36. Kapitel, Part 5

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Ich hatte mich an das Geburtstagsgeschenk erinnert, welches mir mein Vater vor zwei Jahren gemacht hatte. Ich durfte damals auf das Dach des Turmes, allerdings war ich gesichert gewesen.

Damals hatte ich aber auch festgestellt, dass man sich extrem dämlich anstellen musste, um aus Versehen hinunter zu stürzen, da das Dach groß genug war.

Das kam mir durch den Kopf, als Liam mich danach fragte, zwar hatte ich diesen Bereich des Fernsehturmes noch nie eigenmächtig betreten, aber ich wusste, wie man dorthin kam. Ich war mich nicht ganz sicher, ob die Schlüssel passen würden, aber ein Versuch war es wert.

Sie passten und siegessicher kam ich auf dem Dach an.

Es war noch viel Eindrucksvoller und berauschender, als ich es mir in Erinnerung behalten hatte.

Ein kräftiger Wind, welcher unten in den Straßen sicherlich nur eine leichte Brise war, fuhr mir durch die Haare.

Hinter mir stieg Liam auf das Dach. Er schien genauso beeindruckt, wie ich. Bestimmt würde er diesen Ort Lina zeigen wollen. Den bitteren Geschmack, dieses Gedanken schluckte ich so schnell wie möglich wieder hinunter und lächelte wieder.

Trotzdem, der Gedanke an Liam und Lina blieb. Warum mussten sie nur so perfekt zusammen passen? Warum waren sogar ihre Namen wie füreinander geschaffen? Warum?

Ich kannte die Antworten nicht. Es waren Tatsachen, die ich nicht ändern konnte und gerade deswegen versuchte ich sie zu verdrängen.

Ich hatte mich hingesetzt, da mir im Stehen leicht schwindelig wurde, auch wenn das Dach groß genug war. Liam setzte sich neben mich.

„Hast du schon einmal über den Tod nachgedacht?", fragte er, ehe die Stille unangenehm wurde, auch wenn diese Frage auf mich denselben Effekt hatte.

„Nein, nicht wirklich.", entgegnete ich, obwohl das nicht der Wahrheit entsprach. Ich war nicht hier, um mit ihm über Leben und Tod zu diskutieren, aber ich ließ ihn gewähren. „Du?"

Er überlegte. „Ja und nein.", erwiderte er nachdenklich.

„Was heißt das genau?", fragte ich verwundert.

„Ich habe nur über das Leben nachgedacht, nicht jedoch über den Tod, allerdings hat das Leben etwas mit dem Tod zu tun und fließt in ihn über. Das eine lässt sich also nicht getrennt von dem anderen betrachten. Vielleicht lässt sich das nicht nachvollziehen, aber ich betrachte Leben und Tod nicht als zwei verschiedene Dinge, sondern als eines. Wie zwei Länder, deren Grenzen nebeneinanderliegen, von dem einen betreten immer wieder Reisende das andere. Wir wissen nicht, ob es sich wirklich um eine Reise ohne Wiederkehr handelt. Wir wissen es erst, wenn wir die Reise angetreten haben."

Ich war erstaunt und beeindruckt, allerdings auch leicht erschrocken, als er plötzlich aufstand und einen Schritt nach vorne machte. Immerhin befanden wir uns in 200 Meter Höhe auf dem Dach eines Gebäudes und hatten noch dazu von niemanden die Erlaubnis bekommen, hier zu sein.

Er drehte sich um und schaute mir direkt in die Augen. „Du musst mich nicht verstehen. Aber ich werde diese Reise antreten. Du musst auch nicht verstehen, dass ich nichts zu verlieren habe. Du musst auch nicht verstehen, dass dieser Moment perfekt ist."

Entsetzt über seine Worte war ich aufgesprungen und hatte versucht ihn zu fassen, aber er hatte immer einen Schritt nach hinten gemacht und ich traute mich nicht mehr, auf ihn zu zu gehen, da der Abgrund schon gefährlich nahe war.

„Ich will nur, dass du dich an mich erinnern wirst. Vielleicht komme ich eines Tages zurück. Ich werde es herausfinden..."

„Lina liebt dich!", schrie ich ihn an, aber er schien mich nicht mehr zu hören.

Er war bereits komplett an den Rand heran getreten und sein Blick wurde glasig. In diesem Moment wusste ich, dass er nicht auf mich hören würde. Ich wusste nicht warum er das tat. Warum konnte diese Reise nicht warten?

Entschlossen tat er einen Schritt nach hinten. Und fiel.

Schockiert trat ich einen kleinen Schritt nach vorne und sah ihn fallen. Mir wurde schlecht und schnell trat ich zurück. Erst lief ich langsam, dann immer schneller und schließlich rannte ich. Zu den Fahrstühlen, durch die Eingangshalle, die Tür hinaus und dort sah ich ihn schon von weitem liegen.

Ich rannte auf ihn zu und beugte mich über ihn. Seine Augen waren geschlossen. Er musste sie im Fall geschlossen haben.

Er lag in seinem eigenen Blut.

Seinem purpurroten Blut."

Taran schwieg einen kurzen Moment, dann lächelte er mich an.

„Das war traurig. Aber auch schön."

Auch wenn ich es nicht zeigte war ich stolz darauf.

I'm the Couchman | Kostory FFМесто, где живут истории. Откройте их для себя