Kapitel 39 - End

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Ich quälte mich aus dem Bett am nächsten Morgen. Mittwoch.
Na toll. Jeder andere Schüler würde sich freuen, dass bald wieder Wochenende ist. Doch ich nicht. Mein Leben war ein Höllentrip, egal welcher Wochentag es war. Alles verschwamm zu einem, endlosen Tag zusammen. Ich zog mich an, putzte mir die Zähne und ging dann nach unten. Ich stockte als ich meinen Vater am Küchentisch sitzen saß. Neben ihm meine Mum...
Beide schauten mich an und sagten nichts.

>>Lilly komm her<< sagte mein Vater.

>>Was? Dad Ich hab keine Zeit, ich muss los! <<

>>Du kommst jetzt her! << sagte er lauter.

Ich biss mir auf die Zunge und setzte mich zu ihnen.
Meine Mum stand, ging zum Kühlschrank und holte einen vollen Teller mit Essen. Sie stellte ihn vor mich und nickte nur noch. Ich sollte essen.
Langsam nahm ich die Gabel und stocherte erst im Essen, bis ich mir eine kleine Portion an die Lippen hielt. Kurz drauf nahm ich die Gabel wieder runter und tat etwas Essen zurück. Ich sah, wie mein Vater allmählich die Geduld verlor.
Ohne, daß ich etwas gegessen hatte, legte ich die Gabel zurück auf den Tisch und stand auf.

>>Sorry, aber ich muss echt los<<

Ich wollte mich gerade umdrehen, da sprang meine Mum auf.
Sie packte mich an den Schultern und schüttelte mich.

>>Jetzt iss doch endlich was! Was ist daran so schwer? Oder willst du verhungern!? << schrie sie mich hysterisch an.

>>Mum lass mich. Lass mich los! <<

Ich schaffte es mich aus ihrem Griff zu befreien und stürzte aus dem Haus.
Der Morgen hatte ja mal echt gut angefangen...

Ich erschien gerade noch rechtzeitig zum Klingeln und sprang schon fast auf meinen Platz.
Wieder konnte ich dem Unterricht kaum mehr folgen.
In der Pause ging ich über den Flur und wollte zu meinem Schließfach. Chris ging an mir vorbei und blickte mich schnell an, er warf mir einen Blick zu, doch ich war zu verwirrt um ihn deuten zu können. Da würde ich auch schon an den Haaren gepackt und mit dem Kopf gegen die Wand geschleudert. Das Geräusch des Aufpralls war dumpf, doch mein Schädel danach dröhnte und ich sah verschwommen. Mein Herz hämmerte so laut in meinen Ohren, das ich fast nichts mehr hörte. Ich sah nur noch wie Nick und die Jungs aus der Hintertür verschwanden und mit Blick zu mir laut lachten. Ich lief zu den Mädchentoiletten. Ich wusch meine Klinge und dann meine Hände. Ausversehen schaute ich in den Spiegel.
Sofort stiegen mir Tränen in die Augen.
Du bist widerwertig. Du bist abscheulich. Ekelhaft.
Ich wollte mich selbst nicht mehr sehen.
Ich sperrte mich in eine Kabine ein und zig meine Ärmel hoch. Viele Schnitte auf meinen Armen waren noch frisch, ich wusste nicht wo ich noch schneiden sollte. Also Schnitt ich einfach quer über die anderen Wunde drüber. Die Haut riss auf und schnell quoll mein Blut auf den Boden. Ich sah, wie viel es diesmal war. Wohl etwas zu viel, denn mir wurde kurz schwarz vor Augen und prallte gegen die Kabinenwand. Als ich mich wieder gefangen hatte, stille ich die Blutung so gut es ging und verband meinen Arm notdürftig.

Die restlichen Stunden pochte mein Arm und schmerzte. Doch wieder spürte ich kaum etwas.

Ich stapfte durch den Schnee zu meinem Bus, bis ich abrupt stehen blieb.

>>Bye Lilly<< rief Milla fröhlich von der anderen Seite.

Ich winkte ihr zu und stockte dann erneut. Was wollte ich eigentlich gerade tun? Ich wollte ernsthaft mit dem Bus nach Hause fahren. Doch das war keine gute Idee.
Ich beschloss hier zu bleiben, einen langen Spaziergang zu machen und zu entscheiden, wie mein Leben laufen sollte.
Ich ging durch die Einkaufspassage und sah zwei Mädchen auf einer Bank sitzen.
Die eine kaute Kaugummi und die andere jammerte über ihren Nagel.

>>Na toll. Meine Nägel sind schon wieder rausgewachsen. Ich muss schon wieder zum Nagelstudio. Nochmal 30€. Ich hasse mein Leben! Ich will sterben! <<

Ts. Halt die Fresse. Du weißt doch gar nicht, wie es sich anfühlt sterben zu wollen...
Ich schluckte und verließ die Passage. Hier waren viel zu viele Menschen.
Ich ging in den Park und blieb auf der kleinen Brücke stehen. Ich schaute auf den gefrorenen kleinen Fluss und atmete die kalte Luft ein.
Ich wusste überhaupt nicht, was ich hier tat.
Egal wo ich war, ich fühlte mich fehl am Platz...
Im Eis konnte ich den grauen Himmel sehen, der langsam dämmerte.
Mein Blick wanderte über den Park.
Da sah ich den Zug, der bald in den Bahnhof einfahren würde.
Und ohne, dass ich nachdachte, ging ich los. Immer weiter, bis ich am Bahnhof war.
Ich schaute mich um, kein Mensch war hier.
Langsam trat ich hinter die weiße Linie und schaute runter auf die Schienen. Bis dahin waren es vielleicht gute 2 Meter.
Wenn ich springe, dann erwischt der Zug mich noch, bevor ich auf den Schienen aufkomme.
Die Vorstellung war friedlich und mir wurde warm.
Mein Herzschlag wurde ruhig als ich das Geräusch des einfahrenden Zuges hörte. Ich schaute nach oben.
Der Himmel sah aus, als würde ein warmes Feuer in ihm brennen.
In der Kombination sah das alles so schön aus, dass ich mich lange nicht mehr so frei gefühlt hatte.
Ich schloss die Augen.
Ich atmete ein letztes Mal tief ein und dann wieder aus.
Dann setzte ich meinen Fuß vor.

Ich war bereit. Ich ließ alles hinter mir.

Plötzlich wurde ich zurück gerissen und tiefe Wärme umgab mich.
Ich war nicht tot...

Please no promises - und alles wurde fakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt