Kapitel 166 - Jonathan

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Jonathan fühlte sich ein wenig unbehaglich, mit ihr über ein so sensibles Thema zu sprechen, doch es schien ihr wichtig zu sein. Er fuhr los und schwieg, denn er wollte weder über jemanden urteilen, den er erst seit ein paar Wochen kannte noch wollte er sich vorstellen, dass sie mit jemand anders zusammen war als mit ihm. Gerade wo sie erst seit so kurzer Zeit von Ville getrennt war. 

Er spürte, wie sie ihn musterte, aber er ignorierte es. Sheila rutschte etwas tiefer in ihren Sitz und betrachtete ihre Finger. 

„Ich mache mir nur Sorgen um ihn, weil er normalerweise so etwas nicht vor mir verheimlicht hätte. Irgendetwas muss anders sein, sie können sich nicht normal gestritten haben, denn das hätte er mir erzählt", sagte sie leise. 

„Mach dir nicht so viele Gedanken. Wenn er es dir erzählen will, dann wird er es auch tun. Vielleicht will er ja am Dienstag darüber reden", versuchte er sie abzulenken, doch es gelang ihm nicht wirklich.

„Vielleicht. Ich glaube, ich würde dir verzeihen, wenn du fremdgehst. So lange es nur einmal war und ein Ausrutscher", sagte sie schließlich und Jonathan spürte, dass sie das schon die ganze Zeit hatte sagen wollen. Warum es ihr so wichtig war, konnte er nicht wirklich sagen, denn darüber würde sie sich keine Gedanken machen müssen. 

„Das solltest du aber nicht", erwiderte er und sah sie kurz an und ihre Blicke trafen sich. 

„So was passiert schnell", gab sie schulterzuckend zurück, was ihn den Kopf schütteln ließ. 

„So was passiert doch nicht schnell", widersprach er ihr, doch sie zuckte nur die Schultern. Ungläubig sah er sie an, denn er begriff noch nicht ganz, auf was sie hinauswollte. 

„Warum sagst du so etwas?", fragte er, als sie keine Anstalten machte, sich zu erklären. 

„Ich weiß eigentlich nicht genau. Mich interessiert es einfach nur, wie du über solche Dinge denkst", antwortete sie und es klang ehrlich. Vielleicht dachte sie dabei an ihren Bruder, vielleicht war sie wirklich nur neugierig. Jonathan überlegte, was er dazu sagen sollte. Er wollte nicht, dass sie den Eindruck hatte, nicht über alles mit ihm reden zu können. 

„Es kommt immer auf die Umstände an, man kann es nicht pauschal sagen. Aber ich denke, dass es ein Unterschied ist, ob man betrunken einen Fehler macht oder es eine Affäre ist", sagte er schließlich, woraufhin sie nickte.

„Stimmt. Mein Bruder hat früher ziemliche viele betrunkene Fehler gemacht", lachte sie dann und er war erleichtert, dass sie wieder etwas weniger ernst war. 

„So genau will ich das gar nicht wissen", gab er zu, denn er konnte sich ihren Bruder nicht wirklich so vorstellen. 

„Vielleicht hat er sogar irgendwo Kinder, von denen er nichts weiß", fuhr sie fort, doch dieses Mal lachte sie nicht. 

„Meinst du?", fragte er überrascht und sie nickte. „Als er so 18 oder 19 war, ist er jedes Wochenende mit Oskar weggegangen und er hat ziemlich oft Mädels mit nach Hause gebracht", erzählte sie und Jonathan versuchte das mit dem Eindruck, den er bisher von Matthias hatte, in Einklang zu bringen. Es wollte ihm nicht wirklich gelingen. 

„Er hat sich verändert. Seit er mit Jonas zusammen ist, scheint er ein anderer Mensch zu sein", fuhr sie fort, doch dann senkte sie den Blick. 

„Ich mache mir einfach nur Sorgen um ihn", sagte sie schließlich und lehnte den Kopf gegen die Scheibe. 

„Ruf ihn doch morgen mal an", schlug er vor und sie nickte. 

„Mach ich. Mehr als mich abwimmeln kann er nicht", erwiderte sie, dann schloss sie die Augen. Jonathan trat das Gaspedal weiter durch, denn er wollte schnell nach Hause. 

Obwohl sie nur zwei Stunden gearbeitet hatten, fühlte er sich erschöpft. Er war die Schlepperei nicht gewöhnt und er würde mit Sicherheit morgen Muskelkater haben. Doch er fand, dass es sich gelohnt hatte. Immerhin sah der Dachboden schon um einiges besser aus als vorher.

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Kurze Zeit später ließ er sich erschöpft auf sein Sofa fallen und Sheila tat es ihm gleich. Auch sie schien von der ungewohnten Arbeit erschöpft zu sein. 

„Kommst du mit duschen?", fragte er und spürte, wie er rot wurde. Obwohl es ihm nicht peinlich sein musste, war es ihm unangenehm, was für eine Wirkung ihr Körper auf seinen hatte. Sie sah ihm lange und intensiv in die Augen, dann nickte sie und lächelte. 

„Wir sollten uns möglichst bald den Vertrag durchlesen. Ich gehe zwar davon aus, dass er in Ordnung ist, aber zumindest sollten wir ihn uns ansehen", sagte sie, dann stand sie auf und ging in Richtung Schlafzimmer. Er folgte ihr, doch er blieb im Türrahmen stehen und beobachtete, wie sie sich frische Klamotten aus ihrer Reisetasche holte. 

„Das könnten wir morgen machen", antwortete er, dann kam sie wieder zum ihm. 

„Okay. Ich könnte auch noch ein paar neue Klamotten gebrauchen. Aber vielleicht hole ich mir erst neues Zeug, wenn das Haus fertig ist. Sonst wird es hier noch voller", sagte sie, drückte sich an ihm vorbei und ging zum Bad. Wieder dackelte er ihr hinterher und sie wandte sich auf halben Weg zu ihm um. 

„Was ist eigentlich mit deinem Kumpel? Fahren wir zu ihm nach Hause oder treffen wir uns irgendwo?", fragte sie und er sah sie überrascht an. Er hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass sie sich ja am Wochenende mit Karl und Laura treffen wollten. Verlegen kratzte er sich am Kopf, denn so weit waren sie noch gar nicht mit der Planung. 

„Ich rufe ihn morgen mal an und frage ihn. Wir könnten uns auch hier treffen, wenn dir das lieber ist", sagte er, doch sie zuckte die Schultern. 

„Mir ist es egal, Hauptsache ist, dass du dabei bist", grinste sie, dann klemmte sie sich ihre Sachen unter den Arm, griff nach seiner Hand und zog ihn ins Bad. 

Slice of Life - A New Beginning IWhere stories live. Discover now