Kapitel 151 - Sheila

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Sheila sah Esra schon von Weitem. Sie stand vor dem Nagelstudio, wo sie sich verabredet hatte und als sie sie ebenfalls erkannte, winkte sie. Sheila erwiderte das Winken und war erleichtert, dass Esra offensichtlich gute Laune hatte. 

„Hi", begrüßte Esra sie und breitete die Arme zu einer Umarmung aus. Ein wenig verunsichert umarmte Sheila sie und erwiderte den Gruß. 

„Alles in Ordnung?", fragte sie und Esra nickte. 

„Ich habe mir schon ewig nicht mehr die Nägel machen lassen", sagte sie fröhlich, wandte sich zum Eingang und drückte die Eingangstür auf. Sheila spürte, dass es ihr guttun würde, mit Esra zu quatschen. Sie setzten sich auf zwei freie Plätze nebeneinander und kaum dass sie den Mitarbeitern ihre Hände hinhielten fing Esra an zu plappern. 

„Was gibt es Neues bei dir? Matthias erzählt mir nichts, also bekomme ich nie etwas mit. Wobei er inzwischen mehr mit mir redet als noch vor ein paar Monaten", sagte sie und Sheila grinste. Sie hatte von all den Bekanntschaften ihres Bruders Esra immer am liebsten gemocht. 

„Du kennst ihn doch, er kriegt nie etwas mit. Aber Jonathan und ich ziehen wieder ins Haus von meinem Vater. Beziehungsweise kaufen wir es ihm ab und wollen es umbauen", berichtete sie, was Esra abrupt den Kopf herumreißen ließ. 

„Was? Ihr kauft ein Haus? Ihr kennt euch jetzt wie lange?", fragte sie erstaunt, doch sie schien sich zu freuen. Sheila überlegte, wie lange sie Jonathan nun kannte. 

„Kennengelernt habe ich ihn vor knapp vier Monaten", sagte sie und erst da wurde ihr bewusst, dass es sich viel länger anfühlte. Esra schüttelte den Kopf wie eine Mutter, die ihr Kind bei einer Dummheit erwischt hatte, die eigentlich lustig war. 

„Das ist ziemlich mutig", bemerkte sie, doch Sheila zuckte nur die Schultern. 

„Eher verrückt. Aber ich bin froh, dass er zugestimmt hat. Es wird bestimmt schön, wenn es mal fertig ist", erwiderte sie und Esra nickte. 

„Bestimmt!", rief sie aus und seufzte dann. Fragend sah Sheila sie an, denn offensichtlich schien sie etwas zu bedrücken. 

„Und bei dir? Geht es dir gut?", fragte sie ein wenig ernster, doch Esra sah sie nur ein wenig mitleidig an. 

„Naja, beschweren kann ich mich eigentlich nicht. Aaliyah ist wirklich ein Engel, sie schreit kaum, schläft schon ein paar Stunden am Stück und man kann sie super schnell beruhigen. Und Duygu ist ganz vernarrt in sie", berichtete sie und zuckte sie Schultern. 

„Und Matthias? Hält er sich an Absprachen?", hakte Sheila nach und wieder nickte Esra. 

„Ja, schon. Zwar kommt er meistens zu spät, aber selten mehr als eine Viertelstunde. Da hat er sich wirklich gebessert. Außer als diese Sache mit Jonas war, das hat ihn ziemlich mitgenommen", sagte sie, dann schluckte sie. Sheila dachte daran zurück, wie ihr Bruder wie ein Häufchen Elend bei ihrem Vater im Gästezimmer gelegen und sich vergraben hatte. 

„Stimmt. Aber zum Glück ist da wieder alles in Ordnung", seufzte sie, doch Esra wirkte ein wenig geknickt. Sheila spürte, dass es anscheinend ihr wunder Punkt war. Obwohl sie wusste, dass Matthias mehr als einmal und ziemlich deutlich gesagt hatte, dass er nicht mehr mit ihr zusammen sein wollte, schien sie nicht über ihn hinwegzukommen. 

„Vergiss ihn", sagte sie leise, woraufhin Esra seufzet. 

„Ich versuche es. Im Moment habe ich genug mit Aaliyah zu tun, aber dass er in letzter Zeit so zuverlässig ist, macht es nicht leichter. Es war einfacher, als er noch ein Arschloch war", sagte sie resigniert und schnalzte mit der Zunge. 

„Aber ich will dich nicht damit nerven. Ich spiele immer die gleiche Leier", fuhr sie fort und setzte wieder ein Lächeln auf. Sheila zwang sich, ebenfalls zu lächeln, denn sie konnte nachvollziehen, wie sie sich fühlte. Sie war verliebt in jemanden, der unerreichbar war. Noch vor ein paar Monaten hatte sie sich auch so gefühlt, denn sie war in den Ville verliebt, der durch die Drogen in unerreichbare Ferne gerückt war. Doch seit sie Jonathan kannte, schien das alles unbedeutend zu werden.

„Vielleicht musst du einfach nur jemand Neues kennen lernen. Es gibt bestimmt viele Typen, dich dich mögen", versuchte Sheila sie ein wenig auszubauen, doch sie lachte nur. 

„Ja, klar. Kinder kommen meistens nicht so gut. Vor allem in meinem Alter", lachte sie ein wenig verbittert, doch Sheila stieß einen verächtlichen Seufzer aus. 

„Wenn jemand dich nicht wegen deiner Kinder will, ist er sowieso ein Idiot!", sagte sie, was Esra tatsächlich zum Lachen brachte. 

„Wir finden schon jemanden für dich", sagte sie noch, aber Esra schüttelte nur den Kopf. 

„Ja klar", erwiderte sie, doch Sheila sah ein Glänzen in ihren Augen.

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Nachdem sie im Nagelstudio fertig waren, tranken sie noch einen Kaffee zusammen, dann verabschiedeten sie sich. Es hatte richtig gut getan, mit Esra zu reden und sie fragte sich nicht zum ersten Mal, warum sie sich nicht öfter trafen. 

Als sie in ihr Auto stieg und einen Blick auf die Uhr am Radio warf, durchfuhr sie ein kleiner Schock. Es war schon viel später, als sie erwartete hatte und eigentlich müsste sich schon auf dem Weg zu ihrem Vater sein. Eilig wählte sie Jonathans Nummer, der sich schon nach dem ersten Klingeln meldete. 

„Ich bin in zehn Minuten da, kommst du schon nach unten? Ich habe die Zeit ganz vergessen", sagte sie gehetzt und startete den Motor. 

„Mach ich. Fahr vorsichtig, okay?", versicherte er sich, doch sie brummte nur etwas, dann legte sie auf und trat das Gaspedal durch.

Jonathan stand schon an der Straße, als sie an seinem Haus vorbei fuhr. Sie hielt mitten auf der Straße an und ließ ihn einsteigen. 

„Hey", begrüßte er sie, drückte kurz ihr Knie und küsste sie auf die Wange. Doch Sheila beeilte sich, weiterzufahren. Sie hatten viel zu besprechen und sie wollte nicht noch mehr zu spät kommen. 

„Wie war es?", erkundigte sie sich und langsam löste sich der Stress, doch stattdessen war sie nervös. 

„Gut, wir haben viel gequatscht. Guck mal meine Nägel", antwortete sie und hielt ihm eine Hand hin. Er nahm sie in seine eigene und betrachtete ihre künstlichen, gold-glitzernden Nägel. 

„Hübsch", kommentierte er und lächelte, dann legte er den Kopf schief. 

„Mach dir doch nicht so einen Stress, weil wir zehn Minuten zu spät kommen", sagte er mit ruhiger Stimme, doch sie winkte ab. 

„Ich bin nur nervös", log sie, was ihn grinsen ließ. Anscheinend durchschaute er sie. 

„Ich mag es nicht, wenn ich zu spät komme", sagte sie genervt, doch er legte ihr beruhigend eine Hand aufs Knie. 

„Mach dich nicht verrückt. Aber ich bin auch ziemlich aufgeregt", gestand er kleinlaut und kicherte. Sheila entspannte sich ein wenig, doch sie fuhr noch immer etwas zu schnell, damit sie zumindest ein paar Minuten wieder rausholen konnte.

Slice of Life - A New Beginning IWhere stories live. Discover now