Kapitel 108

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Nach der Begegnung mit dem Unbekannten war mir noch weniger danach, nach Hause zu gehen. Jetzt, wo die Angst weg war, wurde meine Sorge noch größer, als sie ohnehin schon war. Wie kam er an Justins Armband? Wo verdammt noch mal steckte Justin? Verzweifelt fuhr ich mir übers Gesicht, doch die Bilder wurden nicht weniger.

Er sollte mir egal sein, verdammt, ich sollte ihm die Hölle wünschen, doch ich konnte nicht. Ich wollte zu ihm, egal um welchen Preis. Ich hatte nichts zu verlieren; meine Würde war ohnehin schon verloren.

Doch es war falsch. Es war so falsch. Ich sollte nicht so denken, wie ich es tat. Ich sollte Justin hinter mir lassen.

Also widerstand ich dem Drang, zu seinem Haus zu fahren und zu gucken, ob er vielleicht einfach nur krank war. Ich redete mir ein, dass ich ihn dort wahrscheinlich sowieso nur mit einer anderen antreffen würde, doch der Gedanke ließ mich nur noch schlechter fühlen. Ich brauchte Ablenkung; ich musste Justin aus meinem Kopf vertreiben.

Die einzige Möglichkeit, die ich sah, genau dies zu tun, fand ich eine halbe Stunde Fußmarsch später, als ich vor Dereks Haus ankam. Mein Blick glitt über die Fassade und blieb an einem offenem Fenster rechts hängen, das mir zeigte, dass er Zuhause war. Erst in dem Moment, wo unsere Begegnung real wurde, konnte ich Justin endlich aus meinem Gehirn bannen. Genau wie gestern schaffte ich es, mich auf anderes zu konzentrieren.

Meine Beine trieben mich voran, bis ich an der Tür stand und mit zittrigen Händen klingelte. Es dauerte keine drei Sekunden, bis die Tür aufgerissen wurde und Derek mich mit riesigen Augen ansah. "Ally?, stellte er leicht verblüfft fest. Mit gerunzelter Stirn öffnete er erneut seinen Mund, doch kein Mucks verließ seine Lippen. Wir sahen uns einfach nur an. "Kann ich...vielleicht reinkommen?", fragte ich unsicher. Auf ein mal kam es mir lächerlich vor, dass ich hier war. Merkwürdig aufdringlich und zugleich dreist. Doch er war alles, an das zu binden ich gerade bereit schien.

"Sicher!" Hastig trat er einen Schritt zur Seite, um mich rein zu lassen. Ich lief an ihm vorbei Richtung Wohnzimmer, ohne darauf zu achten, ob er was dagegen hatte. Wenn er mich nun auch noch wegschicken würde, würde ich es womöglich nicht ertragen. Ich brauchte zumindest einen Mann, der mich wirklich zu mögen schien. Der mich nicht meinte wegwerfen zu können, ohne sich jemals wieder um mich zu scheren.

"Ist was passiert?" Besorgt griff Derek nach meiner Hand. Genau so, wie der Glatzkopf es getan hatte, nur in sanft. Bilder von Justin und diesem Typen erschienen vor meinen Augen, doch ich war hier um ihn zu vergessen. Also schloss ich meine Augen, bis ich mich wieder beruhigt hatte. "Nein, nichts. Ich...wollte einfach nicht alleine sein.", murmelte ich die halbe Wahrheit. Immer noch schien Derek einwenig verwirrt, doch er nickte einfach nur, wofür ich ihm mehr als dankbar war. "Dann freut es mich, dass du zu mir gekommen bist!" Mit einem sanften Lächeln ließ er meinen Arm los und legte mir seine Hand stattdessen auf den Rücken, um mich die Letzten Meter sanft zur Couch zu schieben. Die Geste war so beschützend, dass mir warm ums Herz wurde.

Ich ließ mich nach ihm auf der Couch nieder, Sodas mein Rücken schräg gegen seine Seite lehnte. Vielleicht war es nicht fair von mir, doch ich brauchte seine Nähe einfach. Ich brauchte das Gefühl von Geborgenheit mehr als jemals zuvor, seit Justin mein Vertrauen weggeschmissen hatte. Ich brauchte jemanden der mich wieder glauben ließ, dass Männer auch gut zu einem sein konnten.

"Es tut mir leid", murmelte ich, noch ehe Derek den Mund hätte öffnen können. Etwas verwirrt drehte dieser seinen Kopf so, dass er mir in die Augen sehen konnte. In den Seinen standen so viele unterdrückte Gefühle, Wie man sie sich nur vorstellen konnte. Doch das, was ich am klarsten wahrnahm, war die Wärme, die sie ausstrahlten. Eine Wärme, die mich zu umarmen schien und die mich zum ersten Mal, seit Alexa reinen Tisch gemacht hatte, wieder wohl fühlen ließ. "Dass ich es nicht vorher wusste. Du hattest recht, mit allem was du über Justin gesagt hast!" Nickend sah Derek in seinen Schoß, die Lippen zu einem Strich zusammengepresst. Ich hingegen blickte ihn weiter an und musterte ihn genau. Wie seine Haare ihm in seine Stirn fielen und wie dicht seine Wimpern waren. Alles an ihm schien so perfekt aufeinander abgestimmt.

"Der Wichser sollte mir lieber nicht noch mal über den Weg laufen!", spuckte er  aus. In seiner Stimme schwang solch eine ehrliche Wut mit, dass ich beinah Angst hatte, er könnte ausrasten. Vermutlich hatte ich in letzter Zeit einfach zu viel Gewalt gesehen, um mit noch mehr Zorn umgehen zu können. "Da kriegt er die Chance so eine Traumfrau zu kriegen und verkackt es!" Kopfschüttelnd beugte Derek seinen Oberkörper nach vorne, sodass er mit den Ellenbogen auf seinen Knien stützte.

Ich konnte nicht anders, als seine Worte zu Herzen zu nehmen. Für ihn war ich seine Traumfrau und ich war mir sicher, dass er dies nicht log. Er war vermutlich der einzige Kerl, der ehrlich zu mir war. Und er war zudem auch noch sympathisch und außerordentlich gutaussehend. Was außer Justin, hatte mich jemals davon abgehalten, diese große Chance zu nutzen. Nichts. Und Justin gab es nicht mehr.

Vorsichtig beugte ich mich ebenfalls nach vorne, sodass unsere Gesichter wieder auf einer Höhe waren. In Dereks Augen machte sich Erstaunen breit, als wüsste er genau, was ich vorhatte, doch da war noch was anderes. Etwas, von dem ich nicht mal mehr einordnen konnte, ob es positiv oder negativ war. Langsam hob ich meine Hand an, legte sie auf seiner Wange ab und wartete mit angehaltenem Atem seine Reaktion ab. Das einzige, was ich bekam, war ein Funkeln in seinen Augen. Ich nutzte die Situation und lehnte mich vor, ehe der Mut mich wieder verlassen konnte.

Derek hingegen, wich vor mir zurück. "Was tust du da?", fragte er mit zusammengekniffenen Augen. Ich war so geschockt von seinem Korb, dass ich zunächst gar nichts zu antworten wusste. Leicht verloren wich ich wieder zurück und faltete meine Hände in meinem Schoß. Ich hätte es nicht versuchen sollen; es war dumm gewesen. Doch ich sehnte mich so sehr danach, in irgendeiner Form von den Gedanken an Justin abgelenkt zu werden und das Gefühl zu erlangen, ich könnte wieder vertrauen, dass ich es doch irgendwie für richtig hielt. "Ich sage nicht, dass ich es nicht wollen würde", erklärte Derek, der zu sehen schien, wie unangenehm mir die Situation nun war. "Ich will bloß nicht, dass du es aus den falschen Gründen tust. Ich will nicht nur irgendeine Ablenkung sein!"
"Du bist alles andere als das Derek!", lachte ich gefälscht auf. In meinen Augen wollten sich schon wieder Tränen bilden, doch ich hielt sie so stark zurück, wie ich es nur irgendwie schaffte. "Du bist der größte Fehler meines Lebens. Weil ich dich damals schon in mein Leben hätte lassen sollen. Und das traurigste ist, dass ich das auch definitiv getan hätte. Weil du der wundervollste Mensch bist, den ich mir wünschen könnte. Wäre Justin nicht gewesen, dann..." Weiter kam ich nicht mehr. Als hätte er vollkommen vergessen, wieso er eben noch davor zurückgewichen ist, drückte Derek seine Lippen auf die meinen.

Changes~Open Up Our Hearts (Justin Bieber ff) (Abgeschlossen)Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon