Kapitel 189 - Sheila

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Sheila betrachtete ihn unverhohlen. Er hatte heute Abend so viele schöne Dinge zu ihr gesagt, dass ihr Herz sich anfühlte, als würde es schweben. Es tat gut, Komplimente zu bekommen, die nicht nur für ihren Körper waren. Sie hasste sich dafür, aber sie dachte daran, was Ville ihr in den letzten Monaten für Komplimente gemacht hatte. Viel mehr als „Du bist heiß", oder „Du bist sexy", hatte er nicht zustande gebracht. Jonathan hingegen sagte ihr ständig, dass sie stark war und wenn sie ehrlich war, gefiel ihr das deutlich besser. Zwar zeigte er ihr auch, dass er sie anziehend fand, doch es schien nicht das Einzige zu sein, was er in ihr sah. 

Jonathan saß ihr gegenüber am anderen Ende der Badewanne und grinste sie an. Sie hatten beide die Beine angezogen und die Arme um die Knie geschlungen, trotzdem berührten sich ihre Zehenspitzen. 

„Hast du schon eine Rückmeldung zu deinen Bewerbungen bekommen?", fragte er nach einer Weile und musterte sie aufmerksam. Sheila schüttelte den Kopf. 

„Nein, noch nicht. Aber ich denke, das dauert auch noch eine Weile", antwortete sie. Immerhin hatte sie erst diese Woche die Bewerbungen abgeschickt. 

„Willst du noch mehr schreiben oder erst einmal Rückmeldungen abwarten?", wollte er dann wissen. 

„Eigentlich habe ich gehofft, dass es bei einer klappt", sagte sie schulterzuckend, doch auf einmal tauchten vor ihrem inneren Auge die Berichte im Fernsehen von Leuten auf, die hunderte Bewerbungen schrieben und nur Absagen bekamen. Da war sie mit ihren 23 Bewerbungen doch relativ optimistisch. 

„Mach dir da mal keine Gedanken. Deine Bewerbungen sahen doch alle gut aus. Und selbst wenn es nicht beim ersten Versuch klappt, ist das auch nicht dramatisch. Man darf sich dann nur nicht unterkriegen lassen", redete er ihr gut zu, doch sie musste sich selbst eingestehen, dass sie sich von so etwas bisher hatte ziemlich schnell runterziehen lassen. Doch wie hatte Jonathan vorhin so schön gesagt? Sie war stärker geworden. 

„Ich gebe mir Mühe. Klappt schon alles", sagte sie und setzte ein Lächeln auf. Jonathan sah sie halb verwundert, halb überglücklich an, als hätte sie irgendetwas Besonderes gesagt. 

„Warum guckst du so?", fragte sie und lachte. 

„Ich glaube das ist das erste Mal seit ich dich kenne, dass du etwas positiv siehst. Oder eher, dass du zuversichtlich bist", erklärte er und sein Grinsen wurde noch breiter. 

„Echt?", fragte sie, denn eigentlich war es ihr gar nicht so vorgekommen. 

„Ja. Das solltest du beibehalten. Steht dir gut", erwiderte er, dann legte er die Arme auf die Seitenränder der Wanne. 

„Soll ich dir was die Schultern massieren?", fragte er und schnell nickte sie. 

„Na dann komm her", forderte er sie auf und etwas unbeholfen drehte sie ihm den Rücken zu und rutschte an ihn heran. Sanft legte er seine Hände auf ihre Schultern und augenblicklich entspannte sie sich. Sie umschlang ihre Knie und legte den Kopf darauf ab und versuchte, einfach nur seine Berührungen zu genießen und alles andere um sie herum auszublenden. Erstaunlicherweise gelang es ihr recht gut und für einige Minuten spürte sie nur das warme Wasser und seine Haut auf ihrer.

Sie wusste nicht, wie lange sie so dagesessen hatte, doch irgendwann drückte Jonathan ihr einen Kuss zwischen die Schulterblätter. Sie erwachte aus ihrer Versenkung und drehte den Kopf ein wenig zu ihm herum. Sofort spürte sie seine Lippen auf ihrer Wange und sie verrenkte sie halb, um ihm ihre Lippen hinzuhalten. 

Plötzlich formte sich ein Gedanke in ihr, den sie irgendwie nicht mehr loswurde. Sie sah ihm einige Sekunden lang in die Augen und er erwiderte den Blick und sah dabei so aus, als versuchte er, ihre Gedanken zu erraten. 

„Erinnerst du dich noch, als du mich gefragt hast, was ich den Vormittag über gemacht habe, als du im Studio warst?", hörte sie sich sagen und auf einmal schlug ihr Herz schneller. Wenn sie ihm das wirklich sagte, könnte sie ihn nie wieder gehen lassen, denn wenn das jemand erfuhr, musste sie vor Scham im Erdboden versinken. 

„Du meinst das, was dir so peinlich war?", fragte er nach und sie nickte schnell. 

„Es ist immer noch peinlich und wenn ich dir das sage, musst du für immer bei mir bleiben, damit ich sichergehen kann, dass niemand außer dir jemals davon erfährt", sagte sie ernst, doch er lachte leise. 

„Klingt geheimnisvoll. Aber da ich sowieso nicht vorhabe, dich jemals wieder zu verlassen...", sagte er mit einem Schulterzucken, doch irgendwie klang es ein wenig lustig. Vielleicht wollte er mit seiner lässigen Art ihr letztes bisschen Unsicherheit vertreiben, doch nun konnte sie es sich nicht anders überlegen. 

Warum sie es ihm anvertrauen wollte, wusste sie nicht so recht, aber irgendwie spürte sie, dass es ihn freuen würde. Es würde ihm zeigen, dass sie ihm vertraute. Denn er dürfte es niemandem erzählen, das wäre ihr wirklich unangenehm. 

„Ich... habe wieder mit etwas angefangen, das ich früher öfter gemacht habe, aber dann irgendwie sein gelassen habe. Es ist bescheuert, aber es macht mir Spaß und hilft mir, nicht ganz verrückt zu werden", fing sie an und gespannt sah er sie an. Sie schloss für einen kleinen Moment die Augen, dann suchte sie seinen Blick. 

„Ich schreibe Geschichten. Über uns. Unter Anderem", sagte sie und ihr Herz pochte bis zum Hals. Einen Moment sah er sie nur an, doch dann lächelte er. 

„Du meinst, so wie Romane?", fragte er nach und es klang wirklich interessiert, nicht belustigt. 

„Naja, ich bin kein Schriftsteller und ich mache das nur für mich selbst, aber im Prinzip ja", gestand sie und sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. 

„Cool!", rief er aus und ungläubig sah sie ihn an. 

„Doch wirklich! Kann ich mal was lesen?", fragte er, doch schnell schüttelte sie den Kopf. 

„Auf keinen Fall!", protestierte sie, was ihn ein wenig enttäuscht aussehen ließ. Plötzlich wurde ihr klar, dass er sich nicht über sie lustig machte. Er war wirklich interessiert, was sie so zu Papier brachte. Noch nie hatte jemand ihre Geschichten gelesen, noch nicht einmal Ville. 

„Naja, vielleicht, wenn es fertig ist. Aber das dauert noch, habe ja gerade erst wieder angefangen", lenkte sie mit leiser Stimme ein, doch er grinste, legte die Arme um sie und umarmte sie fest. 

Slice of Life - A New Beginning IWhere stories live. Discover now