Kapitel 171 - Leave me

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Lilly

>>Du weißt, ich kann dir nur helfen, wenn du es zu lässt<<
Ich nickte. Die Therapie lief überhaupt nicht gut. Keinerlei Fortschritte, seit Harveys Tod.
>>Was denkst du gerade?<< fragte mich meine Therapeutin und versuchte auf anderem Wege an mich heran zu kommen. Ich schluckte nur und bewegte mich ansonsten keinen Millimeter.
>>Lilly...so kann das nicht weiter gehen, das weißt du<<
Meine Augen schnellten hoch.
>>Ich weiß, dass du wieder nicht isst und dich wieder selbst verletzt<< sagte sie. Mein Blick glitt zurück zu meinen Händen, die ich verkrampft in meinen Schoß gelegt hatte.
>>Hilft es dir? Willst du dich so bestrafen?<<
Meine Augenbrauen zuckten wütend.
>>Du denkst, dass es deine Schuld ist, oder?<< fragte sie vorsichtig, bemüht. Mein Hals wurde trocken. Es war klar, worauf sie anspielete. Aber ich wollte nicht, dass sie es sagte.
>>Es war nicht deine Schuld, Lilly. Du hast getan, was du konntest, um ihm zu helfen. Harvey hat das für sich selbst entschieden<< fing sie an.
>>Sagen Sie seinen Namen nicht!<< zischte ich plötzlich und ihre Augen blitzten auf. Endlich redete ich. Auch, wenn sie sich so auf ganz dünnem Eis bewegte, Harvey war im Moment der Schlüssel um mich zu brechen.
>>Du vermisst Harvey, das weiß ich<<
Schon wieder. Sein Name. Stop! Ich schüttelte den Kopf, wollte kein Wort sagen. Doch sie fing erneut an.
>>Harvey hat so gekämpft.<<
>>Hören Sie auf!<< presste ich leise über meine Lippen.
>>Aber er hätte nie gewollt, dass du dir so selbst schadest. Harvey wollte- <<
Ich sprang auf.
>>Lassen Sie das! Hören Sie auf seinen Namen zu sagen! Hören Sie auf mir zu sagen, was er gewollte hätte! Sie haben keine Ahnung! Er hat mich verlassen!<< schrie ich sie durch den Raum an.
>>Er hat mich verlassen.<< krächzte ich kraftlos. Sie kämpfte ebenfalls mit den Tränen, versuchte ihre professionelle Maske zu halten.
>>Du fühlst dich also von ihm verlassen, allein gelassen.<< stellte sie fest.
>>Ich bin ganz allein.<<
Sie schüttelte den Kopf.
>>Du bist nie allein, Lilly<< Typischer Therapeuten-Satz.
>>Niemand kann mir helfen! Da ist nichts mehr!<<
Panik schlich sich an. Mit aller Kraft, versuchte ich sie zu verdrängen. Das alles machte sowas von keinen Sinn. Es half mir nicht. Ich konnte mir nicht mehr selbst helfen. Ich sah keine Lösung mehr, ich wusste nicht mehr wie das ging. Egal, wie sehr ich es wollte.
>>Setz dich Lilly, lass mich dir helfen.<< sagte sie liebevoll. Langsam schüttelte ich den Kopf. Ich nahm meine Jacke und verließ die Sitzung. Ich konnte das im Moment nicht. Seit dem Augenblick als Chrissy vor meiner Haustür stand, war die Zeit stehen geblieben. Und es gab kein Zurück mehr. Wie sehr wünschte ich, ich könnte nochmal drei Wochen zurück gehen. Oder noch weiter. Wie sehr wünschte ich, ich könnte Harvey zurück holen. Und mich selbst. Draußen war es bitterkalt. Ich stand auf der Straße und fing laut an zu lachen. Na super Lilly, jetzt bist du auch noch verrückt. Sie sollten dich gleich weg sperren! Ich zuckte als mein Handy klingelte.
>>Verpiss dich einfach! Lass mich endlich in Ruhe!<< schrie ich Caleb an.
>>Beruhig dich! Soll ich dich abholen?<<
Er versuchte ruhig zu bleiben. Einfach, weil ich es nicht sein konnte. Ich wusste, ich tat ihm weh, war unfair. Er war der letzte Mensch, der es verdiente. Aber ich konnte nicht anders. Ich konnte nicht anders als ihn weg zu drücken. Es musste sein. Ich konnte ihn nicht mit hinunter ziehen.
>>Rede endlich mit mir, ich liebe dich<< sagte er zärtlich. Ich schloss die Augen. Es musste sein. Auch, wenn er der einzige Mensch war, den ich noch in meinem Leben wollte. Es musste sein.
>>Ich liebe dich nicht.<<
Bei dem letzten Wort, brach meine Stimme.
>>Du meinst das nicht so, ich weiß es.<<
Ich konnte die Schmerzen in seiner Stimme hören. Ich konnte sehen, wie ich ihm das Herz brach.
>>Ich liebe dich nicht, Caleb. Ich will dich nicht. Lass mich endlich in Ruhe!<< versuchte ich es eindringlicher. Ich versuchte, es mir selbst einzureden.
>>Bitte tu das nicht<< sagte er leise. Ich presste meine Hand auf meinen Mund, damit er nicht hörte wie weh es mir tat, ihm das anzutun.
>>Bitte...<<
Er schluckte, ich legte auf. Es war zu Ende. Es war ganz egal, wie sehr ich ihn liebte. Ich tat ihm nicht gut. Das war schon immer so gewesen, nie anders herum. Ich würde ihn nicht mit hinab ziehen! Ich rang nach Luft, presste meine Faust gegen meine brennende Brust. Ich hatte eine Entscheidung getroffen, es war vorbei.

Please no promises - und alles wurde fakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt