80. Missionen

2 2 2
                                    


~Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇--|✧|--Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇Δ∇~


Nachdem Shane sich von seinem Krankenbesuch wieder zurückgezogen hatte, war es langsam Nacht geworden. Pfeiffer und Gangreal hatten heute Nachtwache. Das bedeutete, er konnte sich etwas vom heutigen Einsatz am Gemeinschaftsfeuer erholen. Als er am Versammlungsplatz eintraf, spielten Oslo und Jackson ein wenig Poker.

»Scheiße, so kann es doch nicht weiter gehen«, beschwerte sich der immer noch am Boden durch seine Verletzung festgebundene Jackson. »Shane! Was meinst du?«

»Was soll ich wozu meinen?« lachte dieser.

»Scheiße! Alles, Mann! Was sonst? Wir können uns nicht mal auf unsere eigenen Arbeitgebenden verlassen, wenn wir hier im Sterben liegen!«

»Du liegst nicht im Sterben«, kommentierte Shane Jacksons übliche Übertreibung.

Die Ex-Wehrkraft der Pluralen Streitkräfte hatte irgendetwas in ihren letzten Einsätzen erlebt, das sie in die Arme der 75er getrieben hatte. Bei solchen Sachen fragte man nicht weiter nach. Jetzt vertrieb er sich seine Lebenszeit bei ihnen und das einzige, bei dem Shane ihn jemals positiv sprechen gehört hatte, war, als er sich über die bei der Gang nicht vorherrschende Diskriminierung gegenüber dichter Bärte ausgelassen hatte.

Jackson trug schwarze, volle Locken auf seinem Kopf, sowie einen genauso lockigen, kinnlangen Bart dazu. Angeblich gab es bei der Armee eine unterschwellige Verachtung gegenüber Barttragenden, da sich dieser überall verfangen könnte. »Nicht ein Mal ist mir das hier passiert! Nicht ein Mal!« hatte Jackson immer wieder betont.

»So ist es eben, Jackson«, ging Shane auf seine Wuttirade ein. »Wir sind eben die Entbehrlichen unter den Entbehrlichen. Wir haben dir das schon tausend Mal gesagt.«

»Ja! Und genau deshalb müssen wir unser eigenes Ding machen, Shane! Das hab ich dir schon tausend Mal gesagt! Aber auf mich hört ja keiner!«

Oslo mischte sich nicht ein. Das tat er selten. Shane mochte ihn, weil er aus ähnlichen Gründen hier gefangen war, wie er selbst. Aus einer emotionalen Überzeugung heraus. Oslo trug mittellange, blonde Haare, einen Schnauzer, ein markantes, rotes Hippie-Kopftuch, ein Paar Piratenohrringe und einen schwarzen Lippenstift, den er erst bereit war abzulegen, wenn seine Aufgabe hier beendet war.

Man sah es ihm kaum an, aber er war eine Kontaktperson für die sogenannten Pathologiefanatischen, drüben, in der Pluralen Welt. Er gehörte nicht selbst dazu. Er half nur denen, die über die Grenze fliehen wollten. Das war besser, als Bomben zu legen, beteuerte er immer. Shane vermutete schon lange, dass mit Oslo selbst irgendetwas nicht ganz stimmte. 

Besonders, seit er ihn einmal bei einer Art starker Verwirrung erwischt hatte, bei der sein Körper zusammengekugelt in einer Schuttecke gelegen hatte, und immer wieder etwas Unverständliches in sich selbst hinein gemurmelt hatte. Als Shane ihn an der Schulter gepackt hatte, hatte er ihn wie ein wildes Tier angefaucht und ihn ein dreckiges, fettes Arschschwein genannt. Shane hatte nach dieser Sache genau ein einziges Mal nachgefragt, um wen es sich bei seinem Kollektiv damals gehandelt hatte, worauf Oslo ihn nur gebeten hatte, die ganze Sache einfach zu vergessen. Shane vermutete, dass Oslo solche Attacken öfters bekam, sie aber sehr präzise zeitlich einordnen konnte, und sich dann jedes Mal unter einem beliebigen Vorwand aus dem Auge der Öffentlichkeit zurückzog.

Der Typ tat ihm einfach echt leid. Falls er wirklich krank war, war er in einer Gesellschaft aufgewachsen, für die diese Krankheit gar nicht existierte. Darauf klarzukommen, stellte Shane sich echt schwierig vor. Oslo schleuste nicht nur Pathologiefanatische über die Grenze. Er half auch den Transsexuellen, den Homosexuellen, den Bisexuellen, und den sonst wie in ihren jeweiligen Ländern unterdrückten Minderheiten, die aus den restlichen Ländern an die plurale Grenze gefahren kamen, weil sich ihre eigenen Länder immer mehr von ihnen politisch abgewandt hatten.

Plurale Welt (Gesamtausgabe, wattpad-friendly)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt