Kapitel 123 - Phone Calls

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Lilly

>>Hey Nicole, kannst du mich mit meinen Eltern verbinden? <<
>>Aber na klar Lilly!<< sagte die Frau hinter der Rezeption.
Seit dem Tag als Caleb hier angerufen hatte, verstand ich mich ganz gut mit ihr. Und ich denke sie hat nur drauf gewartet, dass ich endlich jemanden anrufen wollte.
Es war Montagabend und ich hatte beschlossen meine Eltern anzurufen, um ihnen von meiner Entlassung am Sonntag zu erzählen.
Ich setzte mich in die letzte Telefonzelle, zog den kleinen dunklen Vorhang zu und nahm den Hörer ab.
Nach ein paar Mal Klingeln ging meine Mutter ran.
>>Hallo?<< meldete sie sich hörbar verwirrt.
>>Mum? Ich bin's << sagte ich fröhlich und überlegte noch wie ich ihr das mit der Entlassung sage.
>>Hallo mein Schatz. Wie geht's dir? Das ist ja schön, dass du anrufst <<
>>Mir geht's sehr gut. Wie geht's euch?<<
>>Das hört sich gut an. Ach ja hier ist alles wie immer, wir vermissen dich ganz doll<<
>> Ich vermisse euch auch<< murmelte ich und starrte an die Holzwand vor mir.
>>Warum rufst du denn an, mein Schatz?<< fragte sie dann und ich blieb einen Moment still und grinste vor mich hin.
>>Ich werde entlassen Mum<<
>>Was? Das ist ja super! Warte...ich muss deinem Vater Bescheid sagen!<< rief sie ganz aufgeregt. Dann hörte ich wie sie den Hörer ablegte und mit meinem Vater redete.
>>Lilly?<< meldete er sich dann.
>>Hi Dad << lachte ich.
>>Wann wirst du denn entlassen? Wann sollen wir dich abholen? <<
>>Ähm also am Sonntag. Morgens gibt es noch Frühstück, dann muss ich noch zwei Papiere unterschreiben und bin dann wahrscheinlich um 11 draußen<< erklärte ich und versuchte mich zu konzentrieren.
>>Das ist toll, dann holen wir dich ab. Brauchst du noch irgendwas, sollen wir dir was mitbringen? << fragte er ganz hektisch und ich hörte wie er schon wieder herum kramte.
>>Nein Dad. Ich möchte einfach nur nach Hause. Vielleicht können wir ja was schönes kochen und zusammen essen oder so<<
Etwas nervös versteckte ich meine Hand in meinem Ärmel.
>>Ja, das machen wir. Okay Lilly, wir freuen uns auf dich. Dann würde ich sagen bis Sonntag<<
>>Ja, bis Sonntag!<<
>>Ich hab dich lieb Schatz!<< rief Mum noch von hinten in den Hörer und ich musste lachen.
>>Ich euch auch<<
>>Okay, dann schlaf gut<<
>>Mach ich. Tschüss<< verabschiedete ich mich und legte auf, bevor meine Mum doch noch den Hörer an sich riss. Glücklich verließ ich die Telefonzelle und lief rüber zur Rezeption.
>>Ich freue mich für dich << sagte Nicole.
>>Danke<< lächelte ich sie an.
>>Und? Wie lief es?<< quetschte mich Harvey sofort aus als ich um die Ecke lief. Ich griff nach seiner Hand und schlenderte mit ihm den Flur hoch.
>>Es lief gut. Sie holen mich Sonntagmittag ab<<
Harvey nickte.
>>Meine Mum holt mich auch ab. Mein Dad hat leider ein Meeting<<
>>An einem Sonntag?<< fragte ich ungläubig. Er zuckte nur mit den Schultern.
>>Das ist immer so, dafür telefonieren ich mit ihm wenn ich dann im Auto bin<<
Bitter verzog ich den Mund. Aber das war wahrscheinlich schon viel, was seine Eltern für ihn am Sonntag machen konnten.
>>Denkst du Chrissy wird klar kommen, wenn wir weg sind?<< fragte ich nachdenklich und starrte vor mich hin.
Er nickte.
>>Ja, ich denke schon. Sie wird zurecht kommen. Nur sie braucht noch ein paar Wochen<<
Auch ich nickte. Ich hatte trotzdem etwas Angst sie allein zu lassen.
>>Hast du schon deine Überweisung abgeholt?<< wechselte Harvey das Thema und öffnete mir die Tür zum Speisesaal.
>>Nein, das mache ich morgen noch. Doktor Andrews bespricht dann noch genau mit mir an welchen Therapeuten ich überwiesen werde und an welchen Tagen ich dann Therapie habe, wenn ich wieder zuhause bin.<<
>>Ich werde zwei mal die Woche Therapie haben und jeden Montag eine Untersuchung bei meinem Hausarzt<< erzählte mir Harvey als wir uns mit unserem Essen einen Platz gesucht hatten.
>>Ganz schön viel<< seufzte ich. Er zuckte nur mit den Schultern.
>>Finde ich gar nicht wirklich. Dafür, dass wir hier jeden Tag manchmal drei mal Therapie hatten ist zwei mal die Woche gar nicht viel. Und notwendig ist es auf jeden Fall. Du kannst ja auch nicht einfach entlassen werden und zurück in deinen Alltag starten, ohne dass du weiter von einer Therapie begleitet wirst<<
Ich stocherte in meinem Essen rum. Ja, das stimmte schon. Klar, wo er es so erklärte machte es schon Sinn.
>>Hm, mal sehen wie das bei mir so läuft zuhause<<
>>Das wird schon alles laufen, du wirst sehen<< zwinkerte Harvey mir zu.
>>Wann hast du Chrissy eigentlich das letzte mal gesehen heute?<< fragte ich ihn etwas besorgt, nachdem mir auffiel dass sie schon zum Mittagessen nicht da gewesen war.
>>Heute morgen beim Frühstück<< zuckte er nur mit den Schultern.
>>Warum?<< murmelte er dann zwischen einer Gabel Kartoffeln hindurch.
>>Naja, ich hab sie die ganze Zeit nicht gesehen. Hat sie was gesagt?<<
Harvey schluckte hörbar und sah mir abwesend in die Augen, konzentriert zog er die Stirn kraus.
>>Ich glaub sie wollte auch telefonieren. Nein...sie musste telefonieren. Sie hat einen Anruf bekommen. Aber mehr weiß ich auch nicht. <<
>>Denkst du wir sollten mal nach ihr sehen?<< fragte ich und räumte bereits mein Tablett zusammen.
Harvey antwortete schon nicht mehr, er nahm ebenfalls nur seine Sachen und brachte sie zur Geschirrrückgabe.
Vorsichtig klopften wir wenige Minuten später an Chrissys Zimmertür an und betraten den Raum, nachdem niemand antwortete.
>>Chrissy?<< fragte ich leise.
>>Schatz?<< flüsterte Harvey und trat vor mir ins Zimmer.
>>Oh<< machte er traurig und blieb so abrupt stehen, dass ich fast in ihn hineingelaufen wäre. Chrissy lag in ihrem Bett in einen großen Pullover gewickelt und starrte an die Decke.
>>Meine Mum hat mich angerufen<< sagte sie stumpf. Als sie dann den Kopf zu uns drehte, konnte ich sehen dass ihre Augen ganz rot und gequollen waren.
>>Meine Oma hat wieder Krebs und es sieht nicht gut aus<< krächzte sie.
>>Nein...<< kam es über Harveys Lippen und sofort waren wir zu Chrissy ins Bett geklettert, um sie zu trösten.
>>Und ich weiß nicht, ob sie es noch schafft, bis ich hier raus bin<< wimmerte sie und vergrub ihr Gesicht in den viel zu großen Ärmeln des alten Pullis.
>>Oh Schatz...<<
Ihr Weinen versetzte meinem Herzen einen Stich. Ich hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen, dass ich entlassen werden würde. Vor allem mit Harvey zusammen. Gerade jetzt wo Chrissy uns wieder umso dringender brauchte.

Please no promises - und alles wurde fakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt