindurch - er hatte wohl immer noch nichts gelernt.

»Frau Derhilff, entschuldigen Sie, aber es hat mich doch ein wenig überrascht, als Sie vorhin christliche Bräuche erwähnt haben. Gibt es denn Christen in Ihrem Land?«

Frau Derhilff blieb kurz stehen um einen Spannungsbogen auf ihre Antwort zu erzeugen. Sobald sie ihre Antwort gefunden hatte, lief sie weiter, mit ihrer rechten Hand in der Schulter der Schwedin verankert.

»Christen, Muslims, Buddhisten, Hindus, und noch viel mehr! Falls du mit deiner taktischen Formulierung auf ein Religionsverbot hinaus wolltest, muss ich dich leider enttäuschen, Herr McGregor! Jeder darf bei uns glauben, an was auch immer er möchte. Wir haben Christen, wir haben nur keine Kirchen.«

»Keine Kirchen? Wieso das?« setzte der gebürtige Schotte weiter nach.

»Weil noch niemand bereit war eine zu errichten! Unser Staat steckt keine finanziellen Mittel in die Religion, egal in welche. Wenn jemand eine Kirche bauen will, dann soll er das auf dieselbe Art tun, wie jemand anders auch eine Einkaufshalle baut.«

»Aha! Vielen Dank, Frau Derhilff!«

»Ich weiß, das wird für dich vielleicht jetzt ein großer Schock sein, aber meinetwegen darfst du das ›Frau‹ auch ruhig weglassen. Du darfst mich auch Toa nennen, Ratskanzler, oder Ratskanzlerin. Es ist mir völlig egal. Weil es keine Bedeutung für mich trägt«, sie fixierte ihn mit ihren alles durchdringenden Augen, während sie ihm diesen Sachverhalt klarmachte, »das gilt selbstverständlich auch für alle der anderen Anwesenden.«

Plurale Welt (Gesamtausgabe, wattpad-friendly)Where stories live. Discover now