Kapitel 109

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Über eine Woche war es her, dass Derek mich geküsst hatte. Seitdem trafen wir uns fast täglich, beließen es aber bei insgesamt recht wenigen Küssen. Keiner von uns wollte einen nächsten Schritt einleiten, wir wussten beide, dass ich dazu noch nicht bereit war, doch seine Nähe tat mir gut. Sie ließ mich besser fühlen und beruhigte mich. Meiner Mutter erzählte ich, ich sei bei Noah. Sie hatte keine Ahnung von Derek und ich wollte es auch dabei belassen. Niemand sollte davon wissen; ich hatte genug von solch offenen Beziehungen, dass jeder dich mit Augen verfolgt. Nach Justin wollte ich einfach nur was ruhiges; etwas, das einen Namen gar nicht benötigte. Wir nannten es nicht Beziehung; wir waren bloß Freunde, die sich lieber hatten als gewöhnliche Freunde. Und ich war dankbar, für jede Minute, die ich mit ihm verbringen konnte. Denn es waren die Minuten, in denen ich Justin vergaß.

Justin. Er war immer noch nicht in der Schule aufgetaucht. Seit unserer recht unschönen Trennung hatte niemand ihn mehr gesehen. Irgendwann während der Planung mit Zayn hatte ich mir ein Herz gefasst und den Schwarzhaarigen gefragt, wieso Justin nicht mehr kam, doch Zayn murmelte bloß, der habe keine Lust mehr und würde Schule schmeißen. Mein erster Instinkt war es, um ihn zu Trauern, doch ich überging das Gefühl indem ich mir einredete, wie armselig Justin doch war. Und wie viel besser erzogen und disziplinierter Derek war.

Inzwischen war der große Tag des Balles. Der Tag, auf den alle so dringend zu warten schien. Ich jedoch hatte überhaupt keine Lust darauf. "Wir müssen nicht hingehen, wenn du nicht willst!", murmelte Derek mir sanft zu. Wie so oft hatte er meine Gedanken perfekt analysiert. "Doch, müssen wir. Ich bin schon froh, wenn ich nicht alleine dort auflaufe!", erwiderte ich ehrlich. Es war ein Gefallen, den Derek mir tat. Etwas, dass man nicht hätte erwarten können. Immerhin würde auch er sich einigen Menschen stellen müssen, die uns mit ihren Blicken verfolgten. Ich sah schon das Getuschel vor mir: "Wieso will der noch was von ihr, sie ist voll billig." "Noch ein Kerl den sie niemals verdient hat! Hoffentlich ist er genau so beschissen zu ihr wie Justin!"

Seufzend schüttelte ich meinen Kopf, um die Stimmen wieder los zu werden. Es sollte mir egal sein, was sie alle sagen, doch niemand kann behaupten, dass es ihm in solch einer verletzlichen Situation egal sei. "Na gut. Aber wir gehen, wann auch immer du willst!" Derek lächelte mir zu und ergriff über den Tisch hinweg meine Hand, um sie mit der seinen zu umschließen. Wie waren in einer kleinen Bäckerei an der Stadtgrenze und frühstückten hier, da Derek Zuhause einfach nichts mehr zu besitzen schien.

Ich wollte ihm gerade mit einem Lächeln danken, als die Tür zum Eingang der Bäckerei sich öffnete und niemand geringeres als Justin eintrat. Für einen Moment vergaß ich vollkommen zu atmen. Sämtliche Luft schien aus meinen Lungen gepresst zu werden, doch es war mir egal. Ich starrte bloß zu dem Blonden hinüber, der leicht humpelnd zum Tresen lief. In diesem Moment überkamen mich so viele Gefühle; Erleichterung und Dankbarkeit, doch auch Hass. Und am allermeisten Liebe. In dem Moment, wo ich ihn wiedersehen konnte, wurde mir klar, dass sich überhaupt nichts verändert hatte in der letzten Woche. Ich liebte ihn nach wie vor.

Als würde er meinen Blick auf sich bemerken drehte Justin seinen Kopf in unsere Richtung; offensichtlich unwissend, wen er dort sehen würde. Doch ich war viel zu geschockt von dem Anblick seines Gesichtes, als dass mich seine unzufriedene Miene verletzen könnte. Ein Bluterguss, so groß wie ein Tennisball, umrahmte sein Rechtes Auge. Er war mindestens ein paar Tage alt, sonst wäre er nicht so tief lila, doch es sah schmerzhaft aus. Auch an seiner Lippe war eine Wunde, die unweigerlich von einem Fausthieb kam und ich konnte an der Art wie er stand erkennen, das auch der Rest seines Körpers verletzt war.

Wäre Derek nicht gewesen, wäre ich womöglich aufgesprungen und hätte ihn umarmt. Doch Derek hielt mich zurück und das war auch besser so; ich durfte Justin nicht einfach so verzeihen, was er getan hatte. Mal abgesehen davon, dass sein Blick nicht gerade so aussah, als würde er mich zurückhaben wollen. Im Gegenteil; er blickte mich an, als sei ich sein Feind. Voller Ekel und Hass. Dieser Blick verletzte mich beinah so sehr, wie die Worte von Alexa, an dem Tag, an dem alles endete.

"Ist er das?", fragte Derek, der meinem Blick gefolgt war. So konnte er zumindest nicht sehen, was sich gerade für Emotionen in mir abspielten; das wäre nicht fair gewesen. "Ja!", antwortete ich knapp. Justin hatte seinen Blick inzwischen auf Derek gelegt und musterte ihn für einen Moment voller Abscheu. Reine Verachtung spiegelte sich in seinem Gesicht wider, doch er schien dennoch zu große Angst vor Dereks breiter Statur zu haben, als dass er den Blick zu lange auf ihn gelegt hätte. Stattdessen nahm er seine Brötchen und verschwand so schnell wieder, wie er gekommen war. Ohne ein Wort oder ein Lächeln. Ohne irgendwas, das mir Frieden gegeben hätte. Er ließ mich einfach so zurück, als sei nichts dabei gewesen. Als hätte es ihm nichts bedeutet, mich wiederzusehen. Ich hingegen war immer noch wie versteinert. Weil ich nicht wusste, wieso er so aussah, wie er aussah, und die Sorge um ihn größer war als der Schmerz über seine Abweisung.

"Fucking Bastard!", spuckte Derek wütend aus. Vermutlich sollte ich ihm zustimmen, doch ich konnte nicht. Justin war alles für mich, ob ich es mir nun eingestehen wollte oder nicht. Ob das nun gut so war oder nicht. Ich würde ihn immer lieben. Ohne wenn und aber.

Changes~Open Up Our Hearts (Justin Bieber ff) (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt