Epilog - Lebe für mich.

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Caleb

Mein Atem bildete weiße Wolken, während ich schniefte. Es war ganz früh am Morgen, die Sonne ging gerade erst auf und ließ den kalten See vor mir in goldenen Farben strahlen. Lilly hatte diese Zeit des Tages immer geliebt.
Ihr Brief lag in meinen Händen. Ich hatte irgendwann aufgehört nach zuzählen, wie oft ich ihn gelesen hatte.
Über drei Monate war es her, dass Lilly sich das Leben genommen hatte. Ihre Eltern hatten sie am ersten Weihnachtsfeiertag in ihrem Bett gefunden. Sie verließ diese Welt mit einem Lächeln. Erst war unklar, von wem sie die Schlaftabletten hatte. Doch es kam schnell raus, als wir alle von der Polizei befragt worden sind. In Chris Haus wurden die selben Schlaftabletten gefunden und er gab nach drei Tagen zu, dass Lilly sie von ihm hatte. Nick war daraufhin ausgerastet und hätte Chris beinahe tot geprügelt. Glaub mir, das selbe hätte ich fast auch getan. Nach mehreren Begutachtungen und Sitzungen beim Therapeuten war klar, dass Chris eine psychische Störung hatte. Er gab zu, dass er genau wusste warum Lilly an dem Mittag zu ihm gekommen war. Er hatte gewusst, was sie mit den Tabletten wollte. Er wollte sie umbringen.
Chris wurde in eine geschlossene Klinik eingewiesen. Zwei Monate war er jetzt da.
Mehr wusste ich nicht und mehr wollte ich auch nicht wissen. Nick war ebenfalls in Therapie gegangen, genau wie Milla und ich. Matt und Milla hatten sich getrennt, nachdem sie erfahren hatten, dass Lilly gestorben war. Sie blieben Freunde und stützten sich gegenseitig. Ich war mir sicher, dass sie eines Tages wieder als Paar zueinander finden würden.
Mit Lillys Eltern hatte ich seitdem nur einmal gesprochen, vor etwa einem Monat. Danach waren sie weg gezogen. Das Haus stand zum Verkauf, doch niemand wollte es bis jetzt. Es hatte sich rum gesprochen, dass sich dort ein Mädchen umgebracht hatte. Alle wussten Bescheid. Lilly war überall. Alexa hatte mich an Silvester angerufen, sie hatte geweint, sich entschuldigt. Doch es war zu spät, ich hatte ihr nie vergeben was sie Lilly angetan hatte.
Alexa war verliebt in sie gewesen. So wie Nick. So wie ich. So wie alle.
Alle hatten sie geliebt. Sie wurde so sehr geliebt. Doch man kann keinen Menschen in diesem Leben halten, wenn er nur noch leidet. Sie konnte sich selbst nicht lieben. Sie war schon tot als ich sie das erste Mal gesehen hatte. Ich hatte lange gebraucht, um das zu erkennen. Ich hätte sie nie retten können. Jetzt konnte ich nur noch mich selbst retten. Meine Augen schnellten über ihre Handschrift.
Caleb, mein Liebster,
Es tut mir so leid. Es tut mir leid, dass ich zu schwach war um bei dir zu bleiben. Ich hätte mir nichts sehnlicher gewünscht, als ein Leben mit dir. Am liebsten hätte ich dich jeden Tag geküsst. In dem Garten, an deinem Haus, in unserer kleinen Stadt. Einen Haufen Kinder um uns herum. Aber nicht so. Dieses Leben war nicht für mich bestimmt, egal wie sehr ich es versucht habe. Ich habe so gekämpft und ich hatte Grund genug zu bleiben. Aber ich konnte nicht mehr. Und das tut mir so leid. Ich wollte dir nie weh tun, glaub mir. Ich wollte dich nie verlassen. Niemals. Doch ich dachte, es wäre vielleicht leichter für dich getrennt von mir zu sein, bevor ich sterbe. Auch, wenn es im Endeffekt wohl keinen großen Unterschied gemacht hat. Weil du mich geliebt hast. Wie kein anderer. Ich wollte nie jemand anderen. Ich hab nie jemanden so geliebt wie dich. Ich liebe dich, Caleb. Also bitte lebe. Leb dein Leben. Genieß es. Atme. Für mich. Tu alles, was du immer tun wolltest. Ich werde es sicher sehen. Ich werde bei dir sein. Liebe, ohne Furcht und ohne Grenzen. Als gibt es kein Morgen. Da ist noch so viel mehr für dich.
In Liebe
Lilly
Der Himmel färbte sich pink und orange. Die Sonne glitzerte auf dem Wasser. Als würde sie mir ein letztes Mal 'Lebe wohl sagen. Es war ein schöner Tag. Ich vermisste Lilly, in jeder Sekunde. Ich hätte alles gegeben, damit sie geblieben wäre.
Aber es war okay. Ich hatte ihr vergeben. Und ich war ihr dankbar. Dafür, dass sie mir gezeigt hatte was wahre Liebe war. Wie es sich anfühlte wahrhaftig geliebt zu werden.
Ich würde sie für immer in meinem Herzen tragen und ich würde sie immer lieben.
Jetzt musste ich nur wieder lernen, wie man nach so etwas weiter lebte. Ich freute mich auf alles, was noch kommen würde. Ich würde es genießen und ich würde niemals aufgeben.
Lilly war überall. Ich war nie allein.
Und zu wissen, dass es ihr jetzt besser ging machte mich glücklich.

Please no promises - und alles wurde fakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt