128. Frei

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Jenny hatte diesen Knaben kennengelernt. Diesen unfassbar ergreifend, wundervollen Knaben. Der so ganz anders war, als die Anderen. Sein Geist erstrahlte und hatte ihre Welt mit Licht erfüllt. Wenn er lachte, schien die Sonne.

In ihrer Innenwelt war sie ein stinkendes, abstoßendes Wurmwesen. Alle flüchteten immer nur vor ihr. Alle hatten Angst vor ihr. Deshalb kümmerte sie sich so sehr. Deshalb konnte sie etwas in denen fühlen, die im Abgrund saßen. Es war wie ein intrinsisch eingebauter Magnet in ihr. Naja, jedenfalls...hatte sie diesen Knaben kennengelernt.

Sie hatte einfach mit ihm reden müssen. Mit jedem Wort, das er sprach, mit jedem Satz, den er vollendete, fühlte sie sich, als ob sie da drin irgendetwas wirklich verstehen konnte. Er hatte überhaupt nie nach ihrer Form im Innen gefragt. Normal musste sie dann immer irgendwann lügen. Ihn hatte sie nicht belügen müssen. Und dann tanzten sie. Und sie starb tausend innere Tode.

Ihre Tränen wollten gar nicht mehr aufhören, als er plötzlich weg war. Sie konnte nicht verkraften wie es ihr Herz zerriss. Es war einfach zu viel. Sie hängte Zettel aus, überall: Wo ist er? Wo ist er nur? Sie versuchte die Leitung der Schule und die Lehrkräfte zum Reden zu bringen. Sie durften ihr keine Informationen über andere Studierende geben. Warum antwortete er ihr nicht mehr auf Kinstedt? Kannte irgendjemand die Eltern von Kenny?

KANNTE IRGENDJEMAND DIE ELTERN VON KENNY? WUSSTE IRGENDJEMAND WO ER WOHNTE? BITTE! IRGENDJEMAND MUSS DOCH IRGENDETWAS WISSEN?!

Oh, nein...es ist meine Schuld! Ich bin ihm nach dem Kuss aus dem Weg gegangen! Ich bin abgesprungen! Dieser Blick von ihm, als er...und, als er... Komm zurück! Komm zurück zu mir, bitte! Niemand wusste etwas. Ihre rotzige Nase spiegelte ihr ihre innere Form wider und sie ekelte sich vor sich selbst. Er hat es irgendwie rausgefunden! Er hat irgendwie rausgefunden, was ich wirklich bin! Das war es! Das musste es einfach gewesen sein! Jenny sackte in sich zusammen, regungslos. Ihr Kollektiv schrie sie an:

»Du bist wunderschön! Vergiss ihn einfach!«

Aber ihre Rufe trugen nicht die Anerkennung in sich, die Kenny ihr hatte geben können. Sie konnte ihre Intentionen instinktiv fühlen. Was war ein »Du bist wunderschön« schon wert, wenn es aus dem Mund von jemandem kam, der sie schon einmal mit einem demonstrativen Würgen begrüßt hatte?

Seine Augen hatten dieses gewisse Etwas gehabt. Diese außerweltlichen Strahlen. Dieses chromatische Glitzern, als ob er gar nicht von diesem Planeten stammte. Und sie war Kacke. Lebende Kacke.

Es wurde langsam gefährlich. Ihr Kollektiv entschied sich dazu eine Unterredung mit ihr zu führen. Sie liebten sie ja, aber, wenn sie dem Körper etwas antun würde... Sie? Dem Körper etwas antun? Dachten sie etwa so von ihr? Taten sie deshalb plötzlich alle so, als ob sie sich um ihr Schicksal kümmern würden?


04.11.

Hey, warum warst du denn heute eigentlich nicht im Club? Hast du dich etwa auch angesteckt? :)

05.11.

Alles ok bei dir? :(

06.11.

Kenny, wir machen uns alle Sorgen um dich! Bitte antworte doch!

14.12.

Hey

17.12.

Wenn das wegen mir war, es tut mir wirklich leid! Was auch immer es war, bitte lass uns doch darüber reden!

Plurale Welt (Gesamtausgabe, wattpad-friendly)Where stories live. Discover now