Kapitel 114 - Jonathan

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Ihr Vater hielt die Kiste in der Hand, als ob sie ihm die Haut verbrennen würde. Gleichzeitig wirkte Sheila, als wollte sie sie nicht zurück. Jonathan war wirklich neugierig, was darin war, allerdings wäre es wohl besser, wenn diese Kiste für immer verschlossen bliebe. Zumindest, wenn sie Ville gehörte, denn vermutlich Dinge darin aufbewahrt hatte, die alles andere als schön waren. 

„Wir sollten für heute Schluss machen", sagte ihr Vater schließlich, kurz nachdem die Haustür ein zweites Mal zugeschlagen wurde und Matthias wieder zu ihnen kam. 

„Ich denke auch", sagte dieser und schlang die Arme um sich, als hätte er Angst, sonst zu zerbrechen. Er spürte, dass die drei nur über Blicke miteinander zu reden schienen und ihn ausschlossen. Es verletzte ihn mehr als er zugeben wollte, denn eigentlich hatte er sich doch vorgenommen, Sheila zu beschützen. Und das konnte er doch nur, wenn sie mit ihm darüber redete, was ihr durch den Kopf ging.

Eine halbe Stunde später schloss er die Tür zu seiner Wohnung auf. Kaum dass er sich Jacke und Schuhe ausgezogen hatte, spürte er, wie Sheila sich mit dem Kopf an seine Schulter lehnte und von hinten die Arme um ihn schlang. Schnell legte er seine Hände auf ihre und eine Weile blieben sie so stehen. 

„Tut mir leid, dass ich heute nicht so viel mit dir geredet habe. Aber... es ist schwierig, ihn zu verstehen, wenn man ihn nicht kennt. Und ich hoffe du bist mir nicht böse, wenn ich vermeiden will, über ihn zu reden", murmelte sie an seinem Hals und drückte ihn noch fester an sich. 

Jonathan schluckte. Zwar wollte er einerseits alles über sie wissen, damit er sie besser kennenlernte, doch er musste auch akzeptieren, wenn sie nicht über ihre Vergangenheit reden wollte. 

„Das verstehe ich. Ich fühle mich nur so hilflos. Ich will für dich da sein und dich unterstützen, aber ich habe das Gefühl, dass ich dir nicht helfen kann", erklärte er, woraufhin sie sich von ihm löste und um ihn herumging, sodass sie sich in die Augen sehen konnten. 

„Du hilfst mir schon, in dem es dich gibt", sagte sie ernst, doch dann lachte sie schnell, wodurch es nicht ganz echt klang. Trotzdem fühlte er sich geschmeichelt. 

„Danke. Du musst mir nur versprechen, dass du mit mir redest, wenn du Hilfe brauchst. Das meine ich ernst", erwiderte er und sie nickte. 

„Ich versuche es", gab sie zurück, dann verschränkte sie ihre Finger mit seinen und zog ihn ins Schlafzimmer. 

„Ich bin ganz schön geschafft", stöhnte sie und fing an, sich ihre Klamotten abzustreifen. 

„Ich auch. Vielleicht sollten wir einfach mal ausschlafen morgen", schlug er vor, doch sie sah ihn streng an. 

„Nein! Du musst morgen arbeiten und ich sollte noch einmal mit Oskar reden. Sonst ist er beleidigt, weil er denkt, ich würde ihm Erinnerungsstücke an seine Mutter vorenthalten. Vielleicht frage ich Johnny, ob er Lust hat, mit mir shoppen zu gehen. Immerhin passen meine ganzen Klamotten, die ich noch habe, in eine Tasche", lachte sie, schlüpfte in ihren Schlafanzug und legte sich ins Bett. 

„Na gut, aber ich weiß, was du jetzt gebrauchen könntest", grinste er, legte sich neben sie und fing an, ihre Schultern zu massieren.

Es dauerte keine Viertelstunde, bis sie eingeschlafen war. Er war erleichtert, dass sie zumindest keine Probleme mit dem Einschlafen zu haben schien, dennoch befürchtete er, dass sie wieder nachts aufwachen würde und nicht mehr schlafen konnte. 

Möglichst vorsichtig drehte er sich auf die andere Seite und schloss die Augen. Doch sofort blitzten die Erlebnisse des Tages vor seinem inneren Auge auf. Er musste immer wieder daran denken, wie geschockt sie ausgesehen hatte, als sie das Ausmaß seiner Zerstörungswut gesehen hatte. 

Es kam ihm noch immer unwirklich vor, dass ihr komplettes Haus eine Baustelle war. Würden sie nicht möglichst bald mit der Renovierung anfangen, würde es nach und nach verfallen und das wäre wirklich schade. Denn offensichtlich lag ihr einiges an dem Haus und er wollte nicht, dass sie ihr Zuhause verlor. 

Zwar könnten sie sich auch eine gemeinsame größere Wohnung suchen, doch sie hatte so glücklich dabei geklungen, wie sie sich überlegt hatte, wie sie das Haus umbauen wollte. Mit dem Gedanken daran schlief er schließlich ein und verfiel in einen traumlosen Schlaf. 

Slice of Life - A New Beginning IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt