Kapitel 104 - Sheila

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Sheila klammerte sich an Jonathans Hand, als würde er sie vor dem Ertrinken retten. In gewisser Weise fühlte sie sich auch so, denn so richtig war sie noch nie irgendwelchen Eltern vorgestellt worden. 

Bei Ville war es damals ganz anders gewesen, denn sie kannten sich, seit sie Kinder waren und waren Nachbarn. Außerdem interessierten seine Eltern sich nicht wirklich für ihn und was er so trieb. 

Ganz anders schien es bei Jonathan zu sein, denn obwohl er es nicht eindeutig gesagt hatte, wusste sie, dass zumindest seine Mutter wissen wollte, mit wem ihr Sohn zusammen war. 

„Entspann dich", flüsterte er ihr ins Ohr, aber es fiel ihr nicht leicht. Sie wollte einen guten Eindruck bei seinen Eltern machen, denn es gab nichts Schlimmeres, als wenn die Eltern des Partners einen nicht mochten. 

Unwillkürlich dachte sie an Matthias. Esras Eltern hatten ihn auch nicht sonderlich gemocht, vor allem weil er sie sitzen ließ, als sie mit 14 schwanger geworden war. 

Ein schrilles Klingeln riss sie aus ihren Gedanken und panisch warf sie einen Blick zu Jonathan, doch der lächelte nur und erhob sich langsam von Sofa. Er zog sie mit sich zur Tür, aber bevor er sie öffnete drückte er noch einmal ihre Hand ein wenig fester. Sie setzte ein Lächeln auf, während er die Tür ganz öffnete und sie einen Blick nach draußen werfen konnte. 

Vor der Tür stand eine leicht rundliche Frau mit dicken, dunkelbraunen Haaren. Ihr Gesicht war warmherzig und offen und sie schenkte ihr ein freundliches Lächeln. Kaum dass die Tür geöffnet war, breitete sie die Arme aus und umarmte Jonathan fest. Sheila lächelte, denn es war eindeutig, dass seine Mutter eine herzliche und lebensfrohe Frau war. Hinter ihr stand ein Mann, der ebenfalls lächelte, jedoch etwas zurückhaltender wirkte. Er schien einige Jahre älter zu sein als seine Frau, doch er wirkte ebenso sympathisch. Die grauen Haare trug er streng gescheitelt und er hatte ein kariertes Flanellhemd an. Auch er umarmte kurz Jonathan, doch dann gingen sie an ihm vorbei, während er die Tür schloss. 

Etwas unschlüssig, wie sie reagieren sollte, stand Sheila da und wartete darauf, dass Jonathan sich ihr zuwandte. 

„Das ist Sheila", stellte es sie schließlich vor und legte einen Arm um sie. 

„Hallo", sagte sie mit möglichst fester Stimme und hielt den beiden die Hand hin. Erst nahm seine Mutter sie, dann sein Vater. Beide lächelten und sie konnte nicht anders, als es zu erwidern. Jonathan hatte recht gehabt, sie musste gar nicht nervös sein. Seine Eltern schienen wirklich nett zu sein. 

„Schön dich kennen zu lernen", sagte seine Mutter, doch dann ging sie voran ins Wohnzimmer und setzte sich an den Esstisch. Sie folgten ihr und nahmen ebenfalls am Tisch Platz, auf den Jonathan vorhin noch Gläser und einige Kekse gestellt hatte. Jonathan schüttete ihnen allen ein Glas Wasser ein und nahm sich kurzerhand einen Keks. Sheila musste ein wenig grinsen, denn obwohl sie recht ausgiebig gefrühstückt hatten, konnte sie seinen Magen schon wieder knurren hören. 

„Und wie geht es dir, Junge?", fragte sein Vater schließlich, doch Sheila spürte, dass seine Mutter sie aufmerksam musterte. 

„Ganz gut", sagte Jonathan mit vollem Mund, dann sah er zu Sheila. Sie wusste nicht so recht, ob sie irgendetwas erzählen sollte, denn obwohl sie sich nicht unwohl fühlte, wollte sich nicht unbedingt allzu viel von sich erzählen. Also entschied sie sich, erst einmal zuzuhören, wie Jonathan und seine Eltern sich über Belangloses unterhielten. 

„Jonathan hat erzählt, dass du Tänzerin bist", sprach seine Mutter, Erika, sie plötzlich an. Sheila spürte augenblicklich, dass sie rot wurde, doch schnell riss sie sich zusammen. 

„Ja, ich habe eine klassische Ballettausbildung gemacht", antwortete sie, woraufhin seine Mutter anerkennend die Augenbrauen hochzog. 

„Das klingt anstrengend", fuhr sie fort und Sheila nickte. 

Slice of Life - A New Beginning IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt