Kapitel 57 - Jonathan

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Die restliche Fahrt herrschte ein unbehagliches Schweigen. Der Kommissar hatte den Wagen auf einem Schotterparkplatz gelenkt, dann war er ohne ein weiteres Wort ausgestiegen. 

Jonathan folgte ihm zu einem großen Backsteingebäude, das durch ein Schild als Polizeipräsidium ausgewiesen wurde. Der Kommissar marschierte durch die Glastür hinein, nickte einer Empfangsdame kurz zu und ging weiter einen mit grauem Teppich ausgelegten Flur entlang. 

Jonathan schob die Hände in die Manteltaschen und dackelte ihm hinterher. Schließlich blieb der Mann vor einer Tür auf der rechten Seite des Flurs stehen, kramte in seiner Jackentasche und holte einen Schlüsselbund heraus. Er schloss die Tür auf und ging herein. Einen Augenblick lang zögerte Jonathan, ihm zu folgen, doch ein Blick des Kommissars ließ seine Füße hinein marschieren. 

Er schloss die Tür hinter sich und blickte sich kurz um. Das Büro war eher klein und in der Mitte stand ein riesiger Schreibtisch. Überall lagen Akten und Papiere herum, die der Kommissar mit einer geübten Handbewegung auf Seite schob. Er setzte sich auf den Drehstuhl, der hinter dem Schreibtisch stand und deutete auf einen Stuhl auf der anderen Seite. 

„Setzen Sie sich", sagte er endlich und er gehorchte. Der Stuhl quietschte und wackelte beunruhigend, als er sich darauf niederließ. Der Kommissar lehnte sich zurück, dann holte er noch etwas aus seiner Jackentasche. Es war ein Tablet, das er zwischen sie auf den Tisch legte. 

„Ich habe mit Ihrer Freundin gesprochen und sie hat die Antworten hier eingetippt. Nun sind Sie an der Reihe, mir zu erzählen, was passiert ist. Fangen Sie damit an, wie Sie sie kennengelernt haben", sagte der Mann auffordernd und erst da bemerkte er, dass er dabei einen Finger auf das Display des Tablets gelegt hatte. Er schob es ihm hin und deutete darauf. 

„Wenn Sie antworten, legen Sie bitte den Finger auf das Mikrofon. So wird Ihre Antwort in das Textprogramm übertragen", erklärte er, dann warf Jonathan einen Blick auf das Tablet. Die erste Aufforderung des Kommissars war als Text erschienen. Jonathan sah ihn an, dann räusperte er sich und begann, alles möglichst genau zu erklären.

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Es dauerte knapp eine halbe Stunde, doch der Kommissar hatte ihm klar gemacht, dass er noch einmal mit ihm sprechen wollte. Inzwischen saßen sie wieder in dem Wagen des Kommissars, immerhin hatte dieser ihm gesagt, er würde wieder zurück zum Krankenhaus gefahren werden. 

Der Mann am Steuer schwieg, bis ein Klingeln sie beide zusammenzucken ließ. Er kramte wieder in seiner Jackentasche und dieses Mal holte er ein Handy heraus. Als er einen Blick auf den Namen des Anrufers erhaschte, stöhnte er und umklammerte das Lenkrad fester, dann nahm er das Gespräch an, ohne an den Straßenrand zu fahren. 

„Wo sind Sie, verdammt noch mal?", begrüßte er seinen Gesprächspartner und Jonathan konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. 

„Dann bleiben Sie gefälligst da und warten, bis ich Sie abhole!", schrie er beinahe, dann legte er auf und steckte das Handy wieder ein. Er murmelte noch einige Flüche vor sich hin, bevor er beschleunigte.

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Nachdem der Kommissar ihn auf dem Parkplatz des Krankenhauses hatte aussteigen lassen, ging er noch einmal kurz entschlossen in das Krankenhaus hinein. Er klopfte leise an ihre Zimmertür, dann öffnete er sie. Sheila war wach. Sie saß mit angezogenen Beinen um Bett und blickte auf ihr Handy. Als sie ihn bemerkte, lächelte sie schwach. Sie sah eindeutig nicht mehr ganz so kaputt aus wie vorhin, aber doch schien es ihr insgesamt noch nicht wirklich gut zu gehen. 

„Hey", sagte er, dann setzte er sich neben sie auf ihr Bett. Eine Weile betrachtete sie weiterhin ihr Handy, dann hielt sie es ihm hin. Gleichzeitig streckte sie die Hand nach ihm aus. Bevor er ihr Handy weiter beachtete, rutschte er näher an sie heran, sodass sie ihren Arm auf seinen Schoß legen konnte. Erst dann blickte er auf ihr Handy. 

Was er sah, ließ sein Herz unangenehm pochen. Sie hatte eine Nachricht an ihn getippt, jedoch hatte er seit er vom Kommissar mitgenommen worden war, nicht mehr auf sein Handy geschaut. 

„Ich habe Angst. Ich weiß, dass er mir Unrecht angetan hat und bestraft werden sollte, aber ich fühle mich irgendwie schlecht dabei, wenn er wegen mir ins Gefängnis muss", schrieb sie. Jonathan reichte ihr das Handy zurück, dann verschränkte er seine Finger mit ihren. 

„Er wird nicht wegen dir bestraft, sondern wegen dem, was er dir angetan hat. Mach dir darüber keine Gedanken. Er bekommt die Strafe, die er für die Taten, die er begangen hat, verdient", sagte er ihr und sah ihr dabei eindringlich in die Augen. Sie sollte sich nicht schlecht fühlen, weil sie dem Kommissar alles erzählt hatte. Sie entzog ihm ihre Hand, dann tippte sie eine neue Nachricht. 

„Vielleicht wird es ja morgen besser mit meinem Gewissen. Am liebsten würde ich es einfach abschalten. Hast du auch mit dem Kommissar geredet?", wollte sie wissen, woraufhin er nickte. 

„Es wird bestimmt besser. Lass dir ein paar Tage Zeit, das alles zu verarbeiten. Dann wird es dir bestimmt besser gehen und es wird alles wieder normal. Und ja, ich habe mit dem Kommissar geredet. Er hat mich ziemlich viel gefragt, was er für einen Eindruck er auf mich gemacht hat und so was", antwortete er, dann legte er ihr die Hand an die Wange. 

„Aber lass uns nicht mehr darüber reden. Viel wichtiger ist, wie es dir geht. Tut dein Hals weh?", fuhr er fort, doch sie zog die Augenbrauen zusammen und wandte den Blick ab. Wie gerne hätte er in diesem Moment ihre Gedanken lesen können. Denn es schien offensichtlich, dass sie sich noch immer Sorgen machte, was mit ihm passierte. Er seufzte lautlos, denn es wurmte ihn, dass sie anscheinend noch immer Gefühle für ihn hatte. Wahrscheinlich würde nur die Zeit sie von ihm befreien. 

Slice of Life - A New Beginning IWhere stories live. Discover now