Kapitel 77 - Sheila

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Einige Stunden später wachte Sheila mit schmerzenden Gliedern auf. Sie fand sich auf dem Sofa wieder, doch Jonathan war nicht da. Leicht panisch fuhr sie hoch, aber da hörte sie die Klospülung. Einen kurzen Moment lang hatte sie Angst gehabt, er sei verschwunden, doch nun machte sie sich Vorwürfe. Er würde sie sicherlich nicht allein lassen. 

Sie ließ sich wieder in die Kissen sinken und lauschte dem Geräusch von plätscherndem Wasser. Anscheinend duschte er. Sie schloss die Augen und dachte an die vergangene Nacht zurück, wie sie in diesen albernen Buch gemeinsam gelesen hatten. Natürlich war es albern, doch es war genau die Ablenkung gewesen, die sie gebraucht hatte. 

Einen Moment lang lauschte sie noch, doch dann stand sie auf und schlich sich zum Bad. Es war eher eine spontane Idee gewesen und vorsichtig drückte sie die Klinke nach unten und öffnete die Tür. Offensichtlich hatte Jonathan sie noch nicht bemerkt, denn der Duschvorhang war noch immer vorgezogen. Leise schlüpfte sie aus ihrem Schlafanzug, dann schob sie den Vorhang beiseite. Jonathan stieß einen schreckhaften Laut aus und zuckte zusammen, doch dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. 

„Oh", sagte er nur, dann spürte sie, dass er sie unverhohlen betrachtete. Sie stieg zu ihm in die Badewanne und zog den Vorhang wieder zu, dann umarmte sie ihn fest, legte den Kopf auf seine Schulter und ließ sich von dem heißen Wasser berieseln. Jonathan schlang die Arme um sie und sie spürte, dass sein Körper auf sie reagierte. Sie fing an, ihn zu streicheln und sie spürte unter ihrer Hand an seiner Brust, dass sein Herzschlag sich beschleunigte. 

„Ich liebe dich", flüsterte sie, dann küsste sie ihn.

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Eine halbe Stunde später saßen sie gemeinsam am Esstisch und frühstückten. Immer wieder warf Jonathan ihr verstohlene Blicke zu, offensichtlich noch immer überrascht von ihrem Überfall in der Badewanne. 

„Ich würde gleich noch einmal zu meinem Vater fahren. Er sollte wissen, dass wir ein paar Tage wegfahren, damit er sich keine Sorgen macht", sagte sie nach einer Weile, woraufhin Jonathan nickte. 

„Soll ich dich schnell fahren?", fragte er und erst da fiel ihr wieder ein, dass sie ja gar kein Auto hier hatte. 

„Ach, ich nehme den Bus. Mach dir keine Umstände", sagte sie schnell, denn es war ihr ein wenig unangenehm, dass sie in den letzten Tagen durch die Gegend chauffiert worden war. 

„Das ist kein Problem. Ich fahre dich schnell", erwiderte in bestimmtem Ton, der keine Widerrede zuließ. Sie seufzte resigniert, doch sie musste zugeben, dass sie lieber gefahren wurde, als sich in einen vollen Bus zu quetschen. 

„Musst du nicht Mittwoch noch einmal ins Krankenhaus zur Untersuchung?", warf Jonathan ein und sah sie mit aufgerissenen Augen an. Hätte er sie nicht an den Termin erinnert, hätte sie ihn total vergessen. 

„Stimmt. Vielleicht kann ich ja anrufen und fragen, ob ich heute kommen kann", schlug sie schulterzuckend vor, doch bei dem Gedanken daran, wieder ins Krankenhaus zu müssen, durchlief sie ein Schauer. Auch wenn die Untersuchung nicht lange dauern würde, hatte sie keine Lust dazu. 

„Mach das", bestätigte er sie, dann schob er sich den letzten Bissen seines Käsebrots in den Mund, dann lehnte er sich mit einem genüsslichen Seufzen zurück und streckte sich. Er schien ziemlich zufrieden zu sein, was Sheila zum Grinsen brachte. 

„Gute Laune, was?", fragte sie und erntete ein verschmitztes Grinsen. 

„Bisher war mein Morgen ziemlich schön", sagte er mit einem Zwinkern, doch dann stand er auf und fing an, den Tisch abzuräumen. Gerade als sie aufstand, um ihm zu helfen, sah er sie mit hochgezogener Augenbraue an. 

„Ich mach das schon. Du könntest schon einmal versuchen, im Krankenhaus anzurufen", sagte er und sah sie abwartend an. Sie nickte, dann stand sie auf und ging zum Sofa, wo ihr Handy noch immer lag. Schnell suchte sie die Nummer im Internet heraus und wählte sie. Nachdem sie einer missmutigen Frau am anderen Ende der Leitung kurz ihre Situation erklärt hatte, stimmte diese zu, dass sie schon heute Mittag vorbeikommen konnte. Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, streckte sie den Daumen nach oben, denn Jonathan sah sie wieder fragend an. 

„Sehr gut. Vielleicht sollten wir schon ein paar Sachen packen und alles mitnehmen", schlug er vor und schnell nickte sie. Auf einmal war sie ganz aufgeregt. 

„Wohin sollen wir denn fahren? Ich habe keine Ahnung, wo wir hin sollen", plapperte sie drauf los, dann erhob sie sich und ging zu ihm. Jonathan schien eine Idee zu haben, doch er schien noch abzuschätzen, ob sie gut war oder nicht. 

„Meine Eltern haben ein kleines Ferienhaus in der Lüneburger Heide. Zu dieser Jahreszeit steht es immer leer. Sie werden nichts dagegen haben, dass wir ein paar Tage dort sind. Ich glaube nicht, dass er uns dort finden wird", schlug er vor, doch er schien unsicher zu sein, ob sie die Idee gut fand. 

Kurz überlegte sie, ob Ville es irgendwie herausfinden konnte, doch das erschien ihr unwahrscheinlich. Der Kommissar würde ihm schon klar machen, dass er sie in Ruhe lassen sollte und vielleicht könnte sie Oskar bitten, ihn ein bisschen im Auge zu behalten. 

„Okay", sagte sie nur und Jonathans Augen strahlten. Sie ahnte, dass er irgendeine Überraschung plante. Vielleicht stellte sich dieses Ferienhaus als super romantisch heraus, mit einem riesigen Kamin und Schaffellen davor. Bei dem Gedanken daran musste sich lächeln, denn gegen ein paar romantische Tage mit ihm hatte sie absolut nichts einzuwenden. 

„Na komm, machen wir uns auf den Weg", riss er sie aus ihren Gedanken und zog sie an der Hand ins Schlafzimmer.

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„Was meinst du, wie lange wir bleiben?", fragte er sie, als er vor seinem geöffneten Kleiderschrank stand. 

„Ich habe keine Ahnung. Vielleicht könnten wir zwischendurch den Kommissar anrufen und ihn nach seiner Meinung fragen", schlug sie vor, doch sie war sich nicht wirklich sicher, ob der Kommissar für so etwas Zeit hatte. Allerdings musste sie zugeben, dass er ziemlich besorgt um sie zu sein schien. 

„Er wollte dich doch anrufen, wenn wir losfahren sollen. Wir könnten ihn da fragen", sagte er und fing an, ein paar Klamotten aus seinem Schrank zu kramen. 

„Stimmt", erwiderte sie, dann stopfte sie seine Klamotten in ihre Tasche.

Nachdem sie alles eingepackt hatten, machten sie sich auf den Weg zu ihrem Vater. Sobald sie nach draußen getreten war, blickte sie sich suchend um. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass Ville sie beobachtete. Doch sie konnte ihn nicht entdecken. Jonathan griff nach ihrer Hand und zog sie schnell zum Auto. Anscheinend spürte er, dass sie sich nicht recht wohlfühlte. 

Mit pochendem Herzen stieg sie ein, während Jonathan ihr Gepäck im Kofferraum verstaute. Würde Ville sie nun sehen, würde er wissen, dass sie wegfuhren, schlich es sich in ihre Gedanken. Schnell schob sie diesen Gedanken beiseite und wartete, bis Jonathan ebenfalls eingestiegen war. Sie drückte sie den Pin zur Verriegelung an ihrer Tür nach unten, was ihr einen besorgten Blick von Jonathan einhandelte. Doch er blieb stumm, startete den Motor und fuhr los. 

Slice of Life - A New Beginning IWhere stories live. Discover now