16. Politik

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Nach der Akquirierung des ersten nuklearen Sprengsatzes breitete sich die Plurale Welt rasant aus. Immer mehr Teams erzielten bei ihren Missionen Erfolge, und die aktuelle politische Lage hätte für die Pluralen nicht besser sein können.

Viele Länder hatten einen sogenannten Rechtsruck erfahren, der sie politisch innerlich aufspaltete. Völker hatten keine gemeinsame Identität mehr und griffen sich untereinander an. Durch die Ausbreitung der Pluralen Welt wurden Grenzen noch stärker verkleinert, zusätzlich zu dem Phänomen der ansteigenden Meeresspiegel, die ebenfalls die Hoheitsgebiete der Staaten bedrohte.

In rapidem Tempo fanden sich Singlets immer weiter zurückgedrängt, und damit auch immer mehr zusammengedrängt. Sie konnten nicht aufhören untereinander zu streiten. Wegen ihrer Hautfarben, ihrer Kulturen und ihrer Geschlechter.

Die neu über die Grenzen geschobenen Singlets wurden unter ihren eigenen Reihen als Flüchtlinge behandelt, als Mitglieder zweiter und dritter Klassen. Selbst wenn ein ganzes Land von der Karte verschwand, mussten die Ausgestoßenen oft in abgegrenzten Bereichen und Lagern andernorts leben. Die Singlets sabotierten sich so gut genug selbst um der Pluralen Welt ein schnelles Entstehen zu gewähren.

Die Plurale Welt umfasste nun fast den gesamten, alten, eurasischen Kontinent und war ausgerüstet mit einer der stärksten Militärkräfte der Welt. Dies mag zunächst sehr mächtig klingen, doch die Besatzung des Kontinents wurde exponentiell einfacher dadurch, dass die klimatischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte die Böden fast zur Hälfte ihrer Landmasse unbewohnbar gemacht hatten.

Die Singlets beschlossen sich dazu den Kontinent aufzugeben, und konzentrierten sich stattdessen auf ihren Krieg gegen die einheimischen Völker der noch übriggebliebenen, zu bewohnenden Erdflächen.

Für die Pluralen war das Singletbewusstsein der Grund für die vielen Probleme in der Welt: Die Naturkatastrophen, die Vermüllung, den Rassismus. Für einfach alles. Ein Singletbewusstsein war roh und animalisch, das, wenn es nicht in seine Schranken gewiesen wurde, alles Gute instinktiv zerstören musste. Es konnte nicht anders. Es fehlte ihnen einfach die plurale Gemeinschaft im Innen.

Sie konnten einfach einen gewissen Level an Selbstkritik und Selbstreflektion nicht erreichen, weil sie immer nur mit sich selbst beschäftigt sein konnten. Und das nonstop, ihr ganzes Leben lang. Immer nur »Ich, Ich, Ich« in ihrem Kopf! Was konnte man auch von so etwas noch anderes erwarten, wenn man so einsam leben musste? Das plurale Bewusstsein hatte die Aufgabe zu übernehmen mit Hilfe der stärkeren Verbindung zum kosmischen Ursprung für eine notwendige Eindämmung des Problems zu sorgen.

Die aktuell amtierende Ratskanzlerin Toa Derhillf steckte in einem robusten Körper. Dieser besaß erstaunlich breite Schultern und den Brustkorb eines Löwen. Laut Angaben der Medien betrug die Körpergröße über zwei Meter. Sie trat oft vor dem Volk in goldfarbenen Anzügen auf, mit roten Krawatten - das war ihr Stil.

Für sie repräsentierte ihr Look ein Abschaffen altertümlicher Singletstigmen was Kleidung betraf, aber es sollte auch gleichzeitig ein Symbol ihrer pluralen Überlegenheit sein. Sie hatte ihrem Körper zusätzlich ein goldenes Diadem über ihre Stirn tätowieren lassen, mit dem Und‑Zeichen in dessen Mitte.

Das Und-Zeichen war das Symbol der pluralen Bewegung und prangerte stolz auf der pluralen Ratsflagge. Diese war, abgesehen von einem blauen Und-Zeichen, ansonsten völlig schwarz. Ein Entwurf einer pluralen Kunstkraft, um durch das Und-Zeichen ein Innenwesen vor dem schwarzen Abgrund des Innenraums darzustellen.

»Ich mag sie nicht«, kommentierte Estella jedes Mal wenn Toas Antlitz über die Bildschirme lief.

Sie sprach immer nur von sich, nie von ihren anderen Kollektivmitgliedern. Estella stellte sich das Innere von Toa wie eine grausame Diktatur vor, in der alle anderen nur nach ihrer Pfeife tanzen mussten. Außerdem war sie immer so drohgebärdend. Sie sagte immer nur negative Dinge, und machte ihr und allen anderen bloß Angst. Toa benutzte oft aggressive Gestik, die Estella einfach nicht ausstehen konnte.

Plurale Welt (Gesamtausgabe, wattpad-friendly)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt