Kapitel 163 - Sheila

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Sheila legte den Finger auf die Klingel und wartete, bis jemand ihnen öffnete. Sie würde in den nächsten Tagen ziemlich viel zu tun haben, doch sie freute sich darauf. Sie wollte morgen noch mehr Bewerbungen schreiben und sich dann abends mit Esra treffen. 

Noch bevor sie sich weiter darüber Gedanken machen konnte, wurde die Tür aufgerissen und sie blickte in die strahlenden Augen ihres Vaters. 

„Da seid ihr ja", begrüßte er sie und bedeutete ihnen mit einer ungeduldigen Handbewegung, dass sie hereinkommen sollten. Sheila spürte, wie Jonathan seine Hand an ihren Rücken legte und sie nach drinnen schob. Sie musste bei dem Grinsen ihres Vaters kurz Lachen, denn er schien ganz aufgeregt zu sein. Sie zogen sich Schuhe und Jacken aus, dann gingen sie ihm hinterher ins Wohnzimmer. 

„Alles in Ordnung bei euch?", fragte er gut gelaunt und ließ sich mit einem Seufzen am Esstisch nieder. Jonathan schob ihr den Stuhl ein Stück zurück und sie setzte sich. Wieder lagen auf dem Tisch jede Menge Papiere, doch es sah bei Weitem nicht mehr so unordentlich aus wie beim letzten Mal, als hier waren. Sie spürte, wie Jonathan sie abwartend ansah, so als erwartete er, dass sie etwas sagte. 

„Bei uns ist alles in Ordnung", antwortete sie, doch Jonathan sah sie weiterhin an. Erst da fiel ihr wieder ein, dass sie ja ihrem Vater von Villes Anruf erzählen wollte. Doch er schien so gute Laune zu haben, dass sie es auf später verschob. 

„Gut, ich habe hier den richtigen Kaufvertrag. Wir müssten einen Termin beim Notar machen und dann ist alles offiziell", sagte Darren und tippte auf einen Stapel Papiere, den er in ihre Richtung schob. Sie warf einen Blick darauf, doch sie schob ihn weiter zu Jonathan. 

„Es ist eine Kopie, ihr könnt sie mit nach Hause nehmen und in Ruhe durchlesen", sagte er, und sie sah aus dem Augenwinkel, wie Jonathan nickte. 

„Okay, ist noch ganz schön komisch, dass es jetzt endlich losgeht", sagte er und legte ihr eine Hand aufs Knie. 

„Ich habe für nächste Woche einen Container bestellt. Er wird am Dienstag geliefert und wir können ihn bis zu vier Wochen behalten. Also müssten wir in den nächsten vier Wochen alles rausreißen, aber ich denke, das schaffen wir", berichtete Darren und warf ihnen beiden abwechselnd Blicke zu. 

„Cool, ich kann es kaum erwarten", sagte Jonathan und er schien sich wirklich zu freuen. Sheila lachte leise in sich hinein, denn sie hoffte, dass der anstrengende Teil möglich schnell über die Bühne ging. 

„Matthias und Jonas wollten am Dienstag Nachmittag vorbeikommen und helfen", fuhr Darren fort, doch Sheila biss sich auf die Lippe. Sie wollte nicht erzählen, dass die beiden sich schon wieder gestritten hatten. 

„Am Samstag treffen wir uns mit einem Freund von uns und ich denke, dass auf jeden Fall er und seine Freundin auch helfen würden", warf Jonathan ein und Darren nickte. 

„Oskar hat gestern gesagt, dass er auch helfen kann", sagte Sheila und sofort wanderten ihre Gedanken wieder zu Ville. Sie schluckte. Es fiel ihr schwer, es vor ihrem Vater geheim zu halten, doch seine Augen blitzten. Offensichtlich war sie schlecht im Geheimhalten. 

„Hast du mit ihm gesprochen?", fragte er skeptisch, doch sie nickte nur. Jonathan neben ihr versteifte sich, was ihren Vater noch misstrauischer werden ließ. 

„Was ist passiert?", fragte er leise, das Lächeln aus seinem Gesicht war wie weggewischt. Sheila druckste herum und eilig drückte sie Jonathans Hand als Zeichen, dass er nichts sagen sollte. Wenn dann würde sie es selbst erzählen.

„Irgendetwas ist doch", drängte Darren und sie senkte den Blick. Er würde es früher oder später sowieso erfahren. 

„Oskar hat mich gestern angerufen, weil Ville bei ihm aufgetaucht ist. Er wollte zu uns nach Hause, doch er konnte ihn aufhalten. Dafür wollte Ville unbedingt mit mir sprechen. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn nicht mehr will und er sein Leben auf die Reihe kriegen soll", sagte sie betont beiläufig, doch ihr Vater starrte sie mit aufgerissenen Augen an. 

„Du hast mit ihm telefoniert?", fragte er ungläubig, doch sie nickte nur. 

„Wo ist er jetzt?", wollte er wissen und sie sah, dass er sich anspannte. 

„Oskar hat ihn heute Morgen zurück in die Klinik gebracht", erklärte sie, doch Darren schien mit dieser Antwort ganz und gar nicht zufrieden zu sein. Dennoch stöhnte er, kratzte sich kurz an der Augenbraue und hob dann kapitulierend die Hände. 

„Gut, aber du hättest nicht mit ihm reden sollen", mahnte er sie, aber sie zuckte nur die Schultern. 

„Ist ja auch nicht so wichtig. Er spielt keine Rolle mehr", log sie und ihr Vater schien sie zu durchschauen. Er sah sie ein paar Sekunden so eindringlich an, dass sie sich unwohl fühlte, doch schließlich wandte er den Blick zu Jonathan. 

„Warst du dabei, als sie gesprochen haben?", fragte er ihn und Jonathan nickte. 

„Ja, ich habe alles mit angehört. Er scheint es langsam zu verstehen", sagte er und Sheila war ihm dankbar für diese Antwort, denn sie schien Darren ein wenig zu besänftigen. 

„Wie auch immer. So lange du ihn nicht triffst, ist wohl alles okay", kapitulierte er, dann stand er auf und ging ohne ein weiteres Wort in die Küche. Am liebsten hätte sie ihm noch hinterher gerufen, dass sie nicht das geringste Interesse daran hatte, ihn zu treffen, doch sie verkniff es sich. Ihr Vater machte sich nur Sorgen um sie. 

„Lisa müsste gleich wieder kommen. Sie war mit Maxim bei einer Freundin", rief ihr Vater aus der Küche und erst da bemerkte Sheila, dass Lisa gar nicht da war. Keine fünf Sekunden später kam ihr Vater wieder zu ihnen, in den Armen jede Menge Kataloge. 

„Hier, ich habe euch was mitgebracht", sagte er, wieder etwas besser gelaunt. Er breitete die Kataloge vor ihnen aus und neugierig warf sie einen Blick in einen. Es waren Einrichtungskataloge, einige für Möbel, manche für Tapeten und so etwas. 

„Ich dachte, ihr könntet ein wenig Inspiration brauchen", lachte er, dann verschwand er wieder in die Küche und fing an, mit Töpfen herumzuhantieren. Jonathan zog sich ebenfalls einen Katalog aus dem Stapel und schlug irgendeine Seite auf. Es waren jede Menge Betten abgebildet. 

„Alles gut?", fragte er leise an ihrem Ohr und schnell nickte sie. Anscheinend machte er sich Gedanken, da sie schon wieder über Ville gesprochen hatte, doch es machte ihr nichts mehr aus. Es hatte so gut getan, ihn am Telefon die Meinung zu sagen und sie fühlte sich wieder ein Stück mehr von ihm befreit. 

„Hier, wie gefällt dir so etwas?", fragte sie und zeigte ihm eine Tapete mit buntem Muster in dem Katalog, in dem sie gerade blätterte. Sie wollte nicht mehr darüber nachdenken und sich ablenken. Jonathan musterte sie noch einen Augenblick, doch dann betrachtete er das Bild, auf das sie zeigte. Er lachte kurz auf. 

„Mein Geschmack ist es nicht. Ich mag es eher schlicht", antwortete er und Sheila kicherte. 

„Mir gefällt das auch nicht", gab sie zurück und blätterte weiter. 

„Vielleicht könnten wir nachher noch einmal ins Haus gehen und zumindest für ein, zwei Stündchen ein wenig aufräumen. Dann haben wir weniger zu tun, wenn der Container kommt", sagte er nach einer Weile und begeistert nickte sie. Sie freute sich, dass er genau so schnell wie sie mit allem anfangen wollte. 

„Gute Idee. Auf dem Dachboden steht noch jede Menge Gerümpel. Ich glaube nicht, dass wir irgendetwas davon behalten wollen", sagte sie schulterzuckend, denn eigentlich hatten sie auf den Dachboden immer nur Zeug gebracht, das sie nicht mehr brauchten aber zu schade zum Wegschmeißen fanden. 

„Okay", sagte er nur und sah sich weiter Betten an. Sheila seufzte. 

„Selbst wenn wir noch irgendetwas davon behalten könnten, ich will einen Neustart. Alles neu machen", erklärte sie und Jonathan nickte. 

„Kann ich verstehen. Schmeißen wir einfach alles weg", sagte er und legte ihr den Arm um die Schulter.

Slice of Life - A New Beginning IWhere stories live. Discover now