Kapitel 39

884 49 1
                                    

Kapitel 39:
Einige Minuten später hielt Justin mit einem etwa Dreihundertmeterabtand vor meinem Haus und wandte sich zum ersten Mal seit dem Kuss richtig zu mir hin. Seine Augen funkelten in dem wenigen Licht, welches von einer Straßenlaterne neben uns kam und erwarben somit einen goldenen Schimmer, der sie nur noch schöner wirken ließ. Alles an ihm war so wunderschön, dass ich meine Augen kaum von ihm wenden konnte. Er war einfach nur unbeschreiblich.

"Ich denke du solltest deine Mutter nicht länger warten lassen", murmelte er, die Stimme zu einem Flüstern gesenkt. Es überraschte mich, dass er so viel Verständnis für die Regeln meiner Mutter hatte; eigentlich hatte ich erwartet, dass er sich über sie lustig machen würde.

Immer noch lag seine Hand auf meinem Bein und fuhr leichte Linien, die mich erschaudern ließen. Es war das erste Mal, dass ein Junge überhaupt versuchte mich zu berühren; das erste Mal, dass ich mich begehrenswert fühlte, doch gleichzeitig hatte er mich die ganze Fahrt über ignoriert. Das alles wirkte so unwirklich für mich. "Ja", stimmte ich ihm schnell zu. Ohne weitere Worte beugte Justin sich vor und senkte seinen Blick leicht herab, bis er auf meine Lippen traf. Ich wusste genau, was er wieder versuchen würde und auch wenn die Sehnsucht nach dem Gefühl mich durchdrang und zwingen wollte, dem nachzugeben, drehte ich ihm im letzten Moment meine Wange hin.

"Wir...sehen uns morgen", murmelte ich etwas zu schnell und machte mich mit einer nicht minderen Geschwindigkeit aus dem Auto raus, Justins verblüfften Blick ignorierend, der sich unweigerlich in meinen Rücken bohrte.

Es war vermutlich das erste Mal gewesen, dass ein Mädchen ihn gekerbt hatte. Jemand wie er konnte jede rumkriegen, das wusste ich, doch ich wollte nicht einfach die nächste sein. Er konnte mich nicht die ganze Fahrt ignorieren und dann küssen, so ließ ich nicht mit mir spielen.

Nicht ein Mal drehte ich mich zu ihm um, während ich zur Haustür hochlief, und das, obwohl ich genau wusste, dass ich sein Auto noch nicht hatte wegfahren hören. Er war noch immer da und blickte mir nach, vermutlich nicht minder verwirrt als ich selbst mich fühlte.

"Bin wieder da", rief ich ins Innere des Hauses, kaum dass die Tür sich geschlossen hatte. Ich wusste genau, dass meine Mum wachgeblieben war, bis ich heimkam. Das tat sie immer, doch nicht etwas aus Sorge; sie behielt nur einfach gerne die Kontrolle. "Wurde auch Zeit!" Ihr wütendes Gesicht tauchte im Flur zur Küche auf und musterte mich abschätzend von Kopf bis Fuß. Erst jetzt, wo ihr Blick auf mein Outfit fiel, wurde mir bewusst, dass Justin gar nichts zu dem neuen Style gesagt hatte. Es war ihm wohl nicht mal mehr aufgefallen, dass ich mich ihm zu liebe aufreizender hatte kleiden wollen.

Meiner Mum hingegen fiel dies sofort auf. "So warst du draußen?", fragte sie ungläubig. "Du siehst aus wie eine Prostituierte!" Voller Entsetzen packte sie sich selbst ans Herz und kniff ein wenig zu stark in die eigene Haut, wodurch leicht weiße Striemen auf dem marklosen Braun entstanden. "Ich war doch nur bei einem Freund", murmelte ich müde. Ich wollte ins Bett und schlafen; alles vergessen, was der heutige Tag mit sich gebracht hatte, doch so wie es aussah, würde man mir diesen Gefallen nicht all zu schnell machen. "Lass das ja nicht deinen Vater sehen Fräulein. Das ist ja peinlich, peinlich ist so was. Ach du liebes Bisschen, wo hast du diesen Tshirt überhaupt her?" Mit einem angewidertem Blick trat sie ein paar Schritte zurück und musterte mich erneut mit geschürzten Lippen. Ich konnte geradezu sehen, wie es ihr in den Händen zitterte, mir ihre Strickjacke überzuziehen. "Hattest du vor diesen Jungen zu verführen?", presste sie durch ihre makellosen Zähne hervor. Ihre Stimme begann sich ein wenig zu heben, als würde sie mich nur zu gerne anschreien und bräuchte ihre gesamte Selbstbeherrschung dies nicht zu tun, doch auch dies war nichts neues mehr für mich und ich würde es mir nicht gefallen lassen. Nicht mehr und nie wieder. Und ob ich es nun zugeben wollte oder nicht, ich wusste, dass Justin es war, der in mir die Seite hervorrief. Diese Seite, die bereit war-genau wie er selbst es tat-zu rebellieren.

"Nein Mum, ich wollte mich einfach nur wie ein normaler Teenager verhalten und ausgehen, Spaß haben. Nur weil ich mich mit Freunden treffe und nicht kleiden will, als würde ich aus einem Gerichtssaal kommen, bin ich keine Schlampe oder spreize für irgendwen die Beine. Ich habe dennoch meine Werte!" Nun war ich es, die immer lauter wurde und ihre Stimme gegen Ende kaum mehr unter Kontrolle hielt. Mein gesamter Körper zitterte vor Wut und jahrelang zurückgedrängter Verzweiflung, die sich an die Oberfläche drängen wollte. Für einen Moment sah meine Mutter mich einfach nur fassungslos an, als wolle sie nicht begreifen, was ich da sagte und wie ich ihre Sitten niedermachte, doch dann verengten sich ihre Augen zu gefährlichen Schlitzen, die mir mehr Angst machten, als ich es jemals zuvor gespürt habe. "Wo warst du heute Abend, Allison?", zischte sie, leise wie eine Gazelle und doch gefährlich wie ein Löwe. Es war genau der Moment, in dem ich begriff, dass ich mich selbst verraten hatte, und dass mein Vater sich am Treppenabsatz sehen ließ, machte die Situation auch nicht einfacher.

"Mit..ein paar Freunden weg", gab ich kleinlaut zu, als beide mich mit einem ernstem Blick dazu drängten, zu antworten. Ich wusste selbst nicht, wieso ich nicht einfach zugab, dass es ein Junge war. Das schlimmste, was passieren konnte, wäre, dass Justin niemals hier auftauchen könnte und dies war so oder so schon der Fall, doch ich wollte ihn dennoch aus dem Spiel lassen. Es kam mir beinah so vor, als würde ich ihn vor meinen Eltern beschützen wollen. "Allison wir schicken dich nicht ohne Grund auf diese Schule. Wir wollen dass du dort anstand und Benehmen lernst, wie wir es dir auch hier Zuhause zeigen. Sich mit den einzigen Kids abzugeben, die nicht unter Kontrolle gebracht wurden und mitten in der Woche ausgehen, steht nicht zur Wahl, hast du uns verstanden?", mischte auch mein Vater sich ein. Beinah hätte ich über seine Worte gelacht, so wenig kannte er die Schüler meiner Schule wirklich; er hatte keine Ahnung, dass ich die einzige war, die tatsächlich solch ein langweiliges Leben führte. "Es war niemand von der Schule, ich kenne sie von früher...Von meiner alten Schule!" Ich war selbst davon erstaunt, wie leichtfältig diese Lüge meine Lippen verließ. Als wäre es etwas, was ich schon immer getan habe, sah ich meinen Eltern direkt in die Augen und verzog nicht eine Miene, bis sie es schließlich zu glauben schienen.

"Dann beweist doch nur, dass es richtig war, dich von dieser....Schule zu holen!", predigte meine Mum ihre eigene Tat. Voller Stolz stellte sie sich selbst einwenig aufrechter hin und setzte erneut diese Überhebliche Maske auf, die sie auch den Obdachlosen zuwarf, wenn sie sie nach Geld baten. "Du wirst zu niemanden von ihnen je wieder Kontakt aufnehmen, hast du mich verstanden? Sie alle sind kein Umgang für eine Johnson und du wirst dies nicht ändern!" Gehörig nickte ich und ließ meinen Blick etwas zu Boden fallen um zu verbergen, wie sehr mich dies traf. Nicht etwa, weil sie mir den Kontakt zu meinen alten Freunden verbat, sie hatten sich sowieso nie wieder bei mir gemeldet, doch ihre Worte waren so klar formuliert. Sie sagte mir direkt ins Gesicht, dass es ihr mehr darum ging, unseren Namen rein zu halten, als dass ich glücklich war. Eine Tatsache, die mir bewusst gewesen war, die ich jedoch noch nie hatte hören müssen.

"Dennoch, du hast uns angelogen. Deine Eltern, die wir alles für dich tun." Hätte ich meine Mutter nicht so gut gekannt, hätte ich die Traurigkeit in ihrer Stimme wohl auf emotionale Enttäuschung geschoben, doch ich wusste es besser und das machte es mir so schwer, vor ihr stehen zu bleiben. "Du bekommst Hausarrest. Eine Woche, bis dann bist du hoffentlich wieder unter Kontrolle. So etwas wie heute Abend, möchte ich niemals wieder erleben, haben wir uns verstanden?" Ungläubig blickte ich zu ihr auf, wollte meinen Mund schon öffnen um ihr zu widersprechen, gesinnte mich jedoch rechtezeitig noch eines besseren. Denn ich wusste, ihr zu widersprechen, würde alles nur noch schlimmer machen. Also nickte ich einfach nur, während ein weiterer Teil in meinem Inneren starb.

Changes~Open Up Our Hearts (Justin Bieber ff) (Abgeschlossen)Where stories live. Discover now