Kapitel 63 - Sheila

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Es fühlte sich komisch an, in dieser Situation so ausgelassen zu lachen, doch Sheila konnte sich nicht mehr zurückhalten. Einerseits tat es gut, andererseits war es zu absurd. 

Ville hatte gerade versucht, zu ihr zu kommen und nur durch einen Zufall war er genau gleichzeitig mit Jonathan angekommen. Sie war unglaublich stolz auf ihn, dass er sich ihm in den Weg gestellt hatte. Auch wenn er es so erzählt hatte, dass er ihn nur mit Hilfe hatte aufhalten können, schlug ihr Herz schneller. Sie fand ihn unglaublich mutig, denn sie wusste nur zu gut, wie einschüchternd Ville sein konnte. Zwar war er nicht sonderlich kräftig gebaut, doch er konnte einen nur mit seinem Blick verunsichern. Sie hatte sich zur Sicherheit ins Bad eingeschlossen, aber sie hatte eigentlich nicht damit gerechnet, dass Ville an ihm, Matthias und Jonas vorbeigekommen wäre. Obwohl ihre drei Beschützer sich wahrscheinlich nur selbst verletzt hätten, hätten sie ihn schlagen müssen um ihn aufzuhalten. 

Nachdem sie sich alle von ihrem Lachanfall auf Matthias Kosten erholt hatten, ließen sie sie mit Jonathan allein. Matthias versprach, spätestens morgen bei ihrer Entlassung vorbei zu kommen. Sie nickte noch, doch sobald die beiden die Tür hinter sich geschlossen hatten, richtete sie sich ein wenig auf, damit sie Jonathan küssen konnte. Ein Kribbeln breitete sich in ihr aus und sie konnte es kaum erwarten, endlich wieder in seinen Armen einzuschlafen. Sie spürte, wie sein Griff um ihre Hand fester wurde und er ihr einen intensiven Blick zuwarf. 

„Hast du dir schon überlegt, wo du morgen nach deiner Entlassung hinwillst?", fragte er sie, doch bei diesem Blick von ihm kam ihr nur eine Antwort in den Sinn. Sie wollte nur bei ihm sein. Schnell zog sie ihr Handy wieder hervor und tippte ihm eine Nachricht. 

„Am liebsten würde ich bei dir bleiben", schrieb sie und hielt ihm ihr Handy hin, damit er die Nachricht lesen konnte. Ein Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. 

„Das hatte ich gehofft", sagte er und strich ihr über die Wange. Sie schloss die Augen und genoss die Wärme seiner Finger auf ihrer Haut. Plötzlich kam ihr eine Idee. 

„Wenn du Lust hast, könnten wir uns morgen den ganzen Tag Filme ansehen. Einfach auf dem Sofa liegen, kuscheln und an nichts denken", schrieb sie, denn das war genau das, was sie wollte. Sie wollte endlich die Gedanken an Ville loswerden, die ihr noch immer Unbehagen bereiteten. Sie wollte sich nicht mehr damit auseinandersetzen, ob sie es nun Schuld war, dass er ins Gefängnis musste oder nicht. Sie wollte nicht mehr daran denken, was für Gefühle er noch immer in ihr auslöste und sie wollte nicht daran denken, was er mit ihr machte, wenn sie mit ihm alleine wäre. 

„Das klingt nach einer guten Idee. Du entspannst dich und kurierst dich ganz in Ruhe aus", sagte er und sie nickte. 

„Wir können alles machen, auf was du Lust hast", fügte er an, dann presste er ihr noch einen Kuss aufs Haar.

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Der Tag verging viel schneller als der letzte. Jonathan war bis zum Abend bei ihr geblieben und erst als die Krankenschwester ihn rausschmiss, ging er widerwillig. Mit jeder Sekunde, die sie mit ihm verbrachte wurde ihr bewusst, dass sie wirklich Glück hatte, ihn kennengelernt zu haben. Mit ihm schien sie alle Sorgen vergessen zu können. 

Nachdem am frühen Abend kurz ihr Vater und Lisa zu Besuch gekommen waren, hatte sie noch einmal zwei Joghurts zu essen bekommen. Obwohl sie den ganzen Tag über nur wenig gegessen hatte, fühlte sie sich nicht hungrig. Denn beim Schlucken schmerzte ihr Hals noch unangenehm, sodass sie keine Lust aufs Essen hatte. 

Nun lag sie allein in ihrem Zimmer, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und den Blick an die Decke gerichtet. Draußen war es bereits dunkel, doch immer wenn draußen ein Auto vorbeifuhr, zog sich ein heller Lichtstrahl über die Zimmerdecke. Eine Weile beobachtete sie das Spiel von Licht und Schatten, anschließend drehte sie sich auf die Seite und schrieb eine Nachricht an Jonathan. Sie hatte ihn zwar den ganzen Tag gesehen, aber trotzdem vermisste sie ihn schon. 

„Ich vermisse dich schon. Zum Glück kann ich morgen endlich hier raus und zu dir", schrieb sie und wieder musste sie keine Minute auf seine Antwort warten. 

„Ich vermisse dich auch. Am liebsten wäre ich gar nicht gegangen. Und falls du wieder denkst, du würdest mich nerven, wenn du bei mir bist, mach dir darüber mal keine Gedanken. Ich würde dich am liebsten für immer bei mir behalten", antwortete er und sie musste lächeln. Er war so süß. 

Natürlich hatte sie daran gedacht, dass sie sich nicht einfach wie ein Parasit bei ihm einnisten konnte, auch wenn sie es am liebsten getan hätte. Früher oder später würde sie nach Hause zurück müssen. Vielleicht würde sie alle Möbel umstellen und alles was sie an Ville erinnerte, würde sie wegschmeißen.

Vielleicht konnte er ihr dabei helfen, denn sie würde mit Sicherheit Dinge finden, an denen glückliche Erinnerungen an die Zeit mit Ville hingen. Die Bilder, die er für sie gemalt hatte zum Beispiel. Kurz blitzte in ihrem Kopf der Gedanke auf, dass sie sie alle zerreißen und dann verbrennen könnte, doch das würde sie nicht übers Herz bringen. Immerhin hatte er an manchen Bildern wirklich lange gearbeitet und sie waren viel zu perfekt, um sie wegzuschmeißen. Aber sehen wollte sie sie auch nicht mehr. 

Doch darüber würde sie sich noch Gedanken machen, wenn es soweit war. Jetzt musste sie erst einmal schlafen, damit die Zeit schneller verging, bis sie Jonathan wiedersehen konnte. 

Slice of Life - A New Beginning IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt