89. Kapitel, Part 1

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Kostas

Bilder ziehen an meinen Augen vorbei. Es ist als würde ich auf einem Karussell sitzen, ein Karussell, welches sich zu schnell dreht, um jedes der Bilder genau zu betrachten, aber zu langsam, um nicht einen Eindruck von ihnen zu bekommen.

Ich sehe Bilder mit mir und meiner Familie, von meiner Kindheit, von Erfahrungen, die ich gesammelt habe, von Eindrücken die ich gewonnen habe, von Dingen die ich über meine Freunde erfahren habe und von Dingen die ich über mich erfahren habe.

Gleichzeitig weiß ich, dass es sich um einen Traum handelt, aber ich lasse diese Erkenntnis nicht mein Bewusstsein beherrschen. Dafür ist dieser Traum viel zu schön. Ich will das Karussell nicht anhalten, weil es mit gefällt. Es erinnert mich ein wenig an Weihnachten. Ich weiß nicht genau, woran das liegt. Vielleicht an der Vorstellung von dem Karussell. Vielleicht daran, dass ich auf diesen Bildern mit meiner Familie zu sehen bin. Zu Weihnachten bin ich auch immer bei meiner Familie.

Während die Bilder weiter ziehen fällt mir noch etwas auf: Ist es nicht das, was Menschen angeblich immer kurz vor ihrem Tod durchleben. Eine Art Zeitraffer, in dem sie alles in ihrem Leben noch einmal erleben?

Absurd, dass man zu glauben scheint, dass man weiß, was sich in den Gedanken eines sterbenden Menschen abspielt. Eines Menschen, der nie mitteilen kann, was er in diesem Moment erlebt hat, woher kommt also dieser Glaube?

Sterbe ich gerade? Unwahrscheinlich. Eben war ich noch vollkommen gesund. Fast vollkommen Gesund. Das ist nur ein Traum Kostas. Nur ein Traum...

Ich bin eindeutig nicht dazu in der Lage, einen schönen Traum zu genießen, denke ich. Jedes Mal, wenn ich das versuche, driften meine Gedanken ab und landen bei dem Tod oder irgendeinem anderen unangenehmen Thema. Toll. Wirklich toll.

Gerade, als ich das Gefühl verstärkt, ich würde den Traum eh zerstören und bald wieder in einen bilderlosen Schlaf abdriften, verändert sich etwas, das meine Aufmerksamkeit auf sich lenkt.

Das Karussell wird langsamer, ich erkenne die Bilder wieder besser und stelle fest, dass ich älter geworden bin. Sind das Bilder von Mik und mir?

Ich sehe wirklich glücklich aus.

Langsamer und langsamer gleiten die Bilder vorbei. Ich bin mir sicher, dass sie anhalten werden. Bald werden sie anhalten und ich werde ein Bild vor mir haben. Ein Bild, welches ich aus irgendeinem Grund genauer betrachten sollte. Welches Bild wird es sein. Und warum? Will mir jemand etwas damit sagen?

Natürlich nicht. Das ist unlogisch. Niemand außer mir ist gerade hier und ich wüsste nicht, was ich mir zu sagen hätte, was ich nicht bereits wüsste.

Ein Bild von uns beiden, gemeinsam mit Ivy gleitet in mein Sichtfeld. Langsam, sehr langsam rutscht es in die Mitte meines Sichtfeldes. Wir sind im Wald und sie kläfft einen Schmetterling an. Ich erinnere mich an diesen Moment. Es war Herbst, fast Winter, eine ungewöhnliche Zeit für einen Schmetterling und Ivy sperrt, als sie ihn sieht, ihr Maul so weit auf, dass sie ihn fast verschluckt.

Ich habe diesen Hund geliebt und gerade, als er ein fester Teil meines Lebens war, bekamen wir diese Information von ihrem Tierarzt, dass sie nur noch wenige Wochen leben würde.

An dem Tag hatte ich mich nur noch in meinem Bett verkrochen und Mik hatte Stunden versucht, mich zu trösten. Natürlich habe ich irgendwie weiter gemacht, aber die Tatsache, dass Ivy, unser kleines Baby nur noch wenige Wochen bei uns sein würde nagte an mir.

Doch es blieb nicht stehen. Das realisierte ich, als es sich über die Mitte hinaus schob und langsam am linken Rand meines Sichtfeldes verschwand, Stück für Stück, bis es komplett verschwunden war.

Jetzt war dort nur noch Dunkelheit. Eine Dunkelheit, welche ich in letzter Zeit so oft erlebte, dass sie mir wie ein alter Bekannter vorkam.

Doch irgendetwas sagte mir, dass ich das Bild nicht mehr nur betrachtete. Es fühlte sich anders an.

Es fühlte sich so an, als hätte ich dieses Bild zum Leben erweckt und war jetzt Teil davon.

„Kostas?"

Mik.

I'm the Couchman | Kostory FFWhere stories live. Discover now