Kapitel 145 - Pesto

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Lilly

Während der Fahrt beobachtete ich ihn immer wieder unauffällig. Er fuhr konzentriert, mit Blick auf die Straße. Sein Kiefer war ab und an etwas angespannt, dann entspannte er sich wieder. Meine Augen versuchten sich alles an ihm zu merken. Ich sah seine schwarzen Haare an, seine Hände am Lenkrad, seine Arme, die noch stärker geworden waren, und seine Lippen. In dem Moment schmunzelte er und schnell wand ich mich etwas ab. Fuck, er hatte mitbekommen, dass ich ihn beobachtet hatte. Er sah mich an und sofort konnte ich nicht mehr weg schauen. Seine kristallblauen Augen fixierten meine für einige Sekunden. Sein Atem ging flach. Dann sah er wieder zurück zur Straße. Ich starrte ihn wie eine dumme Pute an. Er grinste und in dem Moment musste ich mich beherrschen ihn nicht zu berühren. Ich vermisste es. Vermisste ihn. Ironisch, da er mir doch so nah saß. Es war als wären wir trotzdem weit voneinander entfernt. Caleb fuhr auf einen Parkplatz, stieg aus dem Auto aus und hielt mir meine Tür auf. Er bot mir seinen Arm zum Festhalten an und wir liefen auf ein Restaurant zu. Ich kannte das Restaurant, allerdings nur von außen. Eine junge Frau begrüßte uns freundlich als wir rein gingen und begleitete uns zu einem kleinen Tisch. Unter der hohen Decke hingen Lichterketten, die sich hier und da, um kleine Bäume herum, hinunter zum Boden schlängelten. Das Restaurant wirkte wie ein kleiner Garten an einem Sommerabend. Leise Musik klang aus Lautsprechern als wir uns setzten. Wir bestellten uns zwei Glas Wasser, dann bekamen wir die Karte. Leise seufzte ich und sah das ganze Essen an. Ich musste schlucken. Es war das erste mal seit der Klinik, dass ich Angst hatte vor einer Person zu essen. Ich bemerkte, wie Caleb mich über die Karte hinweg musterte. Wiedermal hielt mich sein Blick gefangen und meine ganze Angst war verflogen. Caleb war kein Fremder, ganz im Gegenteil. Bei ihm musste ich vor nichts Angst haben, erst recht nicht vorm Essen. Caleb bestellte sich ein Steak mit irgendeiner Beilage, die ich gar nicht kannte. Überfordert von der Auswahl, bestellte ich einfach eine Portion Nudeln mit Pesto und Gemüse. Die Kellnerin sah mich etwas verwundert an und zog skeptisch eine Augenbraue hoch als sie meine Bestellung aufnahm. Caleb schmunzelte und hochroten Kopfes verkrümelte sie sich.  
>>Was denn?<< fragte ich leise. Er grinste und schüttelte langsam den Kopf.
>>Du bist wunderschön<< sagte er. Ich spürte wie mir die Hitze in die Wangen schoss. Am liebsten wäre ich über diesen Tisch gesprungen und hätte ihn geküsst, doch ich beherrschte mich und ordnete konzentriert mein Besteck. Als das Essen kam, redete ich kein Wort. Während des Essens musste ich mich schon noch kontrollieren und Caleb ließ mich zum Glück machen. Er fragte nicht, auch wenn ich spürte dass er das gern getan hätte. 
>>Möchtest du noch spazieren gehen?<< fragte er mich, als ich den letzten Schluck Wasser ausgetrunken hatte. Mein Herz machte einen Satz. Ich nickte.
>>Ja, das wäre schön<<  gab ich zurück. Caleb zahlte Rechnung. Die Bedienung musterte mich von oben bis unten als wir gehen wollten. Ich wusste was sie dachte. Wie konnte Caleb nur mit einem so gewöhnlichen Mädchen wie mir gehen? Doch ich ließ mich von solchen Blicken nicht mehr einschüchtern. Ich straffte meine Schultern und sah sie dann furchtlos an. Schnell senkte sie ihren Kopf als hätte sie sich fast etwas erschrocken. Caleb griff nach meiner Hand und wir gingen raus. Ich konnte ein Lächeln nicht mehr unterdrücken. Wir spazierten zusammen durch den Stadtpark, die Sonne ging langsam unter. Ich atmete tief ein und überlegte, ob ich dieses Thema schon ansprechen sollte. Doch ich wollte auch nicht länger warten.
>>Als du in der Klinik mit mir Schluss gemacht hast, da habe ich versucht mich umzubringen.<<
Langsam drehte Caleb seinen Kopf zu mir. Eine leichte Brise ging durch seine Haare, seine Augen schienen plötzlich zu vereisen. Er atmete zitternd aus. 
>>Chrissy und Harvey haben mich gerettet. Ich wollte es wirklich durch ziehen, weil ich ohne dich nicht leben kann.<< sagte ich kalt und sah ihm in die Augen. Er riss sich los und schaute weg. Ich zwang ihn anzuhalten, mich anzusehen. Vorsichtig legte ich meine Hand an seine Wange. Über seinem Gesicht lag ein dunkler Schatten. 
>>Ich bin so froh, dass sie dir helfen konnten...<< sagte er.
>>Und es tut mir leid, dass ich das nicht konnte. Es tut mir alles leid. Ich wünschte-<< flüsterte er, doch ich unterbrach ihn.
>>Shht<< machte ich leise, meine Finger glitten über seine Lippen. Er schloss die Augen, ich spürte seinen Atem an meiner Haut. Ich konnte sehen, wie sehr er mit sich kämpfte.
>>Tu das nicht.<< 
Langsam nahm er meine Hand weg und legte sie auf seine Brust. 
>>So will ich dich küssen. Ich will nichts überstürzen.<< gab er zu, seine Augen ruhten auf meinen Lippen. 
>>Warum?<< fragte ich ihn sehnsuchtsvoll. Frustriert lachte er. Er drehte sich weg von mir, griff erneut nach meiner Hand und wir gingen weiter. 
>>Du machst mich nervös<< gab er zu.
>>Ich dich?<< kam es ungläubig aus meinem Mund. Ich dachte, er wollte mich verarschen.
>>Ja, du.<< Sein Blick war wieder so intensiv, mir blieb die Luft weg.
Er liebte mich wirklich.
Schweigend gingen wir zurück zum Auto. Ich musste mich ablenken, also fing ich auf der Autofahrt leise an zu singen. Lächelnd hörte mir Caleb zu. Ich musste laut lachen, als ich plötzlich den Songtext falsch sang. Fast selbstverständlich legte ich meine Hand auf seine und versuchte mein Lachen zu unterdrücken. Caleb schüttelte amüsiert den Kopf und parkte seinen BMW auf unserer Einfahrt. Er stieg aus und half mir aus dem Auto. Lange sah ich ihn an. Ich wollte nicht rein gehen. Am liebsten wollte ich für immer bei ihm bleiben. Ich wollte nicht, dass der Abend endete. Wieder wurde mir warm. Caleb strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und verharrte dann an meiner Schläfe. Er schluckte, nahm mein Gesicht in seine Hand. Langsam kam er mir näher. Seine Lippen waren nur Millimeter von meinen entfernt. Kurz dachte ich, wir könnten uns beide nicht mehr kontrollieren. Doch dann küsste er sanft meine Wange.
>>Schlaf gut<< sagte er leise. 
>>Du auch<< hauchte ich.
Nur widerwillig ließ er mich los. Es brauchte eine Ewigkeit, bis ich ins Haus gegangen war. Meine Mum saß in der Küche und starrte mich erwartungsvoll an. 
>>Und?<< bohrte sie nach. Ich grinste übers ganze Gesicht. Sie nickte fröhlich.
>>Gute Nacht, Mum<< sagte ich und huschte nach oben. 
>>Gute Nacht<< rief sie mir hinterher. Schnell machte ich mich für's Bett fertig. Unter meine Decke gekuschelt, holte ich mein Handy hervor. 
'Schön dich kennen zu lernen.' schrieb ich grinsend an Caleb. 
'Das fand ich auch. Ich würde dich gern bald wieder sehen.' kam seine Antwort.
'Das würde ich auch gern.' schrieb ich zurück. Lächelnd schlief ich ein.

Please no promises - und alles wurde fakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt