Kapitel 155 - Trauma

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Lilly

Eine Woche später knibbelte ich an einem Aufkleber in meinem Spind herum. Milla war mit ihrer Schauspiel-AG auf einem Tagesausflug und Matt war mit Caleb in unserer Freistunde in die Stadt gefahren, um was zu essen. Ich wollte nicht mit. Eigentlich hatte ich vor die Freistunde zum Lernen für Geschichte zu nehmen. Aber jetzt stand ich einfach nur an meinem Spind und starrte hinein. Charlotte und Alexa liefen an mir vorbei. Es war das erste Mal, seit Wochen, dass Alexa sich wieder traute eine Bemerkung über mich zu machen. Wahrscheinlich auch nur, weil Caleb oder Matt nicht in meiner Nähe waren. 
>>Bitch<< murmelte sie, Charlotte sah mich nur an. Dann kicherte Alexa abfällig, als wären wir immer noch zwölf Jahre alt. Mit einem Ruck, schlug ich meine Spindtür zu und starrte die beiden an.
>>Probleme?<< zischte ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor und marschierte dann an den beiden vorbei nach draußen. Draußen beruhigte ich mich wieder und stand dann dumm herum. Ich hatte absolut keinen Plan, was ich in der Freistunde machen sollte. Also lief ich zur Raucherecke. Die Jungs rauchten entspannt ihre Zigaretten. Sogar vom Gras hatten sie ihre Finger gelassen, seitdem ich in die Klinik eingewiesen worden bin. 
>>Hey Lilly<< sagte Noah überrascht und schloss mich kurz in die Arme, bis Nick ihm einen scharfen Blick zuwarf. 
>>Wir sollten mal reden<< sagte ich entschlossen und versuchte Nick zu fixieren. Er pustete seinen Zigarettenrauch an mir vorbei, schmiss die Zigarette auf den Boden und trat sie aus. Dann sah er mich prüfend an, distanziert. Unerschrocken erwiderte ich seinen Blick.  
>>Na gut<< machte er und führte mich hinter die Sporthalle zu den großen Säulen. Flashbacks an Caleb zuckten an meinen Augen vorbei. Schnell schob ich die Gedanken zur Seite und kämpfte mit meinen Gefühlen. Augenblicklich wusste ich, dass das hier keine gute Idee war. 
>>Was soll das?<< fragte ich ihn und verschränkte die Arme vor der Brust. 
>>Was soll was?<< meinte er nur und vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen. 
>>Das alles hier? Du bist mein bester Freund. << blaffte ich ihn an.
Er schnaufte und schüttelte den Kopf.
>>Dein bester Freund...Ich weiß nicht, was du meinst<<
>>Du weißt ganz genau, was ich meine!<<
Ich wurde aufgebrachter und mein Puls fing an zu rasen. Er wand sich ab und sagte einfach gar nichts.
>>Hör auf mich zu ignorieren!<< schrie ich ihn an und packte ihn grob am Arm.
>>Dann hör du auf diesen Bastard zu vögeln!<< schrie er zurück und bäumte sich vor mir auf. Ich war sprachlos und starrte ihn an.
>>Ach komm Lilly, willst du mir sagen du hast an diesem Wochenende nicht mit ihm geschlafen als ich euch im Club gesehen habe?<< fragte er, ein schiefes und trauriges Lächeln war auf seinen Lippen.
>>Das geht dich nichts an<< gab ich nur zurück und stellte auf stur.
>>Ach nein? Du hast doch gerade gesagt, ich wäre dein bester Freund oder?<< antwortete er. Ich wollte mich umdrehen und gehen. Doch mir fiel wieder ein, dass ich diejenige war die dieses Gespräch wollte.
>>Klar, dass du jetzt nicht mehr weißt was du sagen sollst<< nuschelte er nur.
Wut stieg in mir auf.
>>Du bist so unfair!<<
>>Ich bin unfair?<< lachte er ungläubig.
>>Lilly, du warst diejenige, die mich wochenlang verarscht hat und mich dann weg geworfen hat, nachdem du mich nicht mehr brauchtest!<< schrie er mich an und kam näher. Die Wut brannte in mir. Ich konnte mich nicht mehr kontrollieren.
>>Du warst derjenige, der mich vor der ganzen Schule bloß gestellt hat. Du hast allen von meinen Narben erzählt. Du hast mich manipuliert und mir weh getan!<< keifte ich zurück. Kurz dachte ich, ich würde ihm gleich an die Kehle springen.
>>Heul mal nicht rum, Prinzessin<< machte er nur.
>>Nenn mich nicht so!<< zischte ich und haute ihm hart gegen die Brust.
>>Tja, wie soll ich dich sonst nennen? Ist dir Geisteskranke vielleicht lieber?<<
Seine Stimme wurde aggressiv. Seine dunklen Augen, schienen noch dunkler zu werden. Meine Brust verkrampfte sich, ich bekam kaum Luft.
>>Hör auf!<< sagte ich leiser. Ich war kurz vorm Platzen. Die Kontrolle hatte ich längst verloren. Wenn ich sie denn je besessen hatte.
>>Oder wie wäre es mit Hure?<<
Mein Atem rasselte. Er kam mir näher, drängte mich immer einen Schritt weiter zurück.
>>Bitch.<<
>>Stop...<<
>>Schlampe!<<
Ich schlug ihn nach vorn.
>>Du wolltest mich vergewaltigen! Vergiss das nicht! Nenn mich nie wieder eine Schlampe!<<
Ich wollte ausholen und ihm in sein Gesicht schlagen, doch Matt und Chris hielten mich zurück.
>>Was?<< kam von Caleb. Erschrocken dreht ich mich zu ihm um. Ich hatte ihm nie von dem Vorfall damals erzählt.
>>Was hast du ihr angetan?<< brüllte Caleb Nick an. Aber Toby ging dazwischen. Meine Wut hatte sich in Angst gewandelt. Ich befreite mich von Chris und Matt und zog Caleb von Nick weg.
>>Ist schon okay, er hat mir nichts getan. Das ist lange her<< versuchte ich ihn zu besänftigen. So viel Wut und Entschlossenheit hatte ich noch nie in seinen Augen gesehen. Ich hatte Angst, er könnte Nick tot prügeln. Er nahm mein Gesicht zärtlich in seine Hände.
>>Lilly, sei ehrlich. Was hat er dir angetan?<< fragte er besorgt und hielt mich fest.
>>Nichts. Zumindest hat er es nicht geschafft. Alles hat sich seitdem geändert. Wir haben nur gestritten, Caleb<<
Verzweifelt versuchte er meine Augen zu fixieren, verlor sich aber immer wieder in einer Welle von Gefühlen.
>>Ich wollte das nur alles mit ihm klären. Es ist eskaliert, aber mir geht es gut<< versicherte ich ihm.
>>Ich schwöre, wenn er dich noch einmal anfasst-<< drohte er, doch ich küsste ihn bevor er weiter reden konnte. Chris sah Nick fassungslos an.
>>Wir haben noch einiges zu regeln!<< machte er ihm klar, packte ihm am Nacken und schleifte ihn fort.
>>Es tut mir sehr leid, Lilly<< rief Chris mir über die Schulter zu, doch ich winkte nur schnell ab. Erst jetzt wurde mir klar, wie sehr mich Nick traumatisiert hatte. Über Monate. Das alles abzuarbeiten, wird in der Therapie verdammt lange dauern. Und es wirft mich um vieles wieder zurück. Das wusste ich jetzt schon. Nichts war gut. War es nie.

Please no promises - und alles wurde fakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt