Season 1 Episode 32

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Die Schritte kamen so schnell näher, dass es unmöglich war, dass die Person - wer auch immer es war - einfach an der Gasse vorbeigehen würde. Und innerlich bereitete sich Natasha Romanoff nun auf einen richtigen Kampf gegen Abigails Vater vor, doch dazu sollte es nicht kommen. Statt des gutaussehenden Mannes kam jedoch eine mittelgroße Polizistin auf sie zu und beäugte die junge Nolan auffallend. Nat drängte sich schützend vor ihre Kleine, um zu verhindern, dass sie zum zweiten Mal an diesem Abend von jemandem begrapscht wurde. Sowieso vertraute sie der Polizei nicht gerade. In diesem Moment dachte sie natürlich, dass sie wegen der Raubüberfälle gesucht wurde, aber der wahre Grund war viel tiefgreifender.

"Abigail Nolan, ich bitte Sie ohne Widerstand mit mir zu kommen", sprach die Polizistin beruhigend, ohne jedoch ihre Autorität aufzugeben und in Notfällen einzugreifen zu können. Schnell stand Abigail von dem schmutzigen Boden auf, klopfte sich den imaginären Staub von ihrem Kleid und ging ein paar Schritte zurück.

"Was? Nein! Ich habe nichts getan", verteidigte sie sich, wobei sie die Überfälle tatsächlich vergaß und über das Auftauchen der Frau wirklich verwirrt war.

"Dein Vater hat dich als vermisst gemeldet. Du musst zu deiner Familie zurückkehren, Miss Nolan", erklärte sie, und Abigails Gesicht erstarrte. Als sie im Alter von fünf Jahren von zu Hause weggelaufen war, hatten ihre Eltern sie nicht als vermisst gemeldet. Offenbar war es ihnen egal, und jetzt, nach zwölf Jahren, begann er, sie zu suchen? Was auch immer der Grund für seinen plötzlichen Sinneswandel sein mochte, es konnte kein guter sein, und Abigail war wild entschlossen, nicht zu ihm zurückzukehren. Die Polizistin kam auf sie zu, und Abigail stolperte noch einige Schritte weiter zurück, doch als sie gegen die Wand stieß, packte die Frau das Handgelenk des kleinen Mädchens.

"NEIN! Ich komme nicht mit!", schrie Abigail aus vollem Halse und versuchte, sich loszureißen, aber vergeblich.

"Du kommst zu deinen Eltern bis das Jugendamt, eine andere Entscheidung trifft." Wieder zog Abigail ihre Hand zurück und schaffte es diesmal tatsächlich, ihr Handgelenk aus dem Griff zu befreien.

"Nein! Nein ... Nat, bitte, lass nicht zu, dass sie mich mitnimmt. Ich kann dort nicht zurück", schrie sie und trat panisch um sich, während in ihren Augen vor Verzweiflung Tränen aufstiegen. Sie durfte sich nicht noch mehr aufregen, sonst würde sie ihre Kräfte freisetzen, aber es gab absolute keine Möglichkeit, dass sie zu ihren Eltern zurückzukehren würde. Um sich zu beruhigen klammerte sie sich um Natashas Hüfte, als würde ihr gesamtes Leben davon abhängen. Und irgendwie tat es das auch.

"Abigail...", begann Natasha und ihre Stimme brach. Es war der Blick in ihren Augen, der Abigail verriet, dass Nat nichts tun würde, um sie hier bei sich zu behalten.

"Ich kann nichts tun...", hauchte sie, denn das war alles, was ihre Stimme zuließ. Schon bahnten sich immer mehr Tränen ihren Weg aus ihren Augen und trübten ihre Sicht. Es waren Natashas Tränen, die Abigail veranlassten, ihre Fluchtversuche zu stoppen und die Arme von Natashas Körper zu nehmen. Die Polizistin nutzte die Gelegenheit und umklammerte erneut ihr dünnes Handgelenk.

"Nat...", flüsterte sie verzweifelt und dieses Flüstern, dieser Hilferuf, ließ alle Mauern in der sonst so gefassten Schwarzen Witwe brechen. Als die Polizistin zusammen mit Abigail zum Auto rannte, rannte Natasha wenige Sekunden später hinter ihnen her. Als Abby das aus dem Augenwinkel sah, schöpfte sie neue Hoffnung, dass Tasha doch noch etwas tun würde, um sie zu retten. Doch sie sollte sich irren.

"Abigail, ich werde dir helfen, das durchzustehen, das verspreche ich dir", rief sie, als die Tür zum Rücksitz bereits geöffnet wurde.

"Mach dir keine Mühe...", erwiderte sie mit kalten, enttäuschten eisblauen Augen und stieg in den Wagen. Nur wenige Sekunden später fuhr der Streifenwagen davon und ließ eine weinende Natasha zurück.

The closest thing to a daughterWhere stories live. Discover now