86. Phlatsch

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Während Shane sich also in die Nacht begab, war Spectre irgendwie enttäuscht, dass es keine schönere Lösung, wie zum Beispiel einen Lichtschalter gab; er aber auch nicht wusste, wie man einen Lichtschalter bastelte, und er sich deshalb dieses Wissen sofort auf die Liste an Dingen setzte, die er zuhause würde nachlesen müssen.

Kasha dachte natürlich an einen geplanten Hinterhalt, da es verdächtig war, dass Shane sie alleine ließ, in so einem verletzbaren Zustand der baldigen Nachtruhe. Shane stapfte hinter seinen Bunker, an den dicken Zusammenschluss aus komplizierten, physikalischen Gesetzen, an dem er selbst auch nicht viel mehr verstand, als wo man ihn an- und wo man ihn ausschaltete.

Für einen kurzen Moment schien es ihm so, als würde er ein merkwürdiges Surren vom Lagerplatz her hören, aber es war sowieso zu gefährlich, da nochmal vorbeizuschauen, falls Gangreal und Pfeiffer von irgendeiner ihrer Abenteuer zurück waren. Er wollte nicht den Fehler begehen, jetzt noch von den beiden zugelabert zu werden. Dafür war er viel zu erschöpft. Also trottete er einfach wieder in den Bunker, erledigte schnell noch eine hastige Abendhygiene, indem er sich ein paar Mal Wasser über den Kopf goss, und ließ schließlich seine Muskeln im weichen Untergrund seines Bettes ruhen.

Das Surren war tatsächlich weder eingebildet, noch unbedeutend gewesen. Kurz nachdem Shane und die Anderen den Platz verlassen hatten, war ein kleiner Aufklärungsroboter aus dem Schutt gefahren, dessen Bildübertragungskapazitäten die Situation so unauffällig wie nur möglich abgegriffen hatten. Das Surren war bei seiner Flucht entstanden, als die kleinen Rollen den Kies entlanggeschlurft waren, damit die Maschine wieder von den Besitzenden in Empfang genommen werden konnte.

Miriam betrachtete sich im Spiegel. Es war lange her, dass sie sich selbst so gesehen hatte. Das war ihr altes Ich, nicht Rasmus. Sie überlegte, wie es zu diesem Punkt gekommen war. Sie war sich selbst fremd. Augenblicklich zerfiel die Pappwand, an der ihr Spiegel und die Fassade einer sicheren Behausung gehangen hatten. Das gesamte Konstrukt kippte einfach so nach hinten weg.

Sie stand in der Wüste. Knochige, einbandagierte, sehnige Arme griffen nach ihren Knöcheln, wobei sie einen Art Sog im Sand erzeugten, der sich immer mehr zu einem Wirbelsturm zu entwickeln schien. Hatte sie sich zu sehr auf das Schauspiel konzentriert, und zu wenig auf die Realität? Sie war von Anfang an derselben Person gefolgt, und in dieser Pluralen Welt schienen Star ja so etwas zu sein, was daheim bei ihr eher als eine Art von Verschwörungstheoretiker bezeichnet werden würde.

In ihrer Analogie zu den beiden, parallelen Gesellschaftsstrukturen gehörten Star zu denen die Auswegen aus der Unterdrückung und einem Ruf von Rebellion grundsätzlich folgten, unabhängig davon, ob es sich später als Realität herausstellen würde, oder nicht – oder etwa nicht? Die zuckenden, sich in Arabesken verdrehenden Tunnel zur Spirale hatten ihre Beine bereits hinabgezogen. Miriam schrie.

Was, wenn ich gerade dem Äquivalent eines störrischen Teenies gefolgt bin, der denkt, er könnte sich bei der Mafia einschleichen, weil er geheime Worte kennt, die man nur einmal sagen muss, um die ganze Familie zu übernehmen? Woher wusste sie das? Ruck. Von ihrem klaren Menschenverstand aus? Aber wie viel war dieser in dieser Welt noch wert? Sie kam sich immerhin selbst immer fremder vor, je länger sie sich an diesem Ort aufgehalten hatte. Ruck.

Miriam hob ihren rechten Arm aus dem Sand empor, doch die Sonne brannte stattdessen nur unbeirrbar weiter auf die durch die Trockenheit in ihren Fingermulden abgeblätterten Hautfetzen hinunter. Miriam hatte doch eigentlich bloß nach Hause gewollt?!

Estella schlief auf ihrer Seite des Raumes ebenfalls nicht besonders gut. Alle ihre Muskeln waren in einer Art Paralyse gefangen. Die einzigen beiden Signale, die ihre Neuronen bereit waren an den Körper zu senden waren »links« und »rechts«. Vor ihr erstreckte sich entweder eine Miniaturfassung der Erde, oder sie selbst war riesig.

Plurale Welt (Gesamtausgabe, wattpad-friendly)Where stories live. Discover now