85. Kapitel, Tag 6

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Kostas

Der Schmerz, auch wenn ich ihn erwartet hatte, war mehr als ich ertragen konnte. Er brach sich seine Bahnen durch meinen gesamten Körper, ließ mich verkrampfen und keinen einzigen klaren Gedanken mehr fassen.

Meine Zähne hatten sich so fest aufeinander gepresst, dass sie anfingen zu knirschen und in meine Augen waren Tränen gestiegen.

Ich brauchte ein paar Atemzüge um das Gefühl zu bekommen, zumindest ansatzweise wieder die Kontrolle über meinen Körper zu haben.

Vorsichtig öffnete ich meine Augen und musste ein paarmal blinzeln, um wieder klar sehen zu können.

Ich hatte den Faden komplett heraus gezogen und an meinem Unterarm klaffte nun eine riesige Fleischwunde, wesentlich größer und schmerzhafter, als das Original.

Ein schmerzhaftes pochen nahm von meinem Arm besitz und die Hand auf die Wunde gepresst versuchte ich auf zu stehen.

Zuerst auf die Knie, dann das eine Bein und dann das zweite. Schwankend stand ich da und machte einen kleinen Schritt nach vorne. Einen zweiten Schritt, einen Dritten, ich lehnte mich an den Türrahmen. Um die Tür zu öffnen musste ich meine Hand von meiner Wunde lösen und die Klinke hinunter drücken.

Beunruhigend viel Blut floss auf den Boden, aber der Weg war frei.

Der Weg in die Höhle des Löwen.

Der Gang kam mir endlos vor, genauso wie die Schmerzen in meinem Unterarm, aber wenn ich jetzt zusammenbrechen würde, dann wäre die nächste Person die mich finden würde Anna und das erst in wenigen Stunden.

Ein plötzliche Angst ergriff von mir besitz. Was wenn ich hier sterben würde? Wenn ich bei dem verzweifelten Versuch Mik zu sehen einfach sterben würde, ohne irgendetwas zu erreichen?

Bilder von Mik über meine Leiche gebeugt, weinend und am Boden zerstört rissen mich aus meiner Starre. Ich musste hier weg. Ich würde nicht sterben, ich wollte nicht sterben.

Wenn ich es schaffe, dann kann ich Mik wieder sehen.

Nur noch ein paar Schritte.

Ich kam am Treppenhaus an, mein Arm klammerte sich an das Geländer, während der Andere nutzlos herunter hing.

Ein kurzer Blick zurück verriet mir, dass ich eine unverkennbare Spur hinter mir her zog. Eine Spur aus Blut. Jeder der auf diese Spur treffen würde, würde auch mich finden und deshalb musste ich weiter.

Es war ganz einfach, je weiter ich gehen würde, desto wahrscheinlicher war es, dass mich jemand finden würde.

Der immer noch andauernde Schmerz hatte mich in Bruchteilen einer Sekunde davon überzeugt, dass es das nicht war. Einfach. Es war alles andere als einfach. Kraftraubend, ermüdend, verzweifelt, schmerzhaft, traurig...

Doch mir blieb nichts anderes übrig. Ich sperrte meine Zweifel und Ängste, so wie meine Schmerzen so gut es ging weg und konzentrierte mich nur noch auf eines, den Weg vor mir.

Stufe um Stufe. Absatz um Absatz. Stock um Stock.

Ich sah nur noch verschwommen und ich konnte nicht einmal sagen, ob es an den Tränen lag, die mir die Wangen hinunterrannen, oder daran, dass ich erneut stechende Kopfschmerzen bekommen hatte, welche die Schmerzen in meinem Arm fast noch übertrumpften.

Auch wenn ich gerade nicht viel wusste, eines war mir klar: das war der Tiefpunkt meines bisherigen Lebens. Egal was jetzt noch kommen würde, es könnte kaum demütigender sein.

Dritter Stock. Er unterschied sich nur dadurch von dem ersten und zweiten, weil meine Schmerzen auf dem Weg hier her noch einmal gestiegen waren.

Dachte ich zumindest.

Ich hob meinen Blick, welchen ich fest auf die Stufen fixiert hatte, um nicht zu stolpern und blickte mich um. Es sah aus, wie im Rest des Gebäudes größtenteils auch. Hohe Gänge mit altmodischen Türen aus dunklem Holz.

Ich wollte mich gerade der nächsten Treppe zuwenden, als ich eine Bewegung in meinem Augenwinkel wahrnahm und ich mich langsam wieder zurück drehte.

Dort stand jemand! Zwar mit dem Rücken zu mir, aber diese Person war gerade aus einem der Räume gekommen.

Verzweifelt versuchte ich zu rufen, aber aus meiner Kehle kam nur ein ersticktes krächzen, zu leise um noch ein paar Meter weiter gehört zu werden.

Ich unternahm einen zweiten Versuch, aber ich fand meine Stimme nicht wieder. Erschöpft sank ich auf den Boden und streckte meinen Arm aus, in der Hoffnung, jemand würde ihn ergreifen und mir aufhelfen.

Aber wer sollte das sein?

Dann wurde ich von den Schmerzen übermannt und eine erlösende Ohnmacht umhüllte mich.

I'm the Couchman | Kostory FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt