Kapitel 155 - Sheila

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Die nächsten Tage waren einfach nur schön. Allmählich gewöhnte sie sich daran, sich den Tag über allein zu beschäftigen, da Jonathan arbeitete. Obwohl es genau so wie bei Ville war, kam es ihr anders vor. Vielleicht, weil er zwischendurch immer aus seinem Studio kam und nach ihr sah, oder weil sie sich keine Gedanken mehr zu machen brauchte, ob ihr Freund am Abend vollkommen drauf nach Hause kommen würde. 

Darren hatte sich noch nicht gemeldet, also nahm sie an, dass er noch immer mit dem Planen beschäftigt war. 

Sie nahm sich eine Schüssel Salzbrezeln und setzte sich an den Esstisch. Kurz musste sie schmunzeln, wie schnell man doch in einer Beziehung die Gewohnheiten des Anderen übernahm, denn sie selbst hatte selten Salzbrezeln gegessen, bevor sie Jonathan kennengelernt hatte. 

Doch sie hatte sich für heute etwas vorgenommen. Sie wollte noch einmal im Internet nach freien Stellen recherchieren. Immerhin war sie nur noch knapp eineinhalb Monate krankgeschrieben und sie sollte sich langsam ernsthafter mit der Jobsuche beschäftigen. 

Sie zog den Laptop näher zu sich heran, griff nach dem bereit gelegten Zettel und Stift und fing an zu recherchieren. Beim letzten Mal hatte sie zwar schon einige interessante Stellenausschreibungen gefunden, doch sie wollte nun alle aufschreiben und sich dann auch bewerben.

Nachdem sie sich eine gute Stunde durch die verschiedenen Seiten geklickt hatte, warf sie den Stift beiseite, stützte die Stirn in die Hände und seufzte. Sie hatte es sich nicht so zermürbend vorgestellt, denn obwohl sie nicht bereute, dass sie Tänzerin geworden war, frustrierte es sie, dass man für jede Stelle eine Million Jahre Berufserfahrung und eine ganz bestimmt Ausbildung haben musste. 

„Hey, was machst du?", riss Jonathans Stimme sie aus ihren Gedanken und sie schreckte zusammen. Sie hatte gar nicht gehört, wie er zu ihr gekommen war. Schnell hob sie den Kopf und sah ihn resigniert an. 

„Ach, ich habe nur nach einem Job gesucht. Ist ziemlich frustrierend", stöhnte sie, während er sich einen Stuhl heranzog und sich neben sie setzte. Er griff nach dem Zettel und las durch, was sie sich aufgeschrieben hatte. Neugierig wartete sie seine Reaktion ab und beinahe erwartete sie, dass er sie auslachen würde. 

Nach einer Weile legte er den Zettel wieder auf den Tisch, faltete die Hände und sah sie eindringlich an. 

„Du weißt, dass es nicht schlimm ist, wenn du nicht direkt etwas findest, oder?", fragte er und lehnte sich ein wenig mehr in ihre Richtung. Sie zuckte die Schultern, doch eigentlich hatte sie keine Wahl, wenn sie nicht auf Kosten anderer leben wollte. 

„Ich will aber wieder etwas machen. Ich sitze den ganzen Tag nur zu Hause. Ich hätte einfach gerne wieder eine Beschäftigung. Außerdem will ich dir nicht auf der Tasche liegen", sagte sie und schluckte schwer. Jonathan zog die Augenbrauen zusammen und legte seine Hand auf ihren Unterarm. 

„Wenn du willst, kann ich dir helfen", schlug er schließlich vor, doch er hatte eine Sekunde zu lang gezögert. Eigentlich hatte er etwas anderes sagen wollen, aber sie nickte nur. Sie wollte ihn nicht ausquetschen und freute sich einfach über seine Hilfsbereitschaft. Sie nahm sich noch einen Salzbrezel und er griff ebenfalls in die Schüssel, dann tippte sie mit dem Finger auf den Zettel. 

„Ich habe nicht wirklich große Auswahl, da ich eine ziemlich spezialisierte Ausbildung habe", fing sie an und er nickte. 

„Dein Vater klang so, als wäre er nicht begeistert, wenn du wieder zu Vortanzen gehen würdest", merkte er an und sie nickte. Sheila dachte an den Tag, der ihr Leben aus den Bahnen geworfen hatte. Sie war eine gute Solotänzerin gewesen, doch sie wurde einfach rausgekickt, als man erfuhr, dass sie eine schwere Zeit durchmachte. Noch vor ein paar Wochen hätte sie gesagt, dass sie psychische Probleme hatte, aber irgendwie schien das immer mehr zu verschwinden. Sicher, sie würde für immer ihre Narben behalten, doch sie fühlte sich stabil. Sie riss sich von den Gedanken der Vergangenheit los und lächelte Jonathan an. 

Slice of Life - A New Beginning IWhere stories live. Discover now