Kapitel 92 - Sheila

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Sheila betrachtete Jonathans Gesicht. Sein dunkelbrauner Drei-Tage-Bart kratzte unter ihrer Hand und seine blauen Augen sahen verträumt in ihre dunkelbraunen. In ihr breitete sich ein Gefühl von Geborgenheit aus und sie wusste, dass er derjenige war, den sie liebte. Zwar spukte Ville ihr eindeutig noch zu viel im Kopf herum, doch ihre Gefühle für ihn waren so anders als die für Jonathan. 

Sie lagen auf dem Sofa und sahen sich schon seit einer Ewigkeit einfach nur an, doch es gab ihr so viel Zuversicht, dass sie Ville für eine ganz Zeit verdrängen konnte. 

Das Klingeln an der Haustür ließ sie beide zusammenzucken, dann lachten sie kurz, dass sie sich erschrocken hatten. Jonathan löste sich von ihr und stand auf. 

„Also, bringen wir es hinter uns", sagte er noch, dann ging er zur Haustür und ließ den Kommissar wieder herein. Schnell setzte sie sich auf und richtete ihre Haare ein wenig, dann sah sie gespannt dem Kommissar entgegen. Sie glaubte, eine Spur Anspannung in seinem Blick zu erkennen, aber vielleicht täuschte sie sich auch. Das Deuten von Gesichtsausdrücken war nicht gerade ihre Stärke.

Sie beobachtete ihn, wie er zum Esstisch ging und die Kamera und das Mikrofon in die Hand nahm. Er sah erst zu ihr, dann zu dem Wohnzimmerschrank gegenüber der Wand vom Sofa. Er ging zu dem Schrank, schob ein paar Bücher und Dekoartikel hin und her und versteckte schließlich die Kamera hinter einer künstlichen Pflanze. Dann zog er ein Funkgerät aus seiner Jackentasche und hielt es sich an den Mund. 

„Sehen Sie mich?", fragte er, trat einige Schritte zurück und starrte in die Kamera. 

„Klar und deutlich", kam die kratzige Antwort, dann steckte er das Gerät wieder weg und kam zu ihr. 

„Bleiben Sie möglichst in diesem Bereich. Und starren Sie nicht auf die Kamera", instruierte er sie, quetschte sich an ihr vorbei und legte das Mikrofon auf den Boden unter das Sofa. Mit dem Fuß schob er es weiter darunter, dann ließ er sich mit einem Seufzer neben ihr nieder. 

Sie warf einen Blick zu Jonathan, der die ganze Zeit im Türrahmen gestanden und den Kommissar beobachtete hatte. Er versuchte sie anzulächeln, doch es sah eher nach einer Grimasse aus. 

„Sie wissen, was Sie sagen wollen?", fragte er sie und sie nickte nur. Obwohl sie sich nicht wirklich einen Text ausgedacht hatte, wusste sie, was sie tun musste. 

„Gut. Wenn Sie den Satz sagen, kommen wir rein. Sie sind zu keiner Zeit in Gefahr. Ihr Freund ist die ganze Zeit in der Nähe", fuhr er fort, dann warf er einen kurzen Blick zu Jonathan, der sich ein wenig versteifte. Sheila nickte nur, dann sah sie den Kommissar fragend an. 

„Meine Kollegen draußen haben inzwischen sein Handy geortet. Er ist auf dem Weg hierher. Wenn er weiter mit einem solchen Tempo fährt, wird er in einer halben Stunde hier sein. Sind Sie bereit, ihn zu sehen?", fragte er sie und auf einmal wirkte seine Stimme ungewohnt einfühlsam. Wieder nickte sie, doch dann sah sie hilfesuchend zum Kommissar. 

„Denken Sie an den Code. Sobald er sie angreift, kommen wir sowieso rein. Aber zögern Sie nicht, auch schon früher den Code zu sagen. Wenn Sie sich unwohl fühlen oder die ganze Aktion abbrechen wollen...", fing er an, doch sie unterbrach ihn. 

„Nein. Ich bringe das jetzt zu Ende. Ich will, dass er endlich weg ist", sagte sie mit fester Stimme, woraufhin der Kommissar nickte. Es war ihr sofort klar, dass er nicht wollte, dass sie die Aktion abbrach, denn er schien genau so sehr wie sie Ville hinter Gitter sehen zu wollen. 

„In Ordnung. Sie schaffen das, Sie sind tough", sagte er, dann stand er auf und ging in Richtung Tür. Als er bei Jonathan angekommen war, blieb er kurz vor ihm stehen und sah ihn an. 

„Verabschieden Sie sich für die nächsten Stunden. Wenn Sie fertig sind kommen Sie nach draußen", sagte er zu ihm, dann ging er an ihm vorbei und verschwand durch die Tür. 

Slice of Life - A New Beginning IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt