Kapitel 8

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Kapitel 8:
Zu meinem Glück endete der Unterricht mit dem Klingeln genau dann, als Jess sich erheben wollte um ebenfalls zu singen. Zwar war ich mir bewusst, dass dies nicht hieß, dass ich um das Singen herumkam, doch ich hatte wenigstens noch Zeit, mich psychisch darauf vorzubereiten.

Wie alle anderen packte auch ich meine Sachen zusammen und verließ mit einem höflichen Aufwiedersehen an Mr Rose den Klassenraum. Mir würden für heute nur noch Englisch und Religion bevorstehen, womit der Tag meiner Meinung nach ziemlich umsonst ausfiel. Mag sein, dass viele sich mit Englisch schwer taten, doch ich war mit der Sprache aufgewachsen. In dem genauen Wissen, wie wichtig Englisch sich im Leben machte und welche Möglichkeiten es einem bot, diese Sprache flüssig zu sprechen, hatten meine Eltern von Anfang an zweisprachig mit mir gesprochen. Eine der wenigen Sachen, für die ich ihnen tatsächlich dankbar war.

Dementsprechend langsam und langweilig verging jedoch auch die Unterrichtsstunde, in der ich zum Glück alleine saß und weder Justin noch Zayn oder jemand anderen aus dieser kleinen Gruppe zu Gesicht bekam. Auch In Religion hatte ich meine Ruhe. Nur Liam saß hier in der hintersten Reihe und meldete sich zu meiner großen Überraschung mit am meisten. Wir hatten zusammen den Raum betreten, wobei er mir sogar ein kleines, aufmunterndes Lächeln schenkte. Mein erster Eindruck von ihm, er sei einer der netteren hier auf der Schule, hatte sich somit schnell bestätigt.

Als ich schließlich das Schulgebäude verließ und ein letztes Mal tief durchatmete, konnte ich nicht anders, als den Tag Review passieren zu lassen. Es war definitiv anders gewesen, als ursprünglich erwartet. Zwar waren der Großteil der Menschen hier genau das, was ich erwartet hatte, doch das, was mir von meinem ersten Tag im Gedächtnis bleiben würde, war definitiv nicht die angestrengt lernende Atmosphäre. Viel mehr würde ich daran zurückdenken müssen, wie ich Zayn das erste Mal sah; rauchend auf dem Schulgelände, als sei es das normalste der Welt. Oder an James, wie er mich zugleich höhnisch wie amüsiert musterte. Auch an Alexa und ihrer abfälligen Art oder das gemeine Grinsen auf Justins Zügen. All dies waren die Dinge, die ich mit meinem ersten Eindruck auf dieser Schule verbinden würde. Und doch würde ich meiner Mutter gar nicht erst von diesen erzählen. Ich wollte mir nicht ausmalen, wie peinlich die Sache werden würde, wenn sie einen Aufstand deswegen in Gang setzte.

Peinlicher, als mit siebzehn noch von der Schule abgeholt zu werden, konnte es jedoch nicht werden.

Mit gesenktem Kopf gab ich mich ergeben dem Weg zum Parkplatz hinab, in dessen ersten Reihen ich schon den neuen BMW meiner Mutter ausfindig machen konnte. Mein Vater hatte ihr ihn kurz nach Leos Tod gekauft. Vielleicht war es ursprünglich als Aufmunterung geplant, vielleicht auch nicht. Ich hatte keine Ahnung. Doch wenn dem so war, kannte meine Dad sie kein bisschen.

"Hey Mum", murmelte ich mit vor Scham leicht gesenkter Stimme. Ich war so ziemlich die einzige in meinem Alter, die nicht den Weg weiter Richtung Bushaltestellen lief. Sie alle wurden von ihren Eltern frei gelassen und nur meine war der Ansicht, dass der Bus zu ekelerregt und schmutzig sei. Geschweige denn von der Kriminalität, die sich an Bahnhöfen abspielte.

"Hör auf so zu gucken!", schimpfte meine Mutter nur als Begrüßung. Ich hatte zwar nicht wirklich etwas anderes erwartet, doch es tat trotzdem weh, stets so abweisend behandelt zu werden. Mit einer Kopfbewegung deutete sie mir an, dass ich einsteigen sollte, was ich auch ohne weitere Worte tat. Beinah erwartete ich schon, mir erneut anhören zu müssen, wie dankbar ich sein sollte, dass sie mich abholte und ich somit nicht in Verbindung mit der Normalität und dem damit zusammenhängenden Schmutz kam, geschweige denn von dem Getratsche der Nachbarn wenn man ausgerechnet mich an solchen Orten sehen sollte, doch aus irgendeinem Grund blieb mir dies heute tatsächlich erspart.

"Wie war dein erster Tag?", fragte sie stattdessen. Wie so oft waren ihre Lippen merkwürdig gespitzt, als wolle sie mich stillschweigend warnen, bloß nichts falsches zu sagen. Ich kannte diesen Blick inzwischen viel zu gut. "Sehr gut. Die Schule ist genau das, was wir uns vorgestellt haben; kompetente Lehrer, engagierte Schüler und die Chance, auf eine glorreiche Zukunft!" Müde ließ ich meinen Blick aus dem Fenster schweifen und bemühte mich um einen neutralen Gesichtsausdruck, während ich diese Lüge meinen Lippen entweichen ließ. Nur wage nahm ich war, dass meine Mutter mir zufrieden zunickte, doch es interessierte mich sowieso nicht. Ich hatte gesagt, was sie hören wollte, und somit war das Thema für mich gegessen.

Stattdessen lenkte meine Aufmerksamkeit sich auf Justins Gestalt, die einige Meter weiter vorne an einem Auto lehnte. Erst auf den zweiten Blick fiel mir auf, dass er nicht alleine war, sondern Zayn vor ihm stand, die rechte Hand in der Hosentasche seiner Jeans vergraben und die andere um eine Kippe gelegt, die leicht im Wind glühte. Auch Justin rauchte, wenn auch deutlich weniger in Pose gestellt. Abgesehen von dem Rauch, der seinen Mund in Ringen verließ, erkannte ich nichts, dass darauf schließen lassen könnte, er würde tatsächlich Zigaretten bei sich tragen.

Ich wusste nicht wieso, doch erneut hatten die beide meine Neugier geweckt. Tausende Fragen bahnten sich in meinen Kopf und ließen mich einfach nicht mehr los. Sachen wie, ob das Auto, an dem Justin lehnte, ihm gehöre oder ob er das eines anderen gerade mit seiner Schuhsohle beschmutze, oder ob sie eigentlich bereits achtzehn waren, oder sowohl die Tattoos auf ihrer Haut als auch die Kippe in ihren Händen gesetzlich gesehen illegal waren.

All dies schwirrte in meinem Kopf umher, war jedoch sofort wieder vergessen, als Justins Kopf sich in meine Richtung drehte. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass wir ihnen inzwischen so nah gekommen waren, dass er durch die leicht verdunkelten Scheiben unseres Wagens würde hindurch sehen konnte. Keiner von uns wandte den Blick ab, während wir langsam an ihm vorbeifuhren. Seine Augen stachen sich wie Blitze in die Meinen und obwohl ich immer wieder Louis' warnende Worte hörte, ich solle ihn nicht direkt ansehen, konnte ich mich nicht dazubewegen, meine Aufmerksamkeit woanders hinzulenken.

Erst als ein lautes Rümpfen aus den Nasenlöchern meiner Mutter glitt, riss ich mich wieder zusammen und wandte mich schnell ihrer Gestalt zu. "Was sind das denn für Menschen?", fragte sie verächtlich. Sofort pumpte das Adrenalin durch die Adern meines Körpers. Auch wenn ich nicht wusste wieso, hatte ich Angst davor, meine Mum könnte mich wieder von der Schule nehmen, wenn ihr klar werden würde, dass hier nicht jeder mit dem Systeme ging. "Das sind jawohl nicht die Freunde von Jugendlichen, die diese Schule besuchen? Jemand mit solch einer Möglichkeit sollte es besser wissen!" Mit einem fassungslosen Kopfschütteln richtete sie sich wieder der Straße zu und schien Justin und Zayn genau in dem Moment schon wieder vergessen zu haben. Ich hingegen glitt noch eine ganze Weile meinen Gedanken hinterher.

Was genau war eigentlich so schlimm an ihnen? Natürlich, man konnte sich sicher sein, dass sie in kriminelle Machenschaften integriert waren, doch abgesehen davon? Sie beide sahen so gesehen ziemlich gut aus und Jess bestand mit einer von Herzen kommenden Überzeugung darauf, dass Zayn ein großherziger Mensch sei. Was also, wenn sie sogar ganz nett und fürsorglich sein konnten?

Noch ehe ich den Gedanken zuEende gebracht hatte, fiel mir wieder ein, was Justin auf dem Schulhof zu mir und vor allem über mich gesagt hatte. Jemand wie er kümmerte sich nicht um die Gefühle anderer. Jemand wie er konnte keine gute Seite in sich haben, das war absurd, und Jess war wohl einfach nur naiv genug vom Gegenteil überzeugt zu sein.

Changes~Open Up Our Hearts (Justin Bieber ff) (Abgeschlossen)Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon