Epilog

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„Morgen Sonnenschein", sprach ich, als ich den kleinen Raum betrat, in dem ich inzwischen täglich mehrere Stunden verbrachte. Ich wusste, dass es hoffnungslos war und dass ich es genauso gut lassen könnte, doch ich liebte sie und alleine deswegen konnte ich nicht aufgeben; ob sie meine Liebe nun niemals erwidern würde oder doch. „Ich habe dir dein Essen mitgebracht!" Lächelnd stellte ich das Tablett vor ihr ab, doch ihr Blick drehte sich immer noch nicht in meine Richtung. Sie saß wie jeden Tag an ihrem kleinen Tisch, der direkt vor das Fenster geschoben worden war. Die Ärzte meinten, es wäre friedlicher für sie, doch mir missfiel der Anblick der Gitter vor ihrem Fenster.Immer wieder musste ich mir in Erinnerung rufen, dass dies zu ihrem Besten war, doch es fiel schwer sie in diesem kleinen Raum eingesperrt zu sehen.

Mit einer schnellen Bewegung zog ich mir den zweiten Stuhl im Raum heran und nahm neben ihr Platz. „Ich soll dir schöne Grüße von Noah ausrichten, er hat einige Bilder aus Irland geschickt. Ich würde sie dir ja zeigen aber...du weißt, ich darf kein Handy mit hier rein nehmen." Entschuldigend lächelte ich ihr zu, doch sie sah mich immer noch nicht an. Manchmal war ich mir nicht mal mehr sicher, ob sie bemerkte, dass ich herkam, ob sie meine Stimme wahrnahm oder ob sie bloß noch in ihren Gedanken lebte.

Laut den Ärzten waren ich und Zayn ihre einzigen Besucher. Noah war entschuldigt, er war nicht im Land, doch Niall, Louis und Josh; ja sogar Lilly,  waren einfach zu feige, sich dies anzutun. Sie wusste nicht mit ihr umzugehen und drückten sich davor. Ich konnte sie verstehen, doch ich war dennoch wütend auf sie. 

Allys Haare hatten ihre Glanz verloren. Verstrubbelt und spröde lagen sie über ihren Schulter verteilt und schrieen gerade zu danach, endlich mal wieder gebürstet zu werden. Nur leider kümmerte sich darum an diesem Ort niemand. „Ich bin hier an der Universität angenommen worden", erzählte ich. Dass ich an weitaus besseren Unis hätte studieren können, als diese vor Ort, ließ ich aus. Ich würde nicht freiwillig von hier wegziehen. Niemals. Nicht, solange sie so war, wie sie sich verhielt.

Mit der Zeit verlor ich mich in meinen Erzählungen, sprach über alles mögliche und versuchte ihre Eltern möglichst wenig zu erwähnen. Ihre Eltern verboten Adrian, sie zu besuchen. Sie wollten nicht, dass so etwas unperfektes wie Allys zustand Auswirkungen auf ihn haben würde. Ein rebellierendes Kind hatte ihnen wohl gereicht; ein zweites wollten sie gar nicht erst riskieren.

Nicht ein einziges Mal bekam ich eine Reaktion von Ally. Sie starrte schlichtweg auf diesen einen Punkt, der sich irgendwo auf dem Gitter ihres Fensters befinden musste. Es trieb mir die Tränen in die Augen, sie so zu sehen. Ich vermisste ihr Lachen und wie strahlend ihre Augen geleuchtet hatten. Ich vermisste, wie ihre Stimme den Raum erhellte, was auch immer sie sagte. Ich vermisste alles an ihr.

Gute drei Stunden verbrachte ich bei ihr, bis ein Mann im weißen Anzug an die Tür trat und mich ermahnte, dass meine Zeit um sei. Ich nickte ihm knapp zu und wandte mich dann ein letztes Mal Ally zu, deren Gesicht immer noch reglos wirkte. „Ich komme morgen wieder; versprochen!", murmelte ich mit gebrochener Stimme. Seit Wochen ging dies nun schon so, doch ihr Zustand verbesserte sich einfach nicht. Sie war ein psychisches Wrack; ob ich es mir nun eingestehen wollte oder nicht. Nur aufgeben; das würde ich sie niemals.

Mit brennender Kehle erhob ich mich und lief auf die Tür zu; ich schaffte es nicht mal mehr eine Verabschiedung zu murmeln. Jedes Wort brachte mich näher an die Tränen, die ich zurückhielt. Als meine Hand die Klinke der Tür ergriff, um aus dem kleinen Spalt, der immer offen stehen musste, einen größeren zu machen, durch den ich passen würde, ertönte ein sanftes Flüstern hinter mir, dass mich mehr erschreckte, als ich zugeben wollte:"Danke, Derek" Für einen Moment bildete ich mir ein, mich verhört zu haben. Dass der Wunsch, ihre Stimme zu hören, so groß war, dass ich es mir schon einbildete, doch es war real gewesen. Als ich mich zu ihr umdrehte sah sie zwar immer noch nicht von dem Punkt weg, auf den sie sich fixiert hatte, doch ihre Lippen waren anders, als noch wenige Sekunde zu vor. Statt geschlossen, waren sie einen Spalt weit offen.

Hoffnung überkam mich. Hoffnung, weil sie was gesagt hatte. Hoffnung, weil sie mich erkannte. Hoffnung, sie könnte eines Tages wieder gesund werden und mit mir nach Hause kommen. Ich war bereit zu warten, wie lange es auch dauern würde.

In diesem Moment fühlte ich wieder, was es hieß, Glück zu verspüren. Wir befanden uns auf dem richtigen Weg zur Besserung.

Mein Weg nach Draußen führte mich vorbei an dem Zimmer der Pfleger. Thomas Spraus stand an den Rahmen der Tür gelehnt und blickte mir entgegen. Auf seinen Lippen lag ein trauriges Lächeln. „Immer noch keine Veränderung?", fragte er, so wie er es jeden Tag tat, doch heute konnte ich endlich den Kopf schütteln. „Sie hat etwas gesagt", erzählte ich und konnte nicht verhindern, wie aufgeregt meine Stimme klang. Erstaunen legte sich in seine Augen und ein zufriedenes Lächeln umschmiedet seine Lippen. „Geben Sie sie nicht auf!", wieß er mich an. „Sie tun ihr gut; auch wenn sie es noch nicht sehen können. Was sie ihr ganzes Leben lang hat durchmachen müssen, hat seine Spuren hinterlassen, doch es ist möglich, dies zu überwinden!"

Mein Blick glitt zurück in den Flur dieser Einrichtung. Unzählige Türen von psychisch kranken Patienten erstreckten sich in diesem Raum. Früher hielt ich Psychiatrien immer für gruselig doch heute erfüllten sie mich mit Trauer. „Schon seit ihrer Kindheit haben ihre Eltern sämtliche natürliche Veranlagerungen von ihr unterdrückt. Es ist ein Wunder, dass sie überhaupt solange normal blieb. Die Psyche einen Menschen ist nicht dazu gemacht, ihre unterbewussten Neigungen zu unterdrücken." Am liebsten hätte ich ihn gezwungen, mit dem Reden aufzuhören. Viel zu oft hatte ich mir all dies schon anhören müssen; ich ertrug es nicht mehr. Es erfüllte mich mit Schuld, sie damals nicht davon abgehalten zu haben, wieder bei ihren Eltern einzuziehen, doch im Endeffekt hätte dies kaum etwas geändert. Ihre Eltern waren es nicht gewesen, die ihr den erst gegeben hatten.

„Dann der Tod ihres kleinen Bruder und die erneute Unterdrückung ihrer Gefühle, weil sie nicht trauern durfte. Dass sie sich damals so schnell an Justin Bieber band, scheint mir kein Wunder. Sie war auf seine Unterstützung und Liebe angewiesen. Ohne es zu wissen, hat er in ihrem Unterbewusstsein Dinge geheilt, von denen nicht mal mehr sie wusste, dass sie geschädigt waren. Doch als auch er sie enttäuschte, riss alles wieder auf. Sie ist in ihrem Vertrauen geschädigt worden, selbst wenn es ihr eines Tages besser gehen sollte!" Ich wusste, wieso er mir dies erzählte; er wollte nicht, dass ich mir Hoffnungen machte, wir könnten eines Tages ein normales Leben führen. Doch ich konnte mir diese Hoffnung nicht nehmen lassen. Ich hing an ihr mehr als an allem anderen. Sie war meine einzige Motivation, jeden Tag weiterzuleben; dass ich hoffen konnte, wir würden eines Tages gemeinsam sein.

„Justins Tod war ein schwerer Schlag für sie. Vielleicht hätte sie es schneller verdaut, wenn all die psychischen Schäden, die sie vorher schon hatte, nicht wären, doch selbst dann wäre es ein Erlebnis, dass sie auf ewig geprägt hätte." „Aber sie wäre nicht hier sondern mit mir zuhause!", unterbrach ich ihn wütend. Er konnte nichts dafür, das wusste ich, und ich sollte meine Wut nicht an ihm auslassen, doch ich konnte nichts anders. Ich war wütend darüber, dass dies passiert war. Ich war wütend, dass Justinauf öffentlichem Gelände hatte so leicht getötet werden können. Und ich war wütend, dass die Polizei immer noch keine Ahnung hatte, wo sich James Vater aufhielt. Der Mann war schlau gewesen, Justin zu töten. Es hatte ihm einen Vorsprung verschafft, den niemand einzuholen wusste. Außer Justin hatte keiner eine Ahnung, wo er sich aufhalten konnte, und Justin würde still bleiben, bis alle Beteiligten ebenfalls bei ihm unter der Erde lagen.

„Ich werde solange herkommen, bis es ihr besser geht. Reden sie mir nicht ein, das sei zwecklos!", erwiderte ich schließlich. Wütend sah ich dem Psychologen direkt in die Augen, doch sein Blick blieb verständnisvoll, statt ebenfalls wütend zu werden. „Wie bereits gesagt; genau das ist es, was ich mir von Ihnen erhoffe. Ich habe noch nie einen Patienten aufgegeben und das werde ich auch nicht mit ihr beginnen!"

Changes~Open Up Our Hearts (Justin Bieber ff) (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt