"Darf ich jetzt gehen?", knurrte ich einfach nur mit zusammengebissenen Zähnen. Es überraschte mich selbst, was für einen Ton ich meiner Mutter gegenüber in den letzten Tagen anschnitt, doch seit seinem Tod konnte ich mich nicht mehr so gut unter Kontrolle halten wie früher. Wenn da nicht noch mein anderer kleiner Bruder wäre, hätte ich wohl schon längst das Weite gesucht. "Natürlich nicht, ich werde dich begleiten!" Beinah schon entsetzte schüttelte sie den Kopf, wobei ihr vereinzelte Strähnen ihres Haaren in die Stirn fielen. Sofort drückte sie sich den Rückspiegel vor die Nase und begann sie wieder zurecht zu streichen, sichtlich enttäuscht von sich selbst, dass sie sich nicht besser unter Kontrolle gehabt hatte.

"Was würden deine Lehrer denn denken? Dass ich mein Kind einfach so ins kalte Wasser werfe?" Natürlich ging es ihr nur darum. Was würden andere denke? Was würden sie sagen? Ich war dieses Thema so leid. Doch auch hier wurde nicht nach meiner Meinung gefragt und so blieb mir nur eine Möglichkeit. Denn wenn man erst einmal verstanden hatte, wie man mit meiner Mutter umzugehen hatte, war sie ganz einfach zu kontrollieren. Nur leider benötigte dies eine gewisse Selbstkontrolle. "Aber bedenk doch, was für einen uneigenständigen Eindruck dies hinterlassen würde, Mutter. Meine Lehrer sollen doch nicht denken, dass ich mit siebzehn Jahren noch nicht in der Lage bin, mich selbst zurechtzufinden, oder?" Mit geschürzten Lippen ließ meine Mutter ihren Blick über das hohe Gebäude wandern, ehe sie schließlich knapp nickte. "Schön, aber ich werde mich beim ersten Eltersprechtag jedem einzelnen vorstellen. Frag schon mal im Sekretariat nach, wann diese angesetzt wurden!" Widerstrebend nickte ich ihr zu und öffnete dann ohne ein weiteres Wort meine Tür. Ich würde ihr auch dies schon irgendwie wieder ausgeredet bekommen, ich wusste nur noch nicht wie.

Der Weg zur Schule hin war mit kleinen, viereckigen Steinen ausgelegt, in dessen Kuhlen ich mich immer wieder mit den Absätzen meiner Schuhe verlor, doch ich hielt mich dennoch aufrecht. Nicht nur, da ich wusste, dass meine Mutter mir hinterher sah und jeden meiner Schritte verfolgte, sondern auch, weil ich mich tatsächlich nicht hinlegen wollte. Wenigstens mir selbst gegenüber war meine Meinung noch nicht unwichtig geworden.

Der Schulhof war gespenstig leer und allmählich bekam ich tatsächlich Angst, das Sekretariat habe noch gar nicht geöffnet, da ich zu früh dran war, doch mit dem ersten Schritt ins Innere des Gebäudes wurde ich eines Besseren belehrt. Überall auf den Gängen verteilten sich bereits Schüler, die mit Büchern unter der Nase den Stoff für die nächste Stunde durchgingen, die erst in über dreißig Minuten beginnen würde. Es wunderte mich nicht, dass meine Mutter die Schule für so sinnvolll und passend für mich hielt, jetzt, wo ich mit eigenen Augen zu sehen bekam, wie es hier lief.

Wahrscheinlich hätte meine Mutter sofort von mir erwartet, dass ich mich im Sekretariat meldete und mir meinen Stundenplan sowie alle Bücher abholte, doch genau aus diesem Grund kramte ich zuerst die Papiere von meinem Spind hervor. Vielleicht war es schwach, das konnte ich selbst nicht abstreiten, doch es war meine einzige Möglichkeit, wenigstens einwenig gegen meine Mutter zu rebellieren.

Ich hatte den kleinen, metallischen Kasten schnell gefunden, der zu der Nummer auf meinem Zettel passte und auch der Trick, wie man ihn öffnete, war innerhalb von Sekunden verstanden. Im Vergleich zu den Spinden in meiner alten Schule war dieser hier deutlich teurer und sicherer ausgestattet; als würde irgendjemand wirklich einen knacken wollen...

"Neu hier?" Ich zuckte leicht zusammen, als die raue Männerstimme mein Gehör durchdrang. Mein Herz raste mir bis zum Hals und schon wieder verabscheute ich mich selbst dafür, so schnell außer Kontrolle gebracht zu werden. Ironie, wenn man auf die Erziehung meiner Mum schaute. "Ähm...ja." Etwas perplex schaute ich mich nach dem Auslöser für meine Erschütterung um und staunte nicht schlecht, als ich auf den Mann vor mir schaute. Bei allem, was ich mir für diesen ersten Tag sowohl unter Schlechtem als auch Gutem vorgestellt hatte, war dies nicht mal mehr in Erwägung gezogen worden.

Changes~Open Up Our Hearts (Justin Bieber ff) (Abgeschlossen)Where stories live. Discover now