Kapitel 73 - Sheila

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Der Anwalt erinnerte Sheila irgendwie an Saul Goodman aus Breaking Bad. Sie erwartete, dass er jeden Moment einen fiesen Trick vorschlug, um Ville möglichst lange einzusperren, doch sie wurde enttäuscht. Als er den Mund aufmachte, wirkte er ganz und gar nicht mehr wie Saul. Seine Stimme war hochgestochen, dennoch schien er sympathisch zu sein. 

Sie blickte sich noch einmal in seinem Büro um, das von einem riesigen Holztisch mit Verzierungen an den Beinen dominiert wurde. Die Wände waren vollgestellt mit Bücherregalen und ein riesiger Aktenschrank stand neben der Tür. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder dem Anwalt zu. Er wirkte groß und bullig, seine Haare kringelten sich in hellbraunen Locken auf seinem Kopf und seine Augen schienen wässrig blau zu sein. Sie schätzte ihn auf Mitte vierzig und sie bemerkte einen Ehering an seinem Finger. Auf dem Namensschild an der Tür seines Büros war sein Name zu lesen gewesen. Er hieß Dietmar Hölderlein und sie fand, dass der Name zu ihm passte. 

Nachdem Sheila und ihr Vater sich auf bequeme gepolsterte Sessel gesetzt hatten, lächelte er sie an. 

„Ich habe bereits mit Kommissar Bergling gesprochen und er ist der gleichen Meinung wie ich, dass wir versuchen wollen, die höchstmögliche Strafe für Herrn Müller zu erwirken", begann er und sofort sank Sheila das Herz in die Hose. Anscheinend sah der Anwalt ebenso wie der Kommissar Ville als jemanden, der ihren Zorn auf sich lud. Sie schluckte, doch sie brachte kein Wort heraus. 

„Die Frage ist nur, wie wir es am besten angehen können. Kommissar Bergling hat mir gesagt, dass Herr Müller gestanden hat. Zufälligerweise habe ich seine Aussage hier", fuhr er fort und legte die Hand auf ein Blatt Papier auf seinem Tisch, das ihr bisher noch nicht aufgefallen war. Sie schielte darauf, doch sie wusste, dass darauf nichts als die Wahrheit stand. 

„Am besten wäre es, wenn ich Ihnen die Aussage vorlese und sie sagen, ob es wirklich so passiert ist, oder nicht", schlug Herr Hölderlein vor und warf abwechselnd ihr und ihrem Vater einen Blick zu. Sie spürte, dass auch ihr Vater sie musterte. Anscheinend sollte sie entscheiden, ob es in Ordnung war. Sie nickte kurz, dann schloss sie die Augen und lauschte den Worten des Anwalts.

Sie hatte sich nicht getäuscht. Ville hatte alles ganz genau so erzählt, wie es abgelaufen war. Es schmerzte sie, seine Gefühle nun zu kennen, denn er hatte ausführlich berichtet, wie er sich gefühlt hatte. Doch die Frage nach dem Warum hatte er nicht recht beantworten können. Zwar habe er die Idee schon vorher gehabt, dass er sie würgen könnte, wenn sie ihn ablehnte, aber richtig geplant hatte er es nicht. Es war einfach so über ihn gekommen und er war nicht er selbst gewesen. Genau so hätte sie selbst es auch beschrieben. Er war nicht er selbst. Und doch hatte irgendein Impuls in ihm sich geregt und ihn dazu gebracht, seine Hände um ihren Hals zu legen. 

Mit einem Seufzen lehnte der Anwalt sich zurück, dann linste sie zu ihrem Vater hinüber. Er schien in eine Art Schockstarre verfallen zu sein, doch ziemlich schnell fing er sich wieder. Schnell nahm er ihre Hand und drückte sie. 

„Was sagen Sie dazu?", fragte der Anwalt sie. 

„Ziemlich genau so war es. Es ist komisch zu hören, was er sich so gedacht hat", gestand sie, dann sah sie ihn fragend an. Sie hatte keine Ahnung, was sie nun tun sollte. 

„Sie würden also den Tathergang genau so beschreiben, wie Herr Müller es getan hat?", vergewisserte er sich, woraufhin sie nickte. 

„Damit hat er die Ermittlungen deutlich verkürzt. Nach dem Bericht von Kommissar Bergling deckt sich seine Version mit den am Tatort gefundenen Spuren. Der Fall scheint klar. Herr Müller wird versuchen, den Richter zu überzeugen, dass er nicht er selbst war", erklärte er, doch Sheila riss die Augen auf. 

„Das war er ja auch nicht. Er hätte normalerweise niemals so etwas getan. Er... anscheinend ist ihm bewusst geworden, dass ich nicht mehr mit ihm zusammen sein will und das kann er nicht akzeptieren. Er hat mir einen Brief geschrieben, den ich gestern zu Hause gefunden habe", sagte sie und zog den Brief aus ihrer Tasche und legte ihn auf den Tisch. 

Slice of Life - A New Beginning IWhere stories live. Discover now