Kapitel 182 - Jonathan

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Es hatte noch lange gedauert, bis Jonathan eingeschlafen war, denn zu sehr war er in der Fantasie gefangen, mit ihr die Welt zu bereisen. Er wusste, dass es ihr gefallen würde, doch wenn er ehrlich zu sich war, würde es noch eine Weile dauern, bis er es sich leisten konnte. Beziehungsweise bis er es sich leisten konnte, ohne danach um seine Existenz bangen zu müssen. Sheila hatte schon recht, doch vielleicht, nur vielleicht, würde es doch irgendwann klappen.

Als er am nächsten Morgen von dem Wecker aus dem Schlaf gerissen wurde, fühlte er sich kein bisschen ausgeruht. Sheila schien tief und fest zu schlafen, denn sie rührte sich nicht. Er küsste sie sanft auf den Kopf, dann stand er auf und machte sich an die Arbeit. 

Die letzten Tage hatte er jede Menge aufgenommen und heute musste er alles zusammenschneiden. Obwohl ihm das weniger Spaß machte, war es Teil seiner Arbeit. Sheila hatte ihm erzählt, dass sie heute schon gegen Mittag zum Haus fahren wollte, doch das würde er mit ziemlicher Sicherheit nicht schaffen. 

Bevor er richtig anfing, warf er noch einen Blick auf sein Handy. Er hatte eine Nachricht von Karl und erst da fiel ihm wieder ein, dass er sie gefragt hatte, ob sie ihnen am Wochenende helfen konnten. Er las die kurze Nachricht, in der stand, dass seine Freunde morgen den ganzen Tag Zeit haben würden. Jonathan hatte nichts anderes erwartet, also schrieb er ihnen schnell die Adresse. Vielleicht könnten sie sich noch irgendetwas überlegen, was sie am Abend machen konnten. Er würde Sheila nachher fragen, was sie davon hielt, wenn sie mit allen Helfern eine Pizza essen gingen oder so etwas. Immerhin opferten sie alle ihre Freizeit für sie und irgendwie hatte er das Gefühl, dass er ihnen etwas schuldete. Doch darüber könnte er sich später Gedanken machen, er musste nun endlich anfangen, zu arbeiten.

Jonathan achtete auf die Uhr, sodass er Sheila noch einmal sah, bevor sie sich auf den Weg zum Haus machte. Er unterbrach seine Arbeit und öffnete die Studiotür und zuckte zusammen. 

Gerade als er in den Flur gehen wollte, kam Sheila aus dem Bad und sie erschreckte sich ebenso wie er. Sie fing sich als erstes wieder und fing an zu lachen. Er stimmte mit ein. 

„Erschreck mich doch nicht so", beschwerte sie sich, dann drückte sie ihm einen Kuss auf die Wange. 

„Das heißt erschrecke", gab er zurück und einen Moment lang sah sie ihn verwirrt an. 

„Stimmt. Hört sich aber komisch an", erwiderte sie und ging ins Wohnzimmer. Er folgte ihr und sie blieb gegen den Kühlschrank gelehnt stehen. 

„Was hast du so gemacht?", fragte er neugierig, doch sie senkte verlegen den Blick. Jonathan musterte sie aufmerksam und trat näher an sie heran. 

„Das sage ich dir nicht, das ist peinlich", gestand sie und sah ihn mit einem schüchternen Blick an. Jonathan legte ihr die Hand an die Wange. 

„Dir muss doch nichts peinlich sein", versuchte er es ihr zu entlocken, doch sie schüttelte den Kopf und schlang die Arme um ihn. 

„Du würdest mich wirklich auslachen", sagte sie dann. 

„Lachen ist gesund", erwiderte er, was ihr ein Glucksen entlockte. Doch offensichtlich wollte sie es ihm tatsächlich nicht sagen, denn sie wechselte ziemlich abrupt das Thema. 

„Wie auch immer. Ich muss gleich los und Seelenklempner spielen. Mein Bruder wollte mit Sicherheit nicht schon so früh kommen um zu arbeiten", sagte sie, wand sich aus seinen Armen und marschierte ins Schlafzimmer, wo sie in ihrer Handtasche herumkramte. Wieder ging er ihr hinterher und setzte sich neben sie aufs Bett. 

„Meinst du, er will noch einmal über Jonas reden?", fragte er nach und endlich hörte sie auf zu kramen und setzte sich seufzend neben ihn. 

„Bestimmt. Er steigert sich da viel zu sehr rein. Ich will nicht über Jonas urteilen und Matthias muss selbst entscheiden, was er macht, aber er will sicher meine Meinung hören. Nur weiß ich noch nicht so recht, was meine Meinung ist", plapperte sie auf einmal los, dann sah sie ihn fragend an, so als könnte er ihr helfen. Verlegen kratzte er sich am Kopf. 

„Dann sag es ihm doch so. Ich hatte nur den Eindruck, dass es ihm ohne Jonas ziemlich schlecht geht und mit ihm ziemlich gut. Aber mehr kann ich nicht dazu sagen", antwortete er und hob abwehrend die Hände. Obwohl er ihr gern geholfen hätte, wollte er sich nicht wirklich in die Beziehung von ihrem Bruder einmischen. Meistens endete so etwas nur in einer Katastrophe und das konnte er gar nicht gebrauchen. 

„Ja, du hast ja recht. Eigentlich sollte ich mich da auch nicht einmischen, aber... ich weiß auch nicht", sagte sie resignierend, dann stand sie wieder auf, griff nach ihrer Handtasche und hielt ihm die Hand hin. 

„Du willst los?", fragte er, woraufhin sie nickte. 

„Ich muss noch ein wenig arbeiten, aber ich komme nach", versprach er und küsste sie. 

„Okay, dann sehen wir uns nachher", verabschiedete sie sich und machte sich auf den Weg in Richtung Tür. Er begleitete sie und bevor sie aus der Tür verschwand küsste er sie noch einmal. 

Als er allein in der Wohnung war, kam es ihm auf einmal seltsam still vor. Nicht, dass sie viel Krach machte, aber doch spürte er ihre Abwesenheit. Außerdem hätte er zu gerne gewusst, was sie am Vormittag so Geheimnisvolles getan hatte. Doch vielleicht würde sie es ihm noch sagen. Er zwang sich wieder in sein Studio, damit er möglichst schnell wieder bei ihr sein konnte.

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