27. Nacht

5 3 6
                                    


~Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇--|✧|--Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇~


Wie zu erwarten hatte es sich nicht gelohnt die Namen der Neuen zu lernen. Kasha'aar hatte sich relativ schnell an die Zustände des nächtlichen Umherirrens gewöhnt. Irgendwo traf man immer irgendwelche Typen, die sich unter Kapuzen versteckten und irgendwelche Joints oder Pillen dabei hatten. Sie waren mehr sowas wie die traurigen Supplier für die, die eigentlich untereinander befreundet waren. Man nährte sich an deren sexuellen Hoffnungen auf ihr erstes körperliches Mal, und deren Verlangen nach neuen Freundschaften. Für beides hatte Kasha'aar nicht die geringste Energie.

Deshalb ignorierte er einfach diese Spielchen. Das war eine gute Rolle für ihn in dieser Kultur, denn wer nichts sagte, wurde auch nicht in stundenlange, nervige, sinnlose Diskussionen reingeschmissen, aus denen man dann ewig nicht mehr rauskam, weil der Alkohol, und, gegebenenfalls, die sonstigen Substanzen im Körper, es sehr schwer machten einen passenden Endpunkt des Entkommens zu finden.

Da Kashas Ziel weder romantische noch sexuelle Annäherungen beinhaltete, war er auch außen vor bei dem Geprotze mit ersten Beziehungen, dem Zeigen körperlicher Nähe; »und damit auch körperlichem Besitz«, fügte Estella gedanklich hinzu; dem besoffenen Rumgemache und Rumgeknutsche, den entstehenden, dramaturgischen Höchstleistungen, die aus Eifersucht, und nicht erwiderter, ewiger Liebe resultierten. Kasha verstand das alles nicht. Es war warm und es gab Bier. Kein Grund zum Heulen. Seine geheime Mission jemanden zu finden, der ihm psychedelische Drogen besorgen konnte, teilte er nur dann mit, wenn er eine Chance witterte, etwas auf der Spur zu sein. Wenn jemand von seinem Ecstasy-, PEP- oder Speedkonsum berichtete, oder wenn von einem persönlichen Dealer, der angeblich alles Mögliche hatte, die Rede war.

»Hat der auch Pilze? Schon mal LSD probiert?«

Kasha stocherte dann immer kurz in die laufende Protzerei hinein, und wunderte sich, warum die Protzerei nicht beendet war, nachdem er ein »Nein« zurückerhalten hatte. Immerhin redeten wir hier von dem Unterschied zwischen schmelzenden Wänden und einem erhöhten Selbstbewusstsein. Er verstand überhaupt nicht, was an den Effekten der gängigsten Drogen so toll oder berauschend sein sollte. Alkohol und Cannabis verstand er ja noch, aber dieses andere Zeug? Kasha'aar hatte bereits genug Selbstbewusstsein. Kasha'aar hatte bereits genug Stamina. Aber die Wände schmolzen nicht. Es wäre bestimmt cooler, wenn die Wände zusätzlich noch schmelzen würden - so viel wusste er.

Aber Kasha hatte ja schon Schwierigkeiten damit Rus und Shadows Probleme nachzuvollziehen. Er ging davon aus, dass jedes Kollektiv bereits Übung darin hatte gegen riesige Urzeitechsen, fleischfressende Pflanzen und gigantische Totenköpfe, die in Flammen standen, zu kämpfen, und verstand daher nicht, warum Kleinigkeiten wie ein Mangel an elterlicher Fürsorge, ein großer Bruder, der im Gefängnis saß, eine nicht erwiderte, romantische Liebe oder ein Durchfallen in der Schule für viele so starke, innere Konflikte, Trübsal und Ängste auslösen konnte. So ein riesiger, flammender Totenkopf ist schon was anderes, fand er. Vielleicht gingen sie davon aus, dass die Dinge in ihrem Innern ihnen nichts anhaben konnten? Vielleicht konnten sie das auch nicht? Kasha dachte an das göttlich verzerrte Gnu und erschauderte.

»Vergiss nicht, dass jedes Kollektiv völlig anders funktioniert als wir. Silkes Kollektiv hat innere Kleine, so wie Mama. Wir wissen gar nicht, wie das ist. Ru besteht aus über hundert Tierwesen, wir haben überhaupt keine Vorstellungskraft dafür«, belehrte ihn Spectre dann immer, der seine Nachforschungen zu den einzelnen, pluralen Bewusstseinsformen ausgedehnt hatte und daher ganz genau wusste, dass sie ein ziemlich gutes Los gezogen hatten. Allein schon weil sie es irgendwie geschafft hatten kaum untereinander zu streiten. Kasha'aar zog dann immer gedemütigt an seiner Kippe und dachte sich:

Plurale Welt (Gesamtausgabe, wattpad-friendly)Where stories live. Discover now