71.Kapitel, Tag 1

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Kostas

Zweifelnd schaute ich sie an. Mich hatte ein schlechtes Gefühl dabei beschlichen und ich traute diesem Buch nicht über den Weg.

Fragend schaute sie mich. „Um uns besser zu verstehen solltest du dieses Buch gelesen haben. Ich hatte eigentlich geplant, dass wir die ersten Seiten zusammen durchgehen und du die Fragen, welche du hast gleich stellen kannst. Wenn dir das aber etwas ausmacht, kannst du das Buch auch alleine anfangen und deine Fragen notieren, welche wir dann das nächste Mal besprechen würden...", sie klang unsicher und ich merkte, dass es das erste Mal sein musste, dass sie jemand Fremdes mit ihrem Leben konfrontierte.

„Kann ich auch jetzt schon Fragen stellen, auch wenn sie in dem Buch wahrscheinlich beantwortet werden?", fragte ich sie und nahm meine Hände von dem Einband und legte sie auf meine Oberschenkel ab.

Sie nickte. „Frag einfach. So banal es dir auch vorkommen mag, vielleicht ist es trotzdem wichtiger, als es dir erscheint."

„Warum trägst du diese Klamotten?"

„Das ist einfach. Genauso, wie man seinen Gegenüber mit Worten beleidigen kann, ist dies auch mit Kleidung möglich. Unangemessene Kleidung kann die Position der Person hinunterstufen oder andersherum dich selbst. Wenn Kleidung schmutzig ist, stinkt oder zerrissen ist, wird das als unhöflich gewertet, ebenso wenn sie zu kurz ist. Wenn Frauen Männerkleidung oder Männer Frauenkleidung tragen, gesteht man sich dadurch Schwäche ein, weil man sich nicht akzeptiert. Du kannst aber nichts falsch machen, wenn du die Sachen anziehst, die dir gegeben werden."

Fassungslos starrte ich sie an. Einer der Sätze, den sie von sich gegeben hatte, ging mir nicht mehr aus dem Sinn.

Wenn Frauen Männerkleidung oder Männer Frauenkleidung tragen, gesteht man sich dadurch Schwäche ein, weil man sich nicht akzeptiert...

Was es nicht eigentlich anders herum? Bewies man nicht Stärke, wenn man die Kleidung des anderen Geschlechts trug, gerade weil man sich so akzeptierte, wie man war?

„Steht das auch in euren Regeln?"

Anna nickte. „Natürlich. Manche Regeln sind fest und gelten immer, andere werden von den Ältesten Situationsbedingt festgelegt. Es gibt auch Regeln, die sich unterschiedlich auslegen lassen und nicht selten kommt es deswegen zu, natürlich harmlosen Diskussionen, aber sie sind eher die Ausnahme."

Sie schaute mich an, als erwartete sie, dass ich weitere Fragen stellte, aber ich schwieg. „Bist du fertig? Dann könnten wir nämlich mit dem Buch anfangen."

„Ich, ähm.", stotterte ich. „Könnte ich vielleicht doch das Buch mit auf mein Zimmer nehmen und ich stelle dann alle Fragen, die ich habe ähm... nächstes Mal?"

„Ja klar.", vielleicht deutete ich es falsch, aber ich hatte das Gefühl, sie sei sogar ein wenig erleichtert über meine Entscheidung. „Wenn es dir so lieber ist, ich werde dann jetzt noch zu den anderen gehen, du kannst ja auf dein Zimmer, oder hier bleiben, wie du willst. Vielleicht gehst du ja auch an die Küste, um mit einer atemberaubenden Aussicht... wie auch immer."

Mit diesen etwas verwirrenden Worten stand sie auf und ließ mich alleine mit dem Buch.

Ich beschloss auf mein Zimmer zu gehen, es war zwar nicht so eindrucksvoll, wie die Bibliothek, aber genau das war auch der Grund, weshalb ich hier weg wollte. Neben den Riesigen Fenstern und den Unmengen an Büchern fühlte ich mich klein und verloren.

I'm the Couchman | Kostory FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt