Kapitel 46

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Kapitel 46:
Am Ende dieses Schultages fand ich mich selbst am Tor stehend wieder, während mein Blick die Menschenmenge nach einem schmalen Jungen absuchte, dem gegenüber ich mich so schlecht fühlte. Louis war der letzte, der aus dem Gebäude trat und mit gesenktem Kopf über den Asphalt lief. Augenblicklich richtete ich mich selbst aufrechter hin und versuchte seine Aufmerksamkeit zu ergattern, doch er sah nicht ein einziges Mal nach oben. "Hey", schrie ich ihm schon einige Meter vorher entgegen, da ich Angst hatte, er würde sonst an mir vorbeigehen. Etwas perplex blickte Louis mich an und drehte sich sogar um die eigene Achse, als wolle er sicher gehen, dass ich wirklich ihn meinte. "Ich warte auf dich du Idiot", lachte ich ihm mit einem breiten Lächeln entgegen. Louis schenkte mir jedoch nur ein gezwungenes, was alles andere als Glück ausdrückte. "Ich dachte wir könnten vielleicht Zu Starbucks oder so? Wir haben und heute noch gar nicht gesehen" "Ja, klar wieso nicht" Louis' Stimme klang nicht halb so begeistert, wie ich es mir gewünscht hätte, doch er lehnt immerhin nicht ab.

Einige Minuten leiden wir schweigend nebeneinander her, während wir die westliche Seite der Stadt hinter und ließen und immer näher an die Innenstadt kamen. "Ich hab dich heute mit Niall und Josh gesehen", unterbrach Louis schließlich die Stille. Augenblicklich drang das schlechte Gewissen wieder in mir hoch, doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. "Woher kennst du sie eigentlich?" "Sie sind in einigen meiner Kurse und mit Abstand die normalsten, die ich bisher finden konnte. Du würdest sie mögen!", entgegnete ich vorsichtig darauf bedacht, ihn mit meinen Worten nicht zu verletzen. Louis war heute so einsam gewesen, dass ich es nicht ertrug, ihn anzusehen. Ich wollte, dass er sich traute und mehr integrierte, doch er war der wohl selbstkritischste Mensch, der mir jemals untergekommen war. Viel selbstkritischer noch als ich selbst.

"Wie lange hast du heute Zeit?", wechselte Louis ungefähr so geschickt wie ich es nur von mir selbst kannte, das Thema. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits halb vier war. Vermutlich sollte ich meine Mum nicht all zu lange warten lassen, sonst würde sie mein Hausarrest nur noch verlängern. "Ne knappe Stunde, höchsten, ich wollte dich einfach sehen." Lächelnd hackte ich mich unter seinen Arm ein und lehnte mich leicht gegen ihn, in der Hoffnung, das würde die Stimmung etwas heben. Sein Blick viel sofort auf die Stelle, an der unsere Armee sich berührten und sowas wie Erleichterung machte sich in seinen Augen breit. Erleichterung, dass er nicht wieder alleine war. "Dann wollen wir uns beeilen!" Grinsend zerrte er mich vorran und legte die letzten zweihundert Meter im Sprint vorran, wobei er doch einige Schritte vor mir blieb.

Als wir schließlich vor dem kleinen Kaffee zum Stehen kamen, war ich bereits einwenig außer Atem. "Kondition liegt dir nicht so, was?", lachte Louis mich offensichtlich aus. In jedem andern Moment hätte ich ihm erklärt, dass dies nicht stimmte und ich nur eine zu schwere Tasche umständlich mit mir trug, doch irgendwie fühlte ich mich nicht so überzeigend. "Lass uns einfach reingehen" Mit hoch erhobenem Kopfging ich ihm vorran ins Innere, welches mich sofort mit einer angenehmen Klimaanlage empfing.

Nachdem wir unsere Bestellungen aufgenommen hatten, ließen wir uns mit unseren schokoladigen Getränken auf einen Platz direkt am Fenster fallen, von dem aus wir die vorbeifahrenden Autos beobachten konnten. "Ich hab dich heute auch mit Justin gesehen", murmelte Louis leicht verlegen, nachdem wir einige Sekunde still getrunken hatten. "Das Date verlief wohl ganz gut?" Ich zögerte ihm eine Antwort zu geben und blickte stattdessen auf die Karamelsoße, die sich zwischen dem schokoladigen Eiskaffe durchschlängelte. Vermutlich sollte ich so was überhaupt nicht trinken, nicht jetzt, wo ich endlich jemanden gefunden hatte, der mich begehrenswert zu finden schien. 'Ich will dich', hatte er gesagt. Noch nie zuvor hatte überhaupt irgendjemand mich als hübsch beschrieben. Justin hingegen sah mich bereits in meiner Unterwäsche und war immer noch der Meinung dass ich gut aussah. Dieses Gefühl wollte ich nicht wieder verlieren, also sollte ich mir eine solche Kalorienbombe gar nicht erst reinziehen, doch es schmeckte einfach viel zu gut um zu widerstehen und einen normalen Kaffee zu nehmen.

"Erde an Ally!" Pfeifend wedelte Louis vor meinen Augen umher und versuchte wieder an meine Aufmerksamkeit zu kommen. Ich hatte ganz vergessen, ihm zu antworten. Wieso hatte er mich auch an Justin erinnern müssen? Da vergaß ich endlich mal immerzu an Justin zu denken, und er erinnerte mich wieder an ihn. "Ja, es war...nett. Er war nett.", flüsterte ich den letzten Teil und musste mich selbst davon abhalten, ins schwärmen zu geraten. Louis würde das bestimmt nicht gefallen, nicht solange es Justin war, mit dem ich mich traf, doch Justin war so ein vollkommener Mensch, wenn man ihm die Chance gab es einem zu zeigen.

"Justin und nett?" Ungläubig rümpfte Louis seine Nase und erst jetzt fiel mir wieder ein, wieso er eine solche Abneigung gegen den Schönling hatte. Jutin war es, der Louis das Leben zur Hölle machte; er war es, weswegen Louis so eine unsichere Person war.

"Du hast mich damals nicht angelogen, oder?", flüsterte ich beinah schon ängstlich. Ich begann allmählich mich auf Justin und seine verkorkste Art sich selbst darzustellen einzulassen, doch ich würde nicht damit klarkommen, wenn ich einen Rückstoß verpasst bekommen würde. "Er und Zayn, sie haben dich nicht geschlagen!" Mit einer Hand deutete ich auf die immer noch heilende Wunde auf seiner Schläfe, die nur noch blass zu sehen war. Sie reichte aus, um mir eine Gänsehaut einzujagen. "Nein, das war...wer anders!" Louis' Stimme klang entschlossen, doch ein wenig zu hektisch. Ich verspürte das Bedürfnis ihn zu beschützen, wie auch immer ich die Möglichkeit dazu fand. "Wer? Louis, wer tut dir so etwas an? Dein Dad?" "Was? Oh mein Gott nein! Mein Dad...meine Eltern sind liebevolle Menschen die würden niemals Hand an mich oder meine Geschwister legen!" Erleichtert atmete ich aus und dank gleichzeitig einwenig in eine angenehmere Haltung. Bis zu dem Moment, wo die Anspannung von mir glitt, war mir gar nicht bewusst gewesen, wie sehr mich dieser Gedanke belastet hatte.

"Wer ist es dann? Bitte Lou, ich muss es einfach wissen", hackte ich schließlich nach, den Blick weiterhin in seine ständig wechselnden Augen gerichtet. Sie schienen sich einfach dem anzupassen, was er gerade trug. War es etwas blaues, so strahlten sie blauer als der Himmel, war es grün, wurden sie zur schönsten Sommerwiese. "Du...würdest mich für verrückt erklären"; widersprach er ohne mich auch nur anzusehen. Sofort runzelte sich meine Stirn und ich konnte nicht anders, als mich besorgt nach vorne zu lehnen. "Niemals!", versicherte ich und dies meinte ich auch so. Nichts würde mich dazu bringen, einen anderen Menschen auf irgendeine Weise zu verurteilen. Denn egal was ein Mensch hatte, er war wundervoll auf seine eigene Weise, so wie Leo wundervoll gewesen war und es mit Sicherheit noch immer ist.

"Ich...war es selbst", gab Louis schließlich zu. Seine Stimme war so leise, dass ich mir für einen Moment sicher war, mich verhört zu haben, doch dann sah ich die Tränen in seinen Augen, ehe er sich abwandte, und wusste, dass es sein ernst war. "Ich verlange nicht, dass du das verstehst aber...es tut gut, weißt du? Sich selbst für alles zu bestrafen und solange einzuschlagen, bis der Schmerz den Rest übertönt oder man zumindest überhaupt etwas empfindet." Eine weitere Träne entglitt seinen Liedern und bahnte sich einen Weg über seine Wange, ehe sie gen Boden fiel. In diesem Moment empfand ich mehr Mitleid für ihn, als ich jemals in Worte fassen könnte. "Lou", brachte ich als einziges heraus, ehe meine Stimme wieder abbrach. Ohne Umschweife stand ich auf und setzte mich stattdessen direkt neben ihn auf die Bank, sodass ich meinen Kopf auf seine Schulter legen konnte.

Und so saßen wir da, den jeweils anderem beistehend. "Wieso?", war alles, was ich herausbekam, doch auch darauf bekam ich nur ein Kopfschütteln von dem schmalen Jungen. "Das kann man nicht beschreiben. Dieses Gefühl muss man erleben. traurig glitt mein Blick über seine Arme und blieb bei den Enden seines überdimensionalen Pullovers hängen. Erst jetzt wurde mir bewusst, wieso er solche übergroßen trug, die seine Arme bedeckten, obwohl Hochsommer herrschte. Der Gedanke, dass er sich selbst auf so viele Weise schaden zufügte, schmerzte, als wären es meine aufgeritzten Arme. Den Gedanken, dass er vielleicht nicht auf natürliche Weise so dünn war, ließ ich gar nicht erst zu. Er trank einen Schokoladen-Milchshake und würde diesen bestimmt nicht wieder hoch würgen.

Da ich wusste, dass keine Worte diese Situation ausdrücken könnte, griff ich stattdessen nach seiner Hand und verschränkte unsere Finger, in der Hoffnung, ihm wenigstens so ein wenig Halt geben zu können.

Changes~Open Up Our Hearts (Justin Bieber ff) (Abgeschlossen)Where stories live. Discover now