75. Kapitel, Tag 2

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Kostas

Das Frühstück lief heute ungefähr so ab, wie am Tag zuvor, nur dass ich das Gefühl hatte, wir frühstückten wesentlich früher. Als ich Anna darauf ansprach warf sie mir einen undefinierbaren Blick zu und erklärte, dass das gestern eigentlich schon eine Art frühes Mittagessen gewesen war und dass die Essensräume bis auf kurze Pausen von halben Stunden, welche definierten, um welche Mahlzeit es sich handele, eigentlich den gesamten Tag geöffnet seien.

Trotzdem hatte ich heute das Gefühl, ausgeruhter zu sein, vermutlich da ich die komplette Nacht durchgeschlafen hatte. Vielleicht war ich sogar früher ins Bett gegangen, als Anna.

„Bist du fertig?", riss sie mich wieder einmal aus meinen Gedanken. Ich nickte bloß. Viel hatte ich nicht gegessen, da ich das Gefühl hatte, mir würde alles in der Kehle stecken bleiben und wenn es bis zu meinem Magen gelangte, müsste ich es wieder erbrechen. Ich war also bei meinem Glas Wasser geblieben. „Dann können wir los."

Anna sprintete los und ich bemühte mich ebenfalls wieder einmal mit ihr Schritt zu halten.

„Wo gehen wir hin?", fragte ich, da sie von sich aus anscheinend nicht damit heraus rücken wollte.

„Arbeiten.", sie drosselte ihr Tempo ein wenig und begann zu erklären. „Es gibt hier verschiedene Berufe. Ein Sektor kümmert sich um Landwirtschaft. Wir haben ein paar Felder im inneren der Insel, dort werden gerade die letzten Ernten eingefahren. Ansonsten gibt es das ganze Jahr über die Fischerei, welche auch im tiefsten Winter betrieben wird. Man muss auf jeden Fall mehr Essen und Kraft sammeln, um bei solchen Temperaturen auf das Meer hinaus zu fahren.", ich wusste, dass sie damit andeutete, ich würde zu wenig essen. Generell habe ich das Gefühl, sie würde den ganzen Tag schon diese versteckten Beleidigungen in ihre Sätze einfließen lassen. Aber das sie direkt weiter sprach, ignorierte ich das gesagte gekonnt und hörte zu. „Manchmal friert hier sogar ein Teil des Meeres und man kann Löcher bohren, um zu angeln, das habe ich als kleines Kind immer gemacht...", sie schien in ihre Erinnerungen zu versinken, fasste sich dann jedoch wieder und fuhr fort. „Wie sicherlich nicht schwer zu erraten ist, haben wir auch einige Ärzte, sogar eine ganze Krankenstation. Um hier Arzt zu werden, muss man viele Jahre der Ausbildung über sich ergehen lassen, denn die Ärzte hier betreuen nicht nur die Patienten, welche hier auf dem Gelände erkranken oder sich Verletzungen zu ziehen, regelmäßig haben wir auch Kunden, welche sich einfliegen lassen und sich von dem einen oder anderen hochspezialisiertem Arzt betreuen lassen. Nur selten werden Stellen frei, noch seltener Ausbildungsplätze ausgeschrieben. Fast nie kommt es vor, dass ein normales Mitglied auf diesem Gelände einen Platz bekommt, denn man muss schwere Prüfungen bestehen... oder gute Kontakte haben...", den letzten Teil sagte sie wesentlich leiser, als hätte sie Angst, uns könne jemand hören, obwohl weit und breit niemand zu sehen war. „Wir werden auf jeden Fall erst einmal keine dieser Arbeiten verrichten, sondern für den Anfang erst einmal etwas einfacheres.", und schon wieder eine dieser Beleidigungen. „Aber du wirst schon sehen. Frau Kramer weist dich sicherlich ein."

Mit diesen Worten beendete sie ihre Rede und ich bemerkte, dass sie vor einem der Räume im vierten Stock stehen geblieben war.

„Hast du nicht gesagt, Stock eins bis vier wären mit Wohnräumen belegt?", fragte ich sie verwirrt.

„Habe ich?", sie klopfte an. „Das sollte eigentlich auch so sein, aber viele Räume, vor allem im vierten Stock werden für alles Mögliche genutzt."

Eine ältere Frau, vielleicht um die fünfzig Jahre als öffnete die Tür. Sie hatte, wie viele hier leicht gräuliche Haare und an einem Ort, wo sich anscheinend niemand die Haare färbte, viel mir viel eher auf, wie schnell wir Menschen eigentlich alt wurden.

„Guten Tag, Frau Kramer."

I'm the Couchman | Kostory FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt