Plurale Welt (Gesamtausgabe, wattpad-friendly)

47. Intelligenz

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Spectre ging währenddessen voll in seinem Studium auf. Er hatte direkt im ersten Semester seinen Schwerpunkt auf die Außenpolitik gelegt, damit er irgendwann als Teil eines Fachteams entweder an die Grenze, oder sogar über die Grenze hinauskommen würde können.

Spectre erinnerte sich zufrieden an die vielen Warnungen vor einem »schweren Studium« in dem es »anders zuginge, als auf der Schule«, während er beobachtete wie Altklausuren digital den Studierenden von der Fachschaft zur Verfügung gestellt wurden und diese zum Bestehen einfach nur auswendig gelernt wurden, wie immer, da die Lehrkräfte selbst zu faul waren, um sich mehr als eine Frage in ihren Tests neu auszudenken.

Dem reinen Spaß an der Sache wegen hatte Spectre seine ersten vier Klausuren des Semesters mit seinem Wissen aus einer echten Recherche absolviert, während er die letzten vier mit dem Auswendiglerntrick ausfüllte. In den selbst recherchierten bekam er nur Vier Komma Nuller zurück, während er auf die getricksten nur Einser absahnte. Das Spiel lief immer noch so weiter, wie er es gewohnt war.

Das war eine echte Erleichterung, da sie kein gemeinsames Leben führten, sondern ein strikt geteiltes, und er somit sowieso nur einen Drittel von Stars Lebenszeit auf solche Dinge aufwenden konnte. Die Lehrkräfte waren alles Regime- und Ratshörige mit einem ausgeprägten Hang zur Insektenforschung.

Jeder von ihnen konnte komplexe Berechnungen zu ihrem Spezialgebiet vollführen, doch kamen sie auch im dreckigen Neoprenoutfit zur Vorlesung oder redeten die Hälfte ihrer Vorlesungszeit davon, wie sie ihre Partnerin verlassen hatte und das man dem Femininem einfach nicht trauen konnte. Manche führten einen Kleinkrieg mit ihren Assistierenden, die alle grundsätzlich davon ausgingen, dass die Lehrkraft weniger Intelligenz besaß, als sie selbst. 

Eigentlich hatte Spectre ein noch korrupteres System vor sich, als zu seinen Ausbildungs- und zu seinen Schulzeiten. Spectre liebte diese korrupten Systeme, weil da, wo es Löcher gab, gab es immer auch Abkürzungen.

Einer der größten Fehler, die man begehen konnte, war es zu viel Wissen zu wollen. Man wurde grundsätzlich bestraft, wenn man tiefergehende Fragen stellte oder den Monolog der Redenden unterbrach, da diese sich dann den Kollektivnamen ganz genau merkten und immer wieder auf diejenigen zurückkamen, um sie zu etwas zu befragen, einen für kleinere Hilfstätigkeiten auswählten oder einen auch mal in einen anderen Bezirk schickten, ohne finanzielle Kompensation natürlich, um dort an einer anderen Universität an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten.

Spectre konnte sie nie verstehen, die Klassensprechenden. Die, die freiwillig sich zum Zielobjekt einer zusätzlichen Arbeitsleistung machten. Wahrscheinlich waren sie der »Das-hilft-dir-alles-später«-Lüge aufgesessen, die sich hartnäckig seit der ersten Schulklasse hielt. Spectre hatte noch nie auch nur einen einzigen Beweis dafür zu Gesicht bekommen, dass irgendetwas daran stimmte.

Die erste Schwachstelle im System war, dass es gar keine Berufe gab, die nicht eine ewig lang gestreckte, viel zu ausgiebige Anlernphase besaßen, da ja jeder Insektenforschende davon ausging, dass ihr Fachgebiet mit dessen Fachbegriffsblabla irgendetwas mit Intelligenz zu tun hatte und nicht nur mit blankem Handgriff- und Auswendiglernen.

Die zweite Schwachstelle war, dass es überhaupt keine Berufe mehr gab, die nicht schon sowieso in ihren Routinen so weit automatisiert waren, dass es nicht auch jeder x-beliebige Affe erledigen konnte, den man drei Wochen lang über dieselben monotonen Abläufe vollgequatscht hatte.

Kurzum, die Schwachstelle war die Lüge, die sich jeder erzählte, dass der eigene Job anspruchsvoll wäre, obwohl es gar keine anspruchsvollen Jobs mehr gab, und das schon dreimal nicht für irgendwelche Einsteigenden, die direkt von irgendeiner akademischen Bahn kamen. Grundsätzlich stimmte Spectre sowieso nicht damit überein, dass es so etwas wie Intelligenz überhaupt wirklich gab.