85. Bunker

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Dass die meisten von ihnen sowieso draußen pissten, wollte er jetzt nicht noch zusätzlich erwähnen. Estella knipste die Taschenlampe an und wurde sogar fast positiv überrascht. Das Klo besaß eine Art Abfluss. Einen ausgehobenen Graben, den man sogar mit Wasser nachspülen konnte. Wohin die Kloake dann lief, das war ihr zumindest in diesem Augenblick egal.

Sie verrichtete ihr Geschäft und nutzte den Eimer Wasser, der daneben platziert war, um die Sache einigermaßen zivilisiert hinter sich bringen zu können. Trotzdem würde sie hier erstmal so wenig wie nur möglich essen. Das war gut für die Figur und gut gegen unnötig eklige Toilettengänge.

Eine weitere, grundsätzlich positive Erfahrung, die man erhielt, wenn man frisch in einem fremdem Heim ankam, und sofort auf die Toilette rannte, war, dass man die Chance bekam, während die Gastgebenden sich anderweitig beschäftigten, die Behausung in aller Ruhe unter die Lupe nehmen zu können. Shane und Rasmus hatten sich bereits im großen Wohn- und Schlafbereich niedergelassen. Somit konnte Estella, als sie den dunklen Seitenarm verließ, ganz entspannt Shanes Einrichtung begutachten.

Shane lebte wirklich sehr spartanisch, aber mochte offenbar auch keine halben Sachen. Die Wände waren überall dicht mit dem Dach verbunden. Direkt nach dem Eingang ging es rechts ab in den Toilettenbereich, und, separat davon gehalten, einige Schritte weiter in eine Art Hygienenische, in der ein kleiner Drehspiegel aufgestellt war, sowie einige typische Utensilien zur Rasur.

Es gab sogar Mülleimer, die zwar alle unterschiedliche Formen hatten und mehr wie wahllos aus dem Schutt aufgelesen wirkten, aber immerhin gab es welche. Estella hatte schließlich schon außerhalb der grauen Hölle genug Bewohnungen, insbesondere von alleinstehenden Maskulinen betreten, in denen sie sämtliche Räumlichkeiten nach einem Ort zur Müllentsorgung absuchen musste, nur um, auf konkretes Nachfragen hin, zu einer völlig überfüllten Plastiktüte geführt zu werden.

Es gab zwar keine Gemälde, oder sonstige Arten traditioneller Kunst, aber Shane schien wohl einen Fable für Graffiti zu besitzen. Im großen Gang zum Wohnbereich hin waren fast alle Steine bunt besprüht. Durch die grobe Beschaffenheit des Baumaterials hielten die Farben zwar ihre Sättigung nicht besonders gut, aber man merkte, dass es sich um gewollte Muster und Linien handelte, und nicht um irgendwelche Klekse frei nach dem Motto: »Hauptsache bunt«.

Eine Sprühkunst empfand Estella als besonders ästhetisch: Shane hatte eine Art verzierten Rahmen geschaffen, der als Ornament die größte Aushöhlung am Ende des Tunnels umrandete. Erstaunlicherweise nicht besonders »Gangster«. Mit Hilfe von silbern glänzender Sprühfarbe, schwarzen äußeren und inneren Schraffierungen und vielen verschiedenen matten, hellen Farben hatte Shane wohl eine Art antiken Tempeleingang imitiert.

»Na, fertig?«

Shane hatte die in der Aushöhlung stehende Estella bemerkt. Diese fuhr gerade mit ihren Fingern über die Wölbungen des Tempeleingangs.

»Hast du das alles gemalt?«

Shane schüttelt sich kurz ein wenig stolz, dann kam:

»Jap! Wenn mal keine Aufträge reinkommen wird's hier schnell langweilig. Ist nur so ein Zeitvertreib von mir. Die Bude ist ja leider schon ziemlich vollgesprüht. Hatte kurz überlegt aufs Dach auszuweichen, aber dann würde man ja von oben schon meine Behausung identifizieren können. Glaub nich', dass ich das will.«

»Du könntest doch Aufträge in anderen Behausungen annehmen?«

Shane zuckte mit den Schultern.

»Hah! Das hat noch keiner angefragt, und ich dräng' mich da nicht auf. Außerdem weiß ich gar nicht, ob ich das wollen würde. Dann erwarten die irgendwas bestimmtes, keine Ahnung. Nicht so mein Ding, ich arbeite lieber intuitiv.«

Plurale Welt (Gesamtausgabe, wattpad-friendly)Where stories live. Discover now