Kapitel 76 - Sheila

7 2 0
                                    

Sheila warf Jonathan einen fragenden Blick zu, doch er sah sie nur genauso fragend an. 

„Was machen wir jetzt?", fragte er sie, doch sie hatte keine Antwort. Noch immer pochte ihr Herz viel zu schnell und ihre Gedanken wanderten immer wieder zu Ville. Sie glaubte nicht wirklich, dass ein paar Tage reichen würden, um ihn abzuwimmeln, aber ihr war klar, dass sie es versuchen musste. Der Kommissar wollte nur das Beste für sie und es schien ihm wirklich ernst gewesen zu sein. 

„Ich weiß nicht. Er scheint es ernst gemeint zu haben und Ville wird wissen, dass ich entweder bei dir, meinem Vater oder Matthias sein werde, wenn ich nicht zu Hause bin. Trotzdem kommt es mir vor wie eine Flucht", sagte sie und er nickte. 

„Ist es im Prinzip ja auch. Aber anscheinend hält er sich nicht an das Kontaktverbot. Es scheint ihm egal zu sein, wenn er noch zehn Mal von der Polizei abgeholt wird", stellte Jonathan fest, dann drückte er sich von der Küchenzeile ab, an der er die ganze Zeit gelehnt hatte und setzte sich neben sie auf das Sofa. Sofort suchte sie seine Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen. Natürlich war der Vorschlag des Kommissars vernünftig, doch gleichzeitig wollte sie nicht vor Ville weglaufen. 

„Ich könnte ihm sagen, dass er mich in Ruhe lassen soll", hörte sie sich sagen, wusste aber augenblicklich, dass dieser Vorschlag auf Widerstand treffen würde. 

„Nein", sagte Jonathan bestimmt und nahm ihr Gesicht in die Hände, sodass sie ihn ansehen musste. 

„Auf keinen Fall. Das ist genau das, was er will. Und du selbst meintest doch, dass er dich noch so leicht bequatschen kann. Bitte tu es nicht", sagte er eindringlich, dann zog er mit schmerzverzerrtem Blick die Augenbrauen zusammen. Bei seinem Anblick wurde ihr mulmig zumute. Sie wollte ihn nicht verletzen, denn es war klar, dass er recht hatte. Sie war noch nicht soweit, dass seine Worte sie kaltließen. 

„Du hast recht. War eine blöde Idee. Aber du musst nicht mitkommen. Du musst doch arbeiten", sagte sie leise, allerdings wollte sie eigentlich genau das Gegenteil. Sie wollte nicht, dass er sie allein fahren ließ. Er schnaubte.

„Ich kann theoretisch arbeiten wann ich will. Und das hier ist viel wichtiger. Ich lasse dich nicht allein, außer du willst allein sein", sagte er prompt und sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. 

„Danke", flüsterte sie, dann wand sie sich aus seinem Griff, rutschte auf seinen Schoß und schlang die Arme um ihn. 

„Nicht dafür", nuschelte er in ihr Haar, doch Sheila wusste, dass das nicht selbstverständlich war. Er hätte sie auch allein wegschicken können, damit er selbst einmal Abstand von dem ganzen Mist bekam. Doch das hatte er nicht getan. Er würde bei ihr bleiben, auch wenn das hieß, dass sie für einige Tage verschwinden mussten.

********************************************

Sheila betrachtete ihn wie er schlief. Sein Mund war leicht geöffnet und er schnarchte. Sie hätte ihn stundenlang einfach nur ansehen können, wäre sie nicht so unruhig. Ständig hatte sie das Gefühl, sich umdrehen zu müssen oder sie verspürte den Drang, auf und ab zu gehen. 

Kurzentschlossen stand sie möglichst leise auf, um ihn nicht zu wecken, griff nach ihrem Handy und schlich sich ins Wohnzimmer. Dort setzte sie sich auf das Sofa, kuschelte sich in eine Decke und tippte eine Nachricht an Johnny. Obwohl es mitten in der Nacht war, hoffte sie, dass er antwortete. Wie gebannt starrte sie auf ihr Handy, doch nichts geschah. Wahrscheinlich schlief er seelenruhig, während sie nicht schlafen konnte und fast durchdrehte. 

Nach ein paar Sekunden schlug sie die Decke wieder zurück und ging ins Bad. Dort stützte sie sich mit den Händen auf dem kalten Waschbecken ab und betrachtete sich im Spiegel. Erst da fiel ihr auf, dass sie sich schon lange nicht mehr betrachtet hatte. Sie musste zugeben, dass sie schrecklich aussah. 

Slice of Life - A New Beginning IWhere stories live. Discover now