Kapitel 163 - destroyed on purpose

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Lilly

Harvey schwieg, er war ganz ruhig. Viel zu ruhig. Das sein Vater ihn geschlagen hatte, war mittlerweile mehrere Wochen her und bei dem einen Mal war es auch nicht geblieben. Manchmal hatte ich das Gefühl als wäre von seinen Fortschritten aus der Klinik nichts mehr übrig und das machte mir verdammt Angst. Trotzdem hatte ich nicht den Kopf dafür, für gar nichts. Ich konnte mich auf nichts konzentrieren, obwohl ich Harvey so gern helfen wollte.
>>Ich glaube, ich werde einfach abhauen. Oder ausziehen. Oder irgendwas. Ich will einfach nur weg.<< murmelte er schwach. Ich nickte.
>>Ich weiß was du meinst. Aber wir kriegen das hin.<<
>>Ich weiß ja nicht.<<
Er atmete schwer, als würde er von einer riesigen Last erdrückt werden.
>>Ich leg auf.<< sagte er.
>>Nein, Ha-<<
Doch da hörte ich schon das stumpfe Tuten an meinem Ohr. Schwer atmete ich aus und ließ das Handy sinken, nur um es in der nächsten Sekunde wieder hochzureißen. Eine Nachricht von Caleb blinkte auf.
Bitte lass uns reden.
Ich seufzte und stopfte das Handy zurück in meine Tasche. Mit schweren Schritten ging ich zu meiner AG. Caleb versuchte mich auf dem Flur einzuholen, doch ich flüchtete in den Klassenraum, schloss die Tür hinter mir und lehnte mich mit der Stirn dagegen. Mit der Hand fuhr ich mir durch die Haare und bemühte mich meinen zitternden Atem zu kontrollieren.
>>Stress dich nicht zu sehr.<< sagte jemand hinter mir und erschrocken zuckte ich zusammen. Alexa packte gerade ihre Sachen aus und musterte mich, wie ich da stand. Ich ließ meinen Blick durchs Klassenzimmer wandern, doch niemand anders war hier. Meine Augen schnellten zurück zu ihr. Schnell sah sie weg und misstrauisch starrte ich sie an, bis die Tür hinter mir aufgerissen wurde und ich fast nach hinten fiel. Schnell setzte ich mich auf meinen Platz in der letzten Reihe und zog meinen Collegeblock hervor. Der Kursleiter und ein paar Schüler trudelten ein und der Raum füllte sich langsam. Aber meine Gedanken waren ganz woanders. Was sollte das schon wieder mit Alexa? Was war das in letzter Zeit? Nie im Leben würde sie einfach so nett zu mir sein, da musste irgendwo ein Harken sein. Ich meine, sie war immer noch Alexa oder? Die, die mich monatelang fertig gemacht hatte. Einfach so. Weil ich den Jungen hatte, den sie nicht haben konnte. Zumindest hatte ich das immer so gedacht. Hätte ich doch nur gewusst, was eigentlich hinter allem steckte. Warum sich alle im Moment so eigenartig benahmen. Die Kreide quiteschte laut als der Kursleiter, Mister Fields, die heutige Überschrift unterstrich. Reflexartig biss ich die Zähne zusammen und sah mir das Wort auf der Tafel an.
Verlust.
So ein Bullshit. Das war doch nicht sein Ernst? Ich schnaubte und schlag meinen Collegeblock auf. Mein Blick blieb an einem Zettel hängen, der eine Seite darunter lag. Eine gelbliche Ecke schaute hervor. So ein Papier hatte ich noch nie benutzt.
>>Ich sammel dann Mal ihre Arbeiten von letzter Woche ein<< sagte Mister Fields, doch ich hörte ihm gar nicht zu. Ich zog den Zettel hervor und überflog ihn.
but her skin destroyed on purpose.
Das war alles was ich lesen konnte als der Kursleiter mir das Blatt aus der Hand zog.
>>Dankeschön<< sagte er abwesend und ging weiter.
>>Wa...<< nuschelte ich und wollte nochmal nach dem Zettel langen, doch er war schon weg. Mein eigentliches Gedicht von letzter Woche lag noch vor mir. Na toll.
Frustriert fing ich einfach an einem neuen zu schreiben, doch ich dachte immer wieder zurück an den Satz, den ich vorhin gelesen hatte. Von wem auch immer das gewesen war, es war schön gewesen. Und traurig. Zu gern hätte ich den Rest davon gelesen. Am Ende der Stunde gab ich genervt ab, weil ich nichts Vernünftiges aufs Blatt gebracht hatte und schulterte meine Tasche.
>>Tschüss<< sagte Alexa leise als ich an ihr vorbei ging. Verwirrt blinzelte ich sie an.
>>Tschüss<< machte ich und ergriff die Flucht. Zu allem Übel fing mich Nick draußen auch noch ab.
>>Hey du, warte mal<< sagte er, doch ich rauschte einfach an ihm vorbei.
>>Lilly, jetzt warte doch mal<< rief er und hielt mühelos mit mir Schritt. Seitdem er Caleb verprügelt hatte, hatte ich kein Wort mehr mit ihm gewechselt. Und das wollte ich auch nicht. Ich wollte mir keine seine Ausreden für sein scheiß Verhalten anhören. Doch im Endeffekt tat er doch eigentlich nur das gleiche wie ich. Er versuchte irgendwie ein besserer Mensch zu sein, nur dachte er nie nach und machte alles nur schlimmer. Tief aus atmend und mit geschlossenen Augen blieb ich also plötzlich stehen und Nick rannte fast in mich rein. Überrascht sah er mich an, als mein Blick ihm gegenüber weicher wurde.
>>Was ist?<< fragte ich dann und zählte in Gedanken von zehn runter. Würde er mir unverschämt antworten, würde ich nach diesen zehn Sekunden nie wieder mit ihm reden.
>>Das mit Caleb tut mir leid. Ich war einfach überfordert und wollte dir helfen<< stammelte er, sein Daumen zuckte dabei.
>>Du dachtest du würdest mir helfen, wenn du ihn halb ohnmächtig prügelst?<< warf ich ihm scharf vor. Er wurde unruhiger, seine Augen schnellten zwischen meinen hin und her.
>>Ich, nein, ich hab gedacht er würde dich angreifen<< versuchte er sich zu verteidigen.
>>Caleb würde mich niemals gewaltsam angehen!<< wollte ich ihm klar machen.
>>Woher willst du das wissen?<< schoss er dann übers Ziel hinaus. Wütend starrte ich ihn an.
>>Ich weiß, dass du immer derjenige warst, der zuerst zu geschlagen hat. Caleb hatte das nie nötig<<
Ich wollte ihn schon stehen lassen, doch er hielt mich plötzlich fest.
>>Scheinbar hält er es aber für nötig, doch anlügen zu müssen.<<
Ich starrte auf seine Hände, die meine Arme fest hielten und sofort ließ er mich los.
>>Du hast keine Ahnung!<< giftete ich ihn an und drehte mich zum Gehen.
>>Du doch auch nicht.<< stellte er einfach nur ruhig fest und ließ mich gehen. Ich war wütend auf ihn. Weil ich genau wusste, dass er recht hatte.

Please no promises - und alles wurde fakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt