Kapitel 129 - I needed to be alone

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Lilly

Am Dienstag wachte ich früh auf, zog mich an und ging nach unten, um zu frühstücken. Mein Dad war bereits wieder bei der Arbeit und meine Mum schlief noch. Ich linste von der Küche aus ins Wohnzimmer zum Schreibtisch, wo meine Mum von zu Hause aus arbeitete. Sie schrieb Artikel für eine kleine Zeitung in unserer Heimatstadt. Auf ihrem Schreibtisch türmten sich die Papiere und Umschläge. Plötzlich hatte ich ein schlechtes Gewissen. Hatte Mum einfach nur so viel zu tun oder hatte es sich so angesammelt, weil sie zu sehr mit mir beschäftigt war? Ich konnte mir nicht mal vorstellen, dass ihr Chef es so prickelnd fand, dass sie von hier aus arbeitete. Wer weiß, wie lange schon. Auch Dad hatte gestern wieder frei bekommen, nur damit er mit uns zu meiner Schule fahren konnte. Ich presste meine Lippen zusammen und hatte die ganze Zeit die Stapel auf dem Schreibtisch angestarrt. Zuerst wollte ich ihr behilflich sein und den Tisch aufräumen, doch sicher hatte sie alles schon sortiert und ich wollte nichts durcheinander bringen. Also brachte ich das Wohnzimmer und die Küche in Ordnung und wollte dann ein Frühstück für meine Mum und mich zubereiten. Zehn Minuten später stand ich am Herd und backte Omeletts mit Tomaten. Ich hatte gerade den Tisch gedeckt und goss eine Tasse Kaffee ein als meine Mutter verschlafen in die Küche tappste und sich verwirrt umsah.
>>Was ist denn hier los?<< murmelte sie und ehe sie sich versah, hatte ich ihr die Kaffeetasse in die Hand gedrückt und schob sie zum Küchentisch.
>>Setz' dich, Essen ist gleich so weit<<
Ich verteilte die Omeletts auf die Teller und setzte mich meiner Mum gegenüber. Sie schlürfte ihren Kaffee und versuchte aus mir schlau zu werden.
>>Du arbeitest im Moment so viel, da wollte ich dir einfach mal eine Freude machen<<
Sie lächelte.
>>Du bist so süß, das war eine schöne Idee.<< sagte sie und fing an zu essen.
>>Und so schön aufgeräumt hast du auch<< nuschelte sie zwischen ihrem Essen hervor und sah sich um.
>>Keine Sorge, deinen Schreibtisch habe ich nicht angefasst <<
Beschwichtigend hob ich die Hände und meine Mum musste so lachen, dass ihr das Essen fast aus dem Mund gefallen wäre.
>>Ich glaub, ich fang nach dem Essen mal an mit dem Schulstoff<<
Meine Mum nickte.
>>Fang mit dem schwierigsten an, dann hast du das schonmal fertig<<
>>Ja, gute Idee<< gab ich zu und ließ meinen Finger auf dem Rand der Kaffeetasse kreisen. 
>>Ich muss um 15 Uhr noch zur Therapie<< 
>>Dienstags und Donnerstags, oder?<< fragte meine Mum
>>Ja genau, ich weiß noch nicht einmal, ob ich eine Therapeutin oder einen Therapeuten bekomme<< schluckte ich.
>>Soll ich dich später hin fahren?<< 
>>Ähm...ja, kannst du machen<<
Meine Mum sah mich nachdenklich an.
>>Aber eigentlich willst du nicht, dass ich dich fahre.<< sprach sie dann meine Gedanken aus. 
>>Sonst war ich nach einer Sitzung immer bei Harvey, aber das geht ja jetzt nicht mehr<< gab ich zu. Meine Mum blinzelte verwirrt.
>>Du kannst danach auch mit dem Bus zurück fahren, dann hast du ein bisschen Zeit für dich<<
Ich nickte.
>>Ja, ich glaube, das ist gut<< 
Eine Weile sagten wir gar nichts, bis sie wieder anfing zu reden.
>>Ist Harvey der Grund, warum du nicht über Caleb sprechen möchtest?<< fragte sie einfühlsam und versuchte eins und eins zusammen zu zählen.
>>Nein.<< kam es stumpf aus meinem Mund.
>>Ist zwischen Harvey und dir vielleicht irgendwas passiert? Worüber du vielleicht reden magst?<<
>>Nein, so war das nicht.<< versuchte ich es zu erklären.
>>Harvey steht nicht auf Mädchen<<
Ich sah, wie ihr ein Licht aufging.
>>Harvey und Chrissy, das waren meine Freunde in der Klinik. Harvey wurde mit mir zusammen entlassen, Chrissy ist aber noch da. Und ich vermisse die beiden<< 
>>Sie haben dir wirklich geholfen, oder?<<
>>Ja, die beiden haben so viel für mich gemacht. Ohne sie, wäre ich noch nicht entlassen worden.<< 
>>Das hört sich schön an<<
>>Ja, irgendwie war es das auch<< 
>>Ich wünschte, ich hätte mehr an deinem Alltag in der Klinik teilhaben können...<< murmelte sie und starrte vor sich hin.
>>Mum, es tut-<<
>>Nein, versteh mich bitte nicht falsch! Dein Dad und ich haben einige Fehler gemacht und dich auch sicher zu sehr bedrängt. Ich kann verstehen, dass du in den Monaten in der Klinik keinen Kontakt zu uns wolltest, wahrscheinlich war es das beste für dich und nur so konntest du dich irgendwie erholen.<<
Sie atmete aus.
>>Aber ich hab das Gefühl, dass ich so viele wichtige Momente in deinem Leben in dieser Zeit verpasst habe<<
Ich griff nach ihrer Hand und sah sie fest an. 
>>Ja, es gibt vieles was ihr verpasst habt, vieles was ihr nicht wisst. Und ich werde euch nach und nach auch erzählen, was alles passiert ist. Aber einiges musste ich einfach ganz allein durch machen und aus diesen Dingen will ich euch einfach raushalten. << 
Traurig sah sie mich an.
>>Du hast dich in dieser Zeit so verändert, Schatz. Und darauf bin ich stolz. Ich bin stolz auf dich<< 
Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen, doch ich lächelte sie weg. 
>>Danke<< flüsterte ich. 
>>Ich bin immer da, wenn du reden willst.<<
>>Ich hab mir lange gewünscht, dass du das sagst<< 
Sie nickte und drückte meine Hand einmal fest. 
>>Okay, ich werde dann mal lernen gehen<<
Ich räumte den Tisch ab und war auf den Weg nach oben als meine Mum mir noch hinterher rief.
>>Sag bescheid, wenn du los möchtest oder du sonst was brauchst<<
>>Mach ich<< rief ich nach unten und schloss dann die Zimmertür hinter mir. Etwas lustlos sah ich mir den Matheordner vor mir an, schnappte ihn mir und setzte mich damit auf den Boden. Ich lernte ca zwei Stunden und hatte fast die Hälfte durchgearbeitet. Erstaunlicherweise verstand ich sogar fast alles. Mein Kopf brummte also holte ich mir von unten ein Glas Wasser. Ich sah auf die Uhr, die anderen mussten gerade Mittagspause haben. Mein Blick blieb an meinem Handy hängen. Ich scrollte durch meine Kontakte und kurz schwebte mein Finger über Nick, doch ich wählte Millas Nummer. Es klingelte ein paar Sekunden, dann hörte ich ein Rascheln und dann Milla.
>>Lilly!<< schmatzte sie fröhlich in den Hörer. 
>>Na, was isst du gerade?<< fragte ich mit einem Grinsen im Gesicht.
>>Wir essen Kartoffelbrei<< meldete sich dann Matt.
>>Hi Matt<< begrüßte ich ihn.
>>Hi Lilly<< sagte er fröhlich, aber sanft. 
>>Lilly, was machst du schönes?<< kam es dann wieder von Milla. 
>>Ich...ich lerne für Mathe<<
Kurz war es leise in der Leitung, dann hörte ich wie Milla den Stuhl zurück schob, Schritte, ein lautes Geräusch, dann wieder nichts. 
>>Ich bin gerade raus gegangen. Du lernst? << fragte sie dann.
>>Ja, ich war gestern kurz beim Direktor. Ich komme Montag wieder zur Schule<< platzte die Neuigkeit aus mir heraus. 
>>Du kommst wieder? In unsere Klasse?<<
>>Ja<< 
>>Wow, so schnell. Ich freu mich<< 
Sie freute sich, doch irgendwas anderes schwang in ihrer Stimme noch mit. 
>>Milla, hast du vielleicht heute Zeit? Ich hab um 15 Uhr Therapie, aber vielleicht können wir uns ja danach treffen<< wechselte ich das Thema. 
>>Ähm, ja klar. Gern! Wo wollen wir uns denn treffen?<< fragte sie und der gemischte Unterton war verschwunden. 
>>Lass uns doch um 17 Uhr bei dem Curry-Imbiss an der Ecke treffen<< schlug ich vor.
>>Ja, na sicher. Dann bis 17 Uhr<<
Sie klang etwas überrascht, wohl weil sie sich daran gewöhnen musste, dass ich vorschlug etwas essen zu gehen. 
>>Bis später<< sagte ich und legte auf. Schnell schaltete ich das Handy wieder aus und legte es von mir weg. Damit ich nicht doch noch irgendwas dummes tat. Ich konzentrierte mich wieder auf Mathe, bis es halb drei war. Ich seufzte, zog mich um und ging dann nach unten,um meiner Mum bescheid zu geben. 

Please no promises - und alles wurde fakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt