Kapitel 80 - Jonathan

10 2 0
                                    

Vollkommen überfordert legte Jonathan ihr sanft die Hand auf den Rücken, doch Sheila schluchzte immer weiter. 

„Hey, beruhige dich. Er kann dir nichts tun", versuchte er ihr zu sagen, aber sie schien ihr gar nicht zu hören. Er bereute, dass er es ihr gesagt hatte, anlügen wollte er sie allerdings auch nicht. Zwar hatte er damit gerechnet, dass sie zurückfahren wollte, doch diese Panikattacke hatte er nicht erwartet. 

„Komm her, ich bin bei dir und dir kann niemand etwas tun", sagte er, setzte sich auf den Boden und zog sie an sich. Augenblicklich klammerte sie sich an ihn, doch ihre Tränen flossen weiter und weiter. Endlose Minuten saß er da und hielt sie fest, bis sie sich endlich ein wenig beruhigte. Sie wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht, dann hob sie den Blick. 

„Können wir bitte zurückfahren? Ich muss mit ihm reden", flehte sie ihn beinahe an, doch er sah sie nur missmutig an. Er wollte nicht, dass sie in seine Nähe kam. Offensichtlich war er verrückt und wollte sie so dazu bringen, zu ihm zurück zu kommen. Das war zumindest die Einschätzung des Kommissars und dieser hatte ihm ebenfalls geraten, so schnell es ging von hier zu verschwinden. 

„Schatz, hör mir bitte zu", sagte er eindringlich und nahm dabei ihr Gesicht in die Hände, damit sie ihn ansah. 

„Wir können nicht zurückfahren. Das ist doch genau das, was er damit bezwecken will. Er hat gemerkt, dass es nichts bringt, wenn er einfach an der Tür klopft, daher musste er zu... drastischeren Mitteln greifen", sagte er und er wunderte sich selbst, wie ruhig und besonnen seine Stimme klang. 

Endlich schienen seine Worte zu ihr durchzudringen, denn ihre Augen bewegten sich hin und her, so als würde sie darüber nachdenken. Als sie den Blick wieder ihm zuwandte, wirkte sie vollkommen klar. 

„Du hast recht", sagte sie schließlich und er spürte, wie ihm ein Stein vom Herzen fiel. Er hatte absolut kein Interesse daran, sie gegen ihren Willen irgendwo hin zu fahren, nur damit sie nicht in seine Nähe kam. Er atmete zitternd aus, dann schlang er die Arme um sie. Sie erwiderte die Umarmung, gleichzeitig sie zitterte am ganzen Leib. 

„Tut mir leid", nuschelte sie an seiner Schulter und er legte ihr schützend die Hand auf den Kopf. Eine ganze Weile saßen sie so da, dann ließ er sie vorsichtig los. 

„Kommst du wieder mit mir ins Auto?", fragte er sie, denn er war noch nicht hundertprozentig davon überzeugt, dass sie nicht doch zurück wollte. Sie nickte, stand auf, klopfte sich den Dreck von der Hose und setzte sich ins Auto. Er beeilte sich, ebenfalls einzusteigen und vorsichtig er sie noch einmal an. Noch immer liefen ihr Tränen über die Wangen, doch sie schien nicht mehr panisch zu sein. Als sie seinen Blick bemerkte, zwang sie sich zu einem Lächeln, aber es wurde eher eine Grimasse. 

„Bist du okay?", fragte er leise, woraufhin sie schnell nickte und sich die letzten Tränen vom Gesicht wischte. 

„Ich hätte nur nicht gedacht, dass er so verrückt ist. Anscheinend ist er ziemlich verzweifelt", stammelte sie mit belegter Stimme. Jonathan wusste nicht wirklich, ob er ihn als verzweifelt beschreiben würde. Ihm fielen eher Bezeichnungen wie geisteskrank oder vollkommen wahnsinnig ein, doch das würde er ihr nicht sagen. 

Sheila griff nach dem Gurt und schnallte sich an. 

„Wir fahren zu dem Ferienhaus, in Ordnung?", fragte er sie, dann schnallte auch er sich an. Wieder nickte sie und er startete wieder den Motor, wendete und fuhr wieder auf die Landstraße.

Eine ganze Weile schwieg sie, den Blick starr auf ihre Hände gerichtet und schniefte ab und zu. Er wusste nicht recht, ob er sie ansprechen sollte oder nicht, denn er wollte nicht riskieren, dass sie wieder weinte. Allmählich verrauchte seine Wut auf ihn, denn mit jedem Kilometer, den er zurücklegte, entfernten sie sich aus seiner Reichweite.

Irgendwann hörte er, wie ihr Atem ruhig und regelmäßig wurde und mit einem Blick zu ihr stellte er fest, dass sie eingeschlafen war. Das konnte ihr nur gut tun, dachte er sich und er fuhr ein wenig schneller über die Autobahn, damit sie bald ankamen. 

Slice of Life - A New Beginning IOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz