Kapitel 97 - the last Song

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Lillys Sicht.

Stumm saß ich am Tisch. Doch im Inneren, schrie ich. Von außen war alles still, ich hörte nur das leise Ticken der Küchenuhr. Im Inneren wollte ich den Teller vor mir nehmen und schreiend an die Wand werfen. Ich tat es nicht. Ich saß einfach nur am Tisch, die Hände in den Schoß gelegt und mit starrem Blick an die Wand. Ich wusste nicht, was ich tun sollte oder konnte. Ich konnte mich nicht bewegen, obwohl mich alles in diesem Moment von innen zerriss. Nach einer Zeit schaffte ich es aufzustehen und zum Mülleimer zu gehen. Vorsichtig und leise, sodass mein Dad nichts hörte, warf ich das Essen in den Müll, warf ein paar Blätter der Küchenrolle oben drauf und stellte den Teller dann in die Spüle. Ich ging nach oben in mein Zimmer und setzte mich aufs Bett. Ich schloss die Augen und hielt mir die Ohren zu, in der Hoffnung, dass meine lauten Gedanken dadurch leiser werden würden. Ich weiß nicht, wie lange ich dort so saß. Als ich das nächste mal auf die Uhr sah, war es kurz vor acht. Wie sollte ich denn bitte so zu dieser verdammten Party gehen? Zitternd stand ich auf und stellte mich vor meinen Schrank. Ich streifte mir achtlos eine kurze weiße Bluse und einen lockeren Jeans-Rock über und fuhr mir einmal durch die Haare. Ich sah grau im Gesicht aus. Meine Wangen waren eingefallen und unter meinen Augen ragten riesige Ringe. In Chris Haus würde es eh dunkel sein, also machte ich mir nicht die Mühe mich zu schminken. Das schaffte ich einfach nicht. Mir war speiübel. Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass ich seit gestern nichts mehr gegessen hatte oder daran, dass meine Psyche mal wieder den Bach runter ging. Naja, wahrscheinlich war es beides. Super, das konnte ja was werden heute. Depressiv auf eine Sommerparty gehen. Mein Mund fühlte sich trocken an, sowie Staub. Deshalb ging ich ins Bad und trank ein Glas Wasser. An der Tür strauchelte ich und kurzzeitig tanzten schwarze Flecken vor meinen Augen. Ich blinzelte sie so gut es ging weg, zog meine Sneaker an und nahm meine kleine Handtasche. Kurz vor halb neun verließ ich das Haus. Nur ein paar Sekunden später sah ich auch schon, wie Nicks Auto die Straße hochgefahren kam. Ich stieg ein und schaute aus dem Fenster, ich sagte nichts, bewegte mich nicht. Ich spürte, dass Nick mich ansah, doch konnte ich meinen Körper nicht dazu bewegen, sich zu ihm zu wenden. Ich holte Luft, wollte etwas sagen, doch es kam nichts aus mir raus. 

>>Das mit der Party wird wohl heute nichts<< sagte er leise.

Er startete den Motor und fuhr los. Ich wusste nicht, wohin wir fuhren, aber es war mir auch egal. Als er anhielt, dämmerte es bereits und die Uhr zeigte halb zehn. Neben mir, sah ich die Autotür aufgehen, dann spürte ich Nicks Arme um mich herum, die mich aus dem Wagen trugen. Er setzte mich auf einem großen Stein ab und erst da sah ich, dass wir an dem See waren, an dem ich vor Ewigkeiten mal mit Matt und Milla die Schule geschwänzt hatte. Der See war schön, doch nahm ich es nicht richtig wahr. Nick setzte sich neben mich auf einen weiteren Stein und schaute auf den See hinaus. Niemand von uns sagte etwas. Ich wartete einfach nur, bis sich mein Körper wieder regen konnte. Und das schaffte ich erst, als die Sonne untergegangen war. 

>>Ich fühle mich so leer...<< flüsterte ich und drehte dann mit ganzer Kraft meinen Kopf zu Nick. 

>>Ich fühle gar nichts und ich kann nichts dagegen tun<< 

Nick schaute mich lange an.

>>Zieh deine Schuhe aus und tauch deine Füße ins Wasser<< sagte er nur leise und machte es mir vor. Ich tat es ihm zögernd und kraftlos nach. Das Wsser strömte angenehm kalt um meine Füße und zum ersten Mal fühlte ich auch die frische Luft an meiner Haut. Ich fühlte mich ein Stück lebendiger. 

>>Danke<< hauchte ich und ließ meinen Blick über das Wasser schweifen.

Wir redeten eine ganze Weile nicht. Ich versuchte einfach nur das Gefühl der Freiheit, welches mir Nick gerade geschenkt hatte, an mich ran zu lassen. Es funktionierte nicht wirklich. Doch trotzdem spürte ich, dass der Druck auf meiner Brust etwas nachgelassen hatte. 

>>Wir sollten so langsam gehen, ich fahre dich nach Hause. Es ist schon weit nach ein Uhr<<

Aus meinen Gedanken gerissen schaute ich ihn an, dann stand ich langsam auf, nahm meine Schuhe und ging wieder zurück zum Auto. Die Rückfahrt war ebenso leise, wie die letzten Stunden. Das einzige was man hörte, war die ruhige Musik, die im Radio lief. Nick hielt in meiner Ausfahrt.

>>Kann ich irgendwas für dich tun?<< fragte er besorgt.

>>Nein. Heute nicht auf die Party zu müssen, hat mir schon etwas geholfen<<

Ich versuchte ihn anzulächeln, nur wollte sich mein Mund nicht weiter bewegen. Nickte nickte nur noch. Er hatte mich verstanden.

>>Gute Nacht<< sagte er, bevor ich ausstieg. Als ich die Autotür schloss, hörte ich die letzten Zeilen eines Lieds. Hätte ich doch nur gewusst, dass das der letzte Song sein würde, den ich für eine lange Zeit hören würde. Dann hätte ich mehr auf die letzten Worte geachtet. 

Please no promises - und alles wurde fakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt